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Kultur

Choi Jae-hoon: „Die Geister“

2019-12-24

ⓒ Getty Images Bank

Es war Heiligabend. Im Geflügelladen um die Ecke hingen Truthahnkeulen in verschiedenen Größen, und kandierte Früchte und französische Pflaumen, ordentlich in Blechkisten verpackt, lockten die Passanten an. Familien waren auf dem Weg zur Weihnachtsmesse und der Klang von Kinderliedern hallte durch die Straßen.

Es dauerte eine Weile, bis ich die auf dem Umschlag angegebene Adresse gefunden hatte. Die alte Wohnung zwängte sich auf einem schmalen, leeren Grundstück zwischen zwei Gebäude, als würde sie Verstecken spielen. Es war neblig und der Eingang zum diesem Grundstück war besonders dunkel, so dass ich erst fand, nachdem ich mehrmals vorbeigegangen war. 

Die Farbe an der Tür blätterte ab und die Scharniere waren alle verrostet. Nur die Türklinke glänzte wie neu. 

Als ich an die Tür klopfte, kam jemand die Treppe heruntergeschlurft. 

Auf der anderen Seite der Tür hörte ich jemanden schwer atmen.

Dann öffnete sich die Tür und eine runzliges Gesicht blickte mich an. 

„Mr. Bill Murray, sind Sie es?“

„Jawohl, ich bin es, Mr. Ebenezer Scrooge.“ 



Literaturkritikerin Jeon So-yeong:

Die Hauptfigur Bill Murray zu nennen, ist clever. Den gleichnamigen Filmschauspieler kennen wir aus den „Ghostbuster“-Filmen, wo es darum geht, Geistern zu fangen. Wir können also schließen, dass Bill Murray gekommen ist, um einen Geist für Scrooge zu fangen. Das Zusammentreffen dieser beiden bekannten Persönlichkeiten zeichnet ein sehr klares und aussagekräftiges Bild in unseren Köpfen. Es ist ein sehr guter, wirkungssicherer Anfang für eine Geschichte.



Das Innere des Hauses war ebenfalls dunkel. Im Kamin schnappte schwache Glut unter einem Haufen Asche nach Luft. Ich versuchte mich aufzuwärmen, indem ich meine Hände direkt vor dem Kamin ausstreckte, aber die Wärme  kitzelte kaum meine Handflächen. Ein Topf mit wässrigem Brei hing dort im Kamin, und es schien unwahrscheinlich, dass er niemals erhitzt werden würde.

Scrooge schien immer noch seine alten, miesen Gewohnheiten zu haben. Er räusperte sich und meinte dann: „Sie sagten, es würde mich 30 Schilling kosten, nicht wahr?"

„36. Ich habe Ihnen deutlich gesagt, dass es an Weihnachten einen Aufschlag von 20 Prozent gibt“, antwortete ich.

„Das versteh ich nicht. An Weihnachten haben Sie doch sicher nicht viel Arbeit. Sie sollten mir eher einen Rabatt geben, anstatt mir zusätzliche Gebühren in Rechnung zu stellen.“

„Hören Sie, wenn Sie wollen, können sich ja wen anderes suchen.“

„Zum Henker. Nun gut, ich zahle Ihnen, was Sie verlangen, wenn Sie sich heute Abend um diese Angelegenheit kümmern.“




Choi Jae-hoon,, Jahrgang 1973, begann sein literarische Laufbahn 2007 mit der Erzählung „Das Schloss des Barons Curval“. 2011 wurde er mit dem Literaturpreis der Zeitung Hankuk Ilbo ausgezeichnet. Seine Erzählung „Die Geister“ stammt aus dem Jahr 2012 und wurde anlässlich des 200. Geburtstages von Charles Dickens geschrieben und spielt mit Motiven als Dickens „Christmas Carol“.  

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