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Kultur

Jeong Ji-a: „Ein Frühlingsnachmittag und drei Witwen“

2019-07-30

ⓒ Getty Images Bank

„Ein Frühlingsnachmittag und drei Witwen“ handelt von drei koreanischen Frauen in ihren 80er Jahren, die unter der japanischen Kolonialzeit zusammen aufwuchsen und bis in die heutige Zeit befreundet geblieben sind. In Rückblenden werden an ihren Schicksalen die historischen und gesellschaftlichen Umbrüche in Korea aus weiblicher Perspektive nachgezeichnet.



Von weitem näherte sich Haruko mit wackligem Gang und gesenktem Kopf.

„Haruko! Warum kommst du erst jetzt?“

„Mein Mann hat spät gefrühstückt. Er war nicht hungrig und wollte nichts essen. Ich musste ihn erst dazu überreden.“

Harukos Ehemann war um diese Zeit vor etwa zwei Jahren gestorben. Selbst nach seinem Tod hatte Haruko weiterhin das Frühstück für ihn zubereitet. Doch sie hatte bisher noch nie so gesprochen, als sei ihr Mann am Leben. Etwas stimmte mit Haruko nicht. Eiko wusste, dass dieser Tag kommen würde.

„Haruko, gehen wir zu Sadako.“

„Sadako?“

„Ja, Sadako, unsere Freundin.“

Sie alle hatten dieselbe Grundschule besucht, die einzige im Dorf. Sie waren es gewohnt, sich mit ihren japanischen Namen anzureden. Denn so hatten sie sich in der Schule kennengelernt.

„Ich kenne niemanden mit diesem Namen.“

Sie wusste nicht, wer Sadako war? Das konnte nicht sein. Haruko und Sadako waren beste Freundinnen.

„Was meinst du, du weißt es nicht? Wie kannst du Sadako nicht kennen?“

Frustriert fuhr sie Haruko an.



Literaturkritikerin Jeon So-yeong:

Wie die japanischen Namen bereits andeuten, haben die drei Witwen turbulente Zeiten der koreanischen Geschichte miterlebt. In den meisten Fällen standen Aktivisten und Ideologen wie die Ehemänner dieser Frauen an der vordersten Front der Geschichte. Doch die eigentlich treibende Kraft waren die Frauen, die als historische Randfiguren keine weitere Beachtung fanden. Diese Erzählung macht die vernachlässigte Geschichte dieser Frauen sichtbar.



Die Frühlingssonne schien auf den betonierten Parkplatz.

Wie viele Jahre hatte sie noch vor sich? In ihrem Alter war die Zukunft nicht garantiert, doch sie beabsichtigte, sich zu vergnügen, solange ihr Atem noch reichte. Obwohl sie eine Großmutter mit trockener Haut war, flirtete Herr Kim mit ihr. Es wäre nicht das Schlechteste, in den Armen von Herrn Kim zu sterben.

Forsch schritt sie in der warmen Frühlingssonne voran.




Jeong Ji-a, geboren 1965, debütierte 1996 als Schriftstellerin mit der Erzählung „Die Lotuspflaume“, für die sie mit dem Frühlingsliteraturpreis der Chosun Ilbo ausgezeichnet wurde. Weiter gewann sie unter anderem den Lee-Hyo-seok-Literaturpreis 2006.

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