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Kultur

Choi Jin-yeong: „Eines Tages feat. Gesteinsbrocken“

2019-09-17

ⓒ Getty Images Bank

Der Gesteinsbrockens habe etwa die Größe des amerikanischen Kontinents und nähere sich nun mit konstanter Geschwindigkeit der Erde. Wenn er auf die Erde falle, stünde der Menschheit eine nie dagewesene Katastrophe bevor.

Wenn Umlaufbahn und Geschwindigkeit des Brockens konstant blieben, wären es von jetzt noch 43 Tage bis zur Katastrophe.

Bald werde eine Atomrakete ins All starten, um den Brocken zu sprengen, doch wurde auch davor gewarnt, dass die Erde in größerer Gefahr wäre, wenn der Brocken nicht vollkommen gesprengt, sondern nun in einige Stücke zerbräche.



Die Mutter der Protagonistin versteht die Sache mit dem Meteoriten überhaupt nicht. Und die Tochter weiß auch nicht recht, wie sie ihr das erklären soll. 



„Es wird ein gewaltiger Felsbrocken auf die Erde fallen“, sagte ich.

„Ach so, also keine Kanone und keine Bombe. Dann geht doch nur da was kaputt, wo der Stein aufprallt“, sagte meine Mutter. 

„Aber der Brocken ist größer ist als unser gesamtes Land, Mama. Dann gibt es Erdbeben und Vulkanausbrüche, und das Meer schwappt über, und der Himmel wird schwarz und alles wackelt. Die Dinosaurier sind auch wegen sowas ausgestorben“, erklärte ich. 

„Die Dinosaurier?“, fragte meine Mutter.

Sie sagte ein Weile nichts. Allein der Begriff „Dinosaurier“ war meilenweit von der Lebenswelt meiner Mutter entfernt. 

„Aber warum fällt dieser Brocken denn plötzlich runter?“, fragte meine Mutter.

Der kommt von ganz, ganz weit weg angeflogen, schon ganz lange“, sagte ich.  

„Wie kann denn ein so großer Brocken fliegen? Der ist doch viel zu schwer!“, meinte meine Mutter. 

„Naja, also es ist weniger so, dass er fliegt, sondern eher so, dass er sich mit hoher Geschwindigkeit auf seiner Bahn bewegt. Im Weltall gibt es so etwas wie Schwerkraft oder oben und unten ja nicht“, versuchte ich eine Erklärung. 

„Im Weltall?“, fragte meine Mutter. Dann war sie wieder still. Sie schien über das Weltall nachzudenken. 

„Der Brocken fällt doch vom Himmel?“

„Hm.“

„Der kommt also aus dem Weltall?“

„Hm.“

„Wo ist denn das Weltall?“

„Mach dir keine Sorgen, Mama.“



Literaturkritikerin Jeon So-yeon:

Aus einem Raumschiff oder Flugzeug betrachtet wirken die Menschen aber alle verschwindend unbedeutend, und man denkt sich oft: Ach ja, der Mensch ist eben doch nur ein Staubkorn. Dabei kann der einzelne Mensch für einen anderen Menschen viel mehr Bedeutung haben als das ganze Universum. Dies gilt besonders für Eltern und Kinder. Die Mutter sagt der Tochter: Für das Universum sind wir Feinstaub, aber du nicht für mich. So gesehen kann jeder Mensch größer sein als das Universum. Dies ist eine sehr ergreifende Erfahrung.

 



Choi Jin-yeong, geboren 1981, begann ihre Schriftstellerlaufbahn 2006 und gewann 2010 den Hankorye-Literaturpreis. Ihre Erzählung „Eines Tages feat. Gesteinsbrocken“ stammt aus dem Jahr 2018.

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