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Kultur

Kim Won-il: „Seele aus dem Dunkel“

2019-04-09

ⓒ Getty Images Bank

Der Himmel hinter den Jujubebäumen färbte sich bereits dunkelrot. Ich hasse diese Farbe. Sie erinnert mich an das, was der Vater tut und an Mutters blutunterlaufenes Gesicht.

Dunkelrot, die Farbe von getrocknetem Blut, ist auch die Farbe der Abenddämmerung mit der hereinbrechenden Dunkelheit, die alles schwarz färbt. 

Wenn es einen Ort auf dieser Welt gibt, an dem es keine Nacht gibt, würde ich für immer dort leben wollen. Doch nun wird der Vater von einem Exekutionskommando in der Dunkelheit hingerichtet.



Literaturkritikerin Jeon So-yeong: 

Alle Arbeiten Kim Won-ils beschäftigen sich mit dem Thema der koreanischen Teilung und dem Koreakrieg. Er brachte seine Familiengeschichte und persönliche Erfahrungen in seine Erzählungen ein, von denen die meisten gegen den Krieg gerichtet sind. „Seele aus dem Dunkel" ist eine biografische Geschichte des Schriftstellers. Die Protagonisten in seinen Geschichten sind größtenteils junge Männer, deren Leben durch tragische historische Ereignisse wie die Teilung Koreas oder den Koreakrieg aus den Fugen geraten ist. Kim beschreibt detailliert, wie seine jungen Protagonisten durch ihre leidvollen Erfahrungen innerlich wachsen.



Kim Won-ils Erzählung „Seele aus dem Dunkel“ Geschichte spielt im Jahr 1949, ein Jahr vor Beginn des Koreakrieges. Die Ereignisse finden innerhalb eines Tages statt, von der Verhaftung von Gap-haes Vater, der einer linksgerichteten Bewegung angehört, bis zu seiner Hinrichtung, deren Zeuge auch sein 13-jähriger Sohn wird. In der Geschichte verarbeitet der Autor Kim Won-il auch autobiographische Erfahrungen. 



„Onkel! Haben sie meinen Vater schon hingerichtet?”, fragte ich.

Mein Onkel antwortete mit leiser Stimme: „Gap-hae, dein Vater ist nun nicht mir bei uns. Er ist nun weit, weit weg.“

“Ist er wirklich tot? Haben die Polizisten ihn erschossen?”

Mein Onkel strich mir über den Rücken und griff fest meine Hand.

„Gap-hae.”

Hinter einem Schleier aus Tränen sah ich das verstörte Gesicht meines Onkels. Dann begann er plötzlich zu sprechen, als hätte er einen Entschluss gefasst.

„Lass uns gehen. Ich bringe dich zu deinem Vater.” 

Er nahm mich bei der Hand und wir gingen in den Hinterhof der Polizeiwache. Im Dunkeln versuchte ich etwas zu erkennen. Da sah ich unter einer Ulme etwas liegen, von einer Strohmatte bedeckt.

 



Kim Won-il, geboren 1942, begann seine Schriftstellerlaufbahn 1967 mit der Erzählung „Fest der Dunkelheit“. 1974 gewann er den Preis für zeitgenössische Literatur, 1978 den Koreanischen Roman-Literaturpreis. Seine Erzählung „Seele aus dem Dunkel“ stammt aus dem Jahr 1973.

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