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Eine körperliche Einschränkung, wie groß oder klein auch diese sein mag, ist für die betroffene Person keine leichte Sache. Im alten Korea wurde von allen körperlichen Behinderungen die Blindheit als die qualvollste angesehen. Im Pansori Simcheongga심청가 opfert sich das Mädchen Simcheong심청 für ihren blinden Vater, wofür sie am Ende belohnt wird und alle ein glückliches Leben führen. Die Geschichte zeigt aber auch, dass Blindheit als eine so schwerwiegende Krankheit eingeschätzt wurde, dass sie mit dem Leben eines Menschen gleichgesetzt wurde. Unter den Schamanenritualen der Ostküste, den Donghaeanbyeolsingut동해안별신굿, gibt es das Simcheong-gut심청굿, das am Anfang sofort klarstellt: „Unter den menschlichen Körperfunktionen ist die Sehkraft die wichtigste.“ 


In der Joseon-Zeit verdienten die meisten Blinden sich ihren Unterhalt als Rezitatoren buddhistischer Sutren oder als Wahrsager. Es gab aber auch ein von der Regierung eingeführtes System, das Blinde als Hofmusiker einstellte. Zu jener Zeit lebte ein junger Mann namens Kim Un-ran김운란, der während seiner Vorbereitungen auf die Beamtenprüfung an einer Augenkrankheit erkrankte und erblindete. Als einstiger Gelehrte empfand er es als unter seiner Würde, der Arbeit eines Wahrsagers nachzugehen, weshalb er lieber das Ajaeng-Spiel erlernte, wofür er eine außergewöhnliche Begabung an den Tag legte. So schrieb der Autor der „Geschichten von Hong Gil-dong“ Heo Gyun허균, dass man bei ihm das Gefühl habe, als spreche er durch die Musik, die seine Zuschauer schon mal zu Tränen rühren konnte. 


Das Ajaeng아쟁 wird bisweilen mit dem Haegeum해금 verwechselt, da bei beiden traditionellen Saiteninstrumenten ein Bogen zum Einsatz kommt. Tatsächlich sehen beide recht unterschiedlich aus. Das aus Bambus angefertigte Haegeum해금 besitzt einen runden Resonanzkasten und ein schmales Griffbrett mit zwei Saiten. Es gleicht einer Kniegeige, ist klein und daher sehr leicht zu transportieren. Dagegen sind beim Ajaeng über den lang gezogenen Resonanzkörper aus dem Holz des Paulownienbaums mehrere Saiten gespannt und es ähnelt in seiner Form dem Gayageum 가야금 oder dem Geomungo 고문고. Das Haegeum hat einen hohen, hellen Klang, während das Ajaeng tief und dunkel klingt. Unter den koreanischen Saiteninstrumenten können mit dem Ajaeng아쟁 die tiefsten Töne erzeugt werden, die bis tief in die Herzen der Zuhörer zu dringen scheinen. 


In seinem Instrument fand der plötzlich blind gewordene Kim Un-ran wohl großen Trost und Halt. Als sich seine Träume hinsichtlich einer Beamtenlaufbahn und dem Leben eines konfuzianischen Gelehrten in Luft aufgelöst hatten, war ihm die Umstellung auf ein gänzlich neues Leben sicher nicht leicht gefallen. Wohin er auch ging, sah man ihn mit dem Ajaeng, das er bei jeder sich bietenden Gelegenheit hervorholte, um darauf zu spielen. Kim Un-rans Musik soll aber nicht nur die Menschen, sondern sogar die Geister zu einer emotionalen Reaktion bewegt haben. So überliefert es die folgende Anekdote: Einmal saß Kim Un-ran neben einem alten, verlassenen Schrein und spielte auf dem Ajaeng, als er plötzlich jemanden schluchzen hörte. Er stellte schließlich fest, dass das Schluchzen aus dem Inneren des Schreins kam, woraufhin er erschrocken sogleich das Weite suchte. 


Dass seine Musik sogar die Toten zu Tränen rühren würde, hatte er wohl nicht erwartet. Auch der berühmte Gelehrte Yi I 이이soll so von Kim Un-rans Ajaeng-Spiel begeistert gewesen sein, dass er ihm ein Gedicht widmete. Für Kim Un-ran mag es nach dem Verlust seines Augenlichts eine herbe Enttäuschung gewesen sein, das Leben eines konfuzianischen Gelehrten aufgeben zu müssen. Doch es gelang ihm, all seine bitteren Gefühle von Leid und Trauer in die wunderbarste Musik umzuwandeln. Und in seiner Musik konnte sich das ebenso nicht minder leidgeprüfte Volk wiederentdecken sowie Kraft und Trost für das eigene Leben finden. 


Musik

  1. „Heoteun Garak“ aus dem Ajaeng Sanjo, gespielt auf dem Ajaeng von Kim Il-gu 아쟁산조 중 허튼가락 / 아쟁 김일구
  2. „Cheol Ajaeng Sanjo“, gespielt auf dem Ajaeng von Yun Yun-seok 철아쟁산조 / 아쟁 윤윤석
  3. „Vergnügung im Mondschein“, dargeboten von dem Ensemble Sinawi 달빛유희 / 앙상블 시니위

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