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Kultur

Hwang Sun-won: „Der Regenschauer“

2019-07-02

ⓒ Getty Images Bank

„Der Regenschauer", das bekannteste Werk Hwang Sun-wons, schildert die psychologische Welt eines Jungen vom Land und eines Mädchens aus der Stadt, und die zarte Blüte einer ersten, unschuldigen Liebe.



Der Junge wusste sofort, dass das Mädchen dort am Bach die Urenkelin von Meister Yun war. Sie hielt ihre Hände ins Wasser und plätscherte darin herum, als habe sie so einen Bach in Seoul niemals gesehen.  

Seit ein paar Tagen machte sie auf dem Rückweg von der Schule immer hier Halt, um am Wasser zu spielen. Doch bis gestern hatte sie immer nur am Ufer gesessen und heute saß sie mitten auf den Trittsteinen.

Der Junge setzte sich ans Ufer. Er wartete darauf, dass sie beiseite trat.

Sie wusch sich eine Weile das Gesicht und starrte dann ins Wasser. Dann griff sie plötzlich ins Wasser hinein. Immer wieder kam ihre leere Hand aus dem Wasser. Doch schließlich holte sie wirklich etwas heraus. Es war ein kleiner weißer Kieselstein. Sie stand auf und hüpfte über die Trittsteine. Kaum hatte sie die andere Seite erreicht, drehte sie sich abrupt um.

„Na, du Trottel!“, rief sie. Der Kieselstein flog auf den Jungen zu und das Mädchen rannte mit flatterndem Haar davon. Der Junge hob den Kieselstein auf und steckte ihn in die Tasche.



Professor Bang Min-ho von der Abteilung für koreansiche Literatur an der Seoul National University: 

Die Geschichte wurde während des Krieges geschrieben, als Menschen einander umbrachten. Doch Hwang Sun-won schrieb eine Liebesgeschichte von unschuldigen Jugendlichen, um der Welt zu sagen, dass die Menschen nicht inmitten von Tod und Hass leben sollten, sondern in einer schönen Welt, wie der der aufkeimenden Liebe zwischen diesen beiden Jugendlichen. Ich denke, die Geschichte von Hwang Sun-won ist als solche wunderschön, aber die wahre Schönheit erhält sie durch die Zeit, in der sie geschrieben wurde.



Das Wasser sickerte nicht herein, aber es war dunkel und eng. Der Junge, der außerhalb des Stapels saß, war dem Regen ausgesetzt. Dampf stieg von seinen Schultern auf. Das Mädchen flüsterte ihm zu, hereinzukommen, aber er sagte, es gehe ihm gut. Sie forderte ihn noch einmal auf und schließlich kroch er etwas widerwillig rückwärts hinein.

Dabei zerdrückte er die Blumen in ihren Armen. Aber es machte ihr nichts aus. Der Geruch des nassen Körpers des Jungen drang in ihre Nase, aber sie wandte den Kopf nicht ab. Vielmehr schien die Hitze seines Körpers ihr Zittern zu lindern.  




Hwang Sun-won (1915-2000) zählt zu den bekanntesten Autoren Koreas. Er wurde unter anderem mit dem Preis der koreanischen Kunstakademie 1961, dem Koreanischen Literaturpreis 1983 und Kulturorden in Gold 2000 ausgezeichnet. Seine Erzählung „Der Regenschauer“ stammt aus dem Jahr 1953.

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