Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Kultur

Lee Hyo-seok: „Der Berg“

2019-08-13

ⓒ Getty Images Bank

Jung-sil hörte auf, Brennholz zu schneiden, und hob die Haselnussäste unter seinen Füßen hoch. Mehrere Haselnüsse fielen in seine Hand. Die gereiften Früchte zersplitterten zwischen seinen Backenzähnen.

Jung-sil stellte sich vor, er sei ein hoher, starker Baum. Er hatte das Gefühl, dass seine Augen vom Himmel blau gefärbt würden, und der Geruch der Berge seine Haut durchdrang.

Die Füße waren die Wurzeln und die Arme die Äste. Wenn er sich schneiden würde, käme Harz anstelle von Blut aus der Wunde.

Er konnte erkennen, welche geheimen Worte zwischen den ruhig stehenden Bäumen hingen, welche Bedeutung die Bewegungen der Zweige hatten und mit welcher Absicht die Blätter miteinander flüsterten.



Literaturkritikerin Jeon So-yeong:

Diese Geschichte wurde Mitte der 1930er Jahre veröffentlicht, als die japanische Unterdrückung der Koreaner am schlimmsten war. Obwohl die grimmige Realität hier nicht klar beschrieben wird, gibt Jung-sil, der in die Natur flieht, um ein zufriedenes Leben zu führen, Hinweise darauf, wie schlimm es war. Lee Hyo-seok hat immer von einer Welt geträumt, die völlig von der Realität abgetrennt und von natürlichen Instinkten getrieben ist. 



Das Geprassel des Feuers wurde leiser und das Geräusch des Baches deutlicher. Der Nachthimmel war mit unzähligen Sternen übersät und der Mond hing tief in den Ästen der Bäume.

Jung-sil löschte die Glut mit dem Fuß und tauchte die Umgebung in Dunkelheit.

In den Bergen ist nicht zu erkennen, wie spät es ist.

Er ging zu seinem provisorischen Bett unter dem Baum, ohne zu wissen, ob es zu früh oder zu spät zum Schlafen war.

Er vergrub sich tief in dem dichten Laubhaufen, und nur sein Gesicht lugte hervor. Ihm wurde allmählich warm.

Die Sterne am Himmel wirkten mal näher, mal ferner, als würden sie auf sein Gesicht fallen.

„Ein Stern, zwei Sterne, drei Sterne ...“

Unwillkürlich begann er, die Sterne zu zählen. Wenn seine Augenlider schwer wurden und er sich verzählte, lockerte er seine Lippen und begann von vorn. 

„Ein Stern, zwei Sterne, drei Sterne, vier Sterne ...“

Und Jung-sil spürte, wie sein Körper sich, während er so zählte, in einen Stern verwandelte.




Lee Hyo-seok ist berühmt für Erzählungen wie „Wenn der Buchweizen blüht“ oder „Die Stadt und der Geist“. Seine Erzählung „Der Berg“ stammt aus dem Jahr 1936.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >