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Kultur

Lee Beom-seon: „Die Möwe“

2019-09-24

ⓒ Getty Images Bank


Die Geschichte „Die Möwe“ handelt von Hun, der im Krieg nach Busan geflohen ist und nun schon seit sieben Jahren mit seiner Familie auf einer kleinen Insel im Südmeer lebt, wo er als Mittelstufenlehrer arbeitet. 



Literaturkritikerin Jeon So-yeong: Der Schriftsteller Lee Beom-seon hat nach eigenen Angaben während des Krieges auf der Insel Geoje unterrichtet. In der Geschichte wird der Name der Insel zwar nicht erwähnt, aber man kann davon ausgehen, dass viele Erfahrungen des Autors in die Geschichte miteingeflossen sind. Die Nachkriegszeit, als dieser Roman geschrieben wurde, war eine Zeit, in der Verbindungen zwischen Menschen abbrachen, in der die Moral aufgrund des Krieges verwässert war und in der die Menschen oft voneinander isoliert waren. Aber selbst dann bleibt immer noch ein Funken Wärme in den Herzen der Menschen erhalten, und wenn wir uns darauf besinnen, wird die Zeit vielleicht ein wenig besser werden. Dieser Gedanke sei ihm damals auf Goje gekommen, so Lee.



Die Teestube, in die man über eine quietschende Treppe gelangte, vorbei an dem Schild, auf dem in grober weißer Schrift das Wort „Möwe“ zu lesen war, war normalerweise leer. Oftmals waren nicht einmal die Besitzer da. Auch an diesem Tag war niemand da, und Hun setzte sich ans Fenster, dorthin, wo er immer saß.


„Oh, sind Sie schon lange da?”, fragte die Wirtin, die nun herein kam.

„Nein, nein, höchstens drei oder vier Stunden“, antwortete Hun im Spaß. 

„Na, Sie sind einer! Liebling, sieh nur, der Herr Lehrer ist da!“

Während sie Feuer am Herd machte, um Kaffee zu kochen, kam ihr Ehemann hereingeschlurft.

„Sind Sie es, Herr Lee?“, fragte der Teestubenbesitzer. Er war blind. 

Hun blickte in das Gesicht des Teestubenwirtes. Eine gerade Nase und wohlgeformte Lippen. Lippen, die ihren Ausdruck verloren hatten, als ob sie nie gelächelt hätten.

„Alles in Ordnung?“, fragte Hun. 

„Na ja, geht so“, antwortete der Wirt. 

Auch Hun wusste, dass es ihnen so sonderlich gut nicht ging. Den beiden, die sich Erinnerungen wie Medizin in den Tee bröselten und traurig und einsam dahinlebten.

 

Auch gestern Abend hatte er im Hintergrund wieder die Zigeunerweisen gehört. 

Wenn die Lichter an den beiden Leuchttürmen der Insel aufleuchteten und zwei lange rote und blaue Bänder auf der Wasseroberfläche zurückließen, drang der Klang des Saxophons in Richtung des ruhigen Nachthimmels. Das traurige, heisere Geräusch drängte seine Gedanken in die Vergangenheit. Immer, wenn er abends den verhauchten Saxophonklang gehört hatte, ohne zu wissen, wer da spielte, stand er reglos an der Verandasäule seines Hauses gelehnt und starrte in den Sternenhimmel. 

 



Lee Beom-seon (1920-1982) gewann unter anderem 1961 den Dongin-Literaturpreis. Seine Erzählung „Die Möwe“ entstand im Jahre 1958.

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