Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Kultur

Lee Tae-jun: „Die Krähen“

2019-12-10

ⓒ Getty Images Bank

Die Erzählung „Die Krähen” handelt von Einsamkeit und Tod, geschildert aus Sicht eines erfolglosen Schriftstellers und einer todkranken Frau, die sich im Winter in einer Ferienunterkunft begegnen. 



„Hier draußen sind die Krähen meine Freunde“, sagte er und lachte, um ihre unheilvolle Bemerkung zu überdecken.

„Wie können Sie die Krähen Ihre Freunde nennen? Ich mag alles in dieser Gegend außer diesen Vögeln. Sie scheinen mir ständig sagen zu wollen, dass ich den Tod nicht vergessen solle.“

„So sollten Sie das nicht sehen. Es gibt schwarze und weiße Vögel, welche mit glockenheller und welche mit dunkler, krächzender Stimme. Auch Krähen haben doch ihre liebenswürdige Seite.“

„Das ist ein schlechter Geschmack, so, wie wenn ein gesunder Mensch einen Totenschädel liebt. Sie denken nicht, dass sie jemals sterben werden. Krähen sind für mich schreckliche Wesen. Sie machen mir Angst, weil sie wie böse maskierte Männer aussehen, die mich verfolgen. Ich fürchte mich davor, dass diese Vögel sich nach meinem Tod auf mich stürzen und mich in die Unterwelt bringen werden.“



Professor Bang Min-ho (Seoul National University):

Die Tuberkulose war früher eine tödliche Krankheit. Die Frau durchleidet ihr Leben, bevor sie den Tod findet, aber die Hauptfigur der Geschichte träumt davon, eine romantische Beziehung mit ihr zu beginnen, um ihr etwas zum Leben zu geben. Aber eine Tuberkulose-Patientin hat nichts Romantisches an sich. Sie wird leiden, bis sie Blut hustet und stirbt. In früheren Zeiten litten auch viele Schriftsteller an Tuberkulose, man bezeichnete die Tuberkolose daher auch als Schriftstellerkrankheit. Während der Mann von Romantik träumt, musste die Frau mit der harten Realität ihrer Krankheit leben.



Er fühlte sein Herz sinken. Als er sich umblickte, sah er drei oder vier Krähen, die von der Spitze eines Tannenbaums herabblickten.

„Ist sie gestorben?“

Im Leichenwagen befand sich ein Sarg, der in ein schwarzes Tuch gehüllt war. Der Verwalter verließ eine Gruppe von Dorfbewohnern und kam zu ihm herüber. 

„Das Mädchen, das immer hierher kam, ist gestorben.“ 

Dann nahm er den Hut ab und neigte sich still in Richtung des Leichenwagens.

„Der Mann, der dort in den Wagen steigt, war mit ihr verlobt“, sagte der Verwalter.

Der Schriftsteller starrte den jungen Mann schweigend an, der nach ihren Worten jeden Tag in die Bibliothek ging, um seinen Abschluss zu machen. Sobald er im Auto saß, nahm er ein weißes Taschentuch heraus und bedeckte sein Gesicht. Mit dem Leichenwagen an der Spitze rollten die Fahrzeuge leise davon.

Die Krähen gaben an diesem Abend nur ein leises Krächzen von sich.




Lee Tae-jun (1904 – nach 1969) war Mitglied der Schriftstellergruppierung Guinhoe und gilt als entscheidender Wegbereiter des modernen koreanischen Romans. Seine Erzählung „Die Krähen“ stammt aus dem Jahr 1936.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >