Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Kultur

Yun Heung-gil: „Der Mann, der zurückblieb als neun Paar Schuhe“

2019-02-19


Aus dem Sendeinhalt


Die Geschichte „Der Mann, zurückblieb als neun Paar Schuhe“ wird erzählt aus der Sicht von Herrn Oh, Oberstufen-Lehrer in der südlich von Seoul gelegenen Stadt Seongnam. Er hat ein Haus gekauft und vermietet ein Zimmer, um sich finanziell abzusichern. In das Zimmer ziehen nun Herr Kwon und dessen Familie. 



Herr Kwon saß auf dem Flur und putzte seine Schuhe. Fünf oder sechs Paar, jedes von anderer Farbe und von anderem Design, standen dort, und emsig wischte und polierte er an ihnen herum. 

„Wollen sie die verkaufen?”, fragte ich. 

Kwon hielt abrupt inne und blickte auf meine Füße. Beziehungsweise auf meine Schuhe. 

„Wie kommen sie darauf?”, meinte er ärgerlich.

„Oh, entschuldigen Sie. Das war nicht so gemeint. Ich wollte damit nur sagen, Sie haben da ja eine ganze Menge Schuhe. Also, ziemlich viele Schuhe eben.” 

Er legte den Schuh, den er fertig poliert hatte, vorsichtig nach rechts und nahm dann einen weiteren von links. Er steckte ihn zwischen die Knie und begann, vorsichtig mit einer alten Zahnbürste den zwischen Gummi- und Ledersohle haftenden Schmutz abzubürsten, als würde er seine Zähne putzen, und nahm mir so die Gelegenheit, mich ordentlich zu entschuldigen.

Offensichtlich waren Herrn Kwons Schuhe weitaus besser als der Durchschnitt. Sogar die Werkzeuge, die er benutzte, befanden sich in einem kompletten Set, was beinahe schon professionell wirkte.

Als die Schuhe wie Blechplatten glänzten, blickte Kwon von meinen Füßen auf zu meinem Gesicht. Er strahlte. Seine Augen strahlten genauso wie die Spitze seiner Schuhe.



Literaturkritikerin Jeon So-yeong

Im August 1971 kam es zu einem schrecklichen Vorfall, an dem die städtischen Armen beteiligt waren. Im Rahmen eines Stadtsanierungsprogramms hatte die Regierung die Bewohner einer illegalen Barrackenstadt in Seoul in einen großen Wohnkomplex in Gwangju in der Provinz Gyeonggi-do verlegt. Es gab jedoch einen Verwaltungsfehler im Umsiedlungsprozess, der dazu führte, dass die Bewohner des Armenviertels revoltierten. Der Autor Yun Heung-gil übt Gesellschaftskritik, indem er den Aufstand als Ereignis benutzt, das zu Kwons Auftritt in der Geschichte führt. Kwon hat das Recht erhalten, in den Gwangju-Komplex zu ziehen, aber eine Reihe von Missverständnissen und Missgeschicken haben tragische Konsequenzen gehabt. Denn dem armen Mann wurde fälschlicherweise vorgeworfen, den Aufstand ausgelöst zu haben, und dafür wurde er eingesperrt.



Die Frau war ins Krankenhaus gegangen und die Kinder hatte ich nach draußen geschickt. Nun sah ich mir Herrn Kwons Zimmer an.

Es war das erste Mal seit ich das Zimmer vermietet hatte, dass ich mich bei hellem Tageslicht darin umsah. Wo sich ein Kleiderschrank als das wertvollster Haushaltsgegenstand befinden sollte, standen neun Paar Schuhe, säuberlich aufgereiht wie Soldaten.

Sechs Paare waren tadellos poliert und drei mit Staub bedeckt. Von den zehn Paaren, die er hatte, musste er sieben ausgesucht haben, die er mochte, und die er immer polierte, um sie abwechselnd zu tragen, ein Paar für jeden Tag der Woche.

Ich dachte an das eine Paar Schuhe, das von den sieben gut polierten fehlte, und mir wurde bewusst, dass dieses Paar Schuhe nicht so bald nach Hause kommen würde.




Yun Heung-gil wurde 1942 in Jeong-eup in der Provinz Nord-Jeolla geboren. 1968 begann er seine Karriere als Schriftsteller. Seine Erzählung „Der Mann, der zurückblieb als neun Paar Schuhe “ stammt aus dem Jahr 1977. Im jahre 2010 gewann er den Buddhistischen Literaturpreis für Moderne Literatur.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >