Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Kultur

Bae Sang-min: “Tschüs, Harley”

2020-02-18

ⓒ Getty Images Bank

An dem Tag, als ich mir eine Harley-Davidson kaufte, ging ich mit einem Tuch auf dem Kopf und einer Marlboro im Mund zur Arbeit.

Nachdem ich das Motorrad in der Tiefgarage geparkt hatte, sah ich es mir etwas genauer an.

Ein angeberisch hoher Lenker, ein Rahmen wie ein Männerkörper, ein Motor, der durch mein Herz dröhnte – es war zweifellos ein mönnliches Exemplar..

Ich beschloss, ihn einfach Harley zu nennen. Der Name Harley erinnerte mich an einen Cowboy, der eine Marlboro rauchend durch die karge Wüste galoppierte.

Deshalb kaufte ich mir auf dem Weg zur Arbeit eine Packung Marlboro-Zigaretten und als Ersatz für den nicht vorhandenen Cowboy-Hut ein Kopftuch. Als der Abteilungsleiter mich in meinem Outfit sah, starrte er mich sprachlos an.

Ich nahm mein Kündigungsschreiben heraus und knallte es ihm auf den Schreibtisch. Und dann drückte ich noch meine Zigarette darauf aus. Für einen Harley-Fahrer schien mir dies angemessen.



Literaturkritikerin Jeon So-yeong: 

Korea ist bekannt für seine hohen Bildungsstandards. Genauer gesagt, seine pädagogische Leidenschaft, Kindern beizubringen, wie sie erfolgreich werden können. Der Protagonist ging auf Wunsch seiner Eltern auf ein gutes College und bekam einen guten Job. Er lebte sein Leben gemäß der Wege und der Vorschriften dieser Welt. Aber eines Tages beschließt er, die Freiheit zu finden und mit einer Geschwindigkeit, die weit über das Limit hinausgeht, vom festgelegten Pfad abzuweichen. Das Harley-Davidson-Motorrad der Hauptfigur symbolisiert sein Streben nach Freiheit und seinen Wunsch, von der Norm abzuweichen.



Es geschah an einem Sommertag, als der inzwischen ausgewachsene Palpari jede Nacht heulte und nicht in der Lage war, den natürlicherweise in ihm kochenden Drang zu kontrollieren.

Als ich von der Nachmittagsschule nach Hause kam, starrte mich meine Mutter mit kalten, anklagenden Augen an.

Als sie die Videokassette mit dem EBS-Bildungsprogramm aus der Tiefe einer Schublade hervorkramte und mir reichte, täuschte ich völlige Unschuld vor. Ihr schien aufgefallen zu sein, dass etwas mit dem Titel der Mathematikvorlesung nicht stimmte, die für einen Mittelstufenschüler wie mich viel zu schwer gewesen wäre.

So hatte sie wohl das Band in den Videospieler gelegt und war dann mit einer akrobatischen Liebesnummer konfrontiert gewesen, die für einen Mittelschüler wie mich ebenfalls ziemlich verwirrend war. Mein in Stücke zerschreddertes Pornovideo landete im Müllcontainer. 

Etwa zur gleichen Zeit brachte meine Mutter unseren Hund Palpari, dessen Heulen sie nicht länger ertragen konnte, zum Tierarzt und ließ ihn kastrieren. Zum ersten Mal umarmte ich ihn herzlich. Ich dachte, der Hund, der den Rest seines Lebens mit dysfunktionalen Genitalien fristen musste, sei mir doch recht ähnlich, da ich mich ja von nun an nur noch mit Hilfe meiner Fantasie und ohne die Hilfe eines nicht jugendfreien Videos würde befriedigen müssen.

 



Bae Sang-min, geboren 1976, wurde unter anderem 2009 mit dem Lietraturpreis für Nachwuchsschriftsteller des Verlags Jaeum& Moeum ausgezeichnet. Seine Erzählung „Tschüs, Harley“ erschien ebenfalls 2009.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >