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Kultur

Ji Ha-ryun: „Der Bergweg”

2020-03-03

ⓒ Getty Images Bank

Die Erzählung "Der Bergweg“ beschreibt den inneren Konflikt, den die Protagonistin Sun-jae erlebt, als sie von der Affäre ihres Mannes mit ihrer Freundin Yeon-hee erfährt. 



"Ich weiß“, antwortete "Warum wolltest du mich sehen?", fragte Sun-jae.

"Nun, um dir zu sagen, dass du gewonnen hast und dass ich verloren habe", antwortete Yeon-hee.

"Das ist Unsinn."

„Schau, wer von uns besser aussieht, wenn wir nebeneinander stehen. Du wirst feststellen, dass es mir viel schlechter geht. "

"Unsinn, eine Ehefrau wirkt immer älter und schamloser."

Die beiden Frauen gingen eine Weile schweigend nebeneinander her.

"Auch wenn du alles andere gewinnst, liebe ihn nicht mehr als ich. Wenn ich selbst dabei verliere, habe ich keine andere Möglichkeit, als mich ins Unglück zu stürzen“, fuhr Yeon-hee mit trauriger Stimme fort. „Er schätzt die Ordnung in seinem Leben mehr als alles andere. Selbst wenn er mich mehr liebt als dich, wird er dieses Gefühl im wirklichen Leben niemals offen ausleben.“

Vielleicht war es dies gewesen, das sie Sun-jae hatte sagen wollen.

"Findest du nicht, dass du Glück hast, seine Ehefrau sein zu dürfen?", fragte Yeon-hee nun.

"Nicht im Traum!"

"So? Aber warum denn nicht?"

"Ich wäre gern an deiner Stelle."

"Du möchstest die Freiheit haben zu wählen?"

"Ja."



Literaturkritikerin Jeon So-yeong: 

Die Szene, in der sich Sun-jae und Yeon-hee treffen, ist sehr bedeutungsvoll und interessant. Diese beiden Frauen werden beide von der patriarchalischen Ideologie gefangen gehalten. Aber als sie sich treffen, streiten sie nicht um einen Mann. Stattdessen stellen sie fest, dass sie beide die Einsamkeit spüren, die durch die Liebe zu diesem Mann entsteht. Die Einsamkeit  ist ein Gefühl, das in dieser Geschichte besonders betont wird. Ob es Sun-jae ist, die Ehefrau, oder Yeon-hee, die Geliebte, das patriarchalische System bedeutet für sie beide nichts als Schmerz. Die beiden Frauen, die sich als Gegenerinnen getroffen haben, bildeten aufgrund ihrer Position in der von Männern dominierten Gesellschaft ein Bündnis einsamer Menschen.



Sun-jae war bestürzt. Wie bequem es manche Menschen hatten. Selbst wenn sie von einer Klippe hinuntergeworfen wurden, kämpften sich einfach immer weiter ihren Weg nach oben. 

„Wird auf diese Weise Frieden erreicht? Beginnt so eine friedliche Ehe? "

Ihr Geist war getrübt von diesem verwirrenden Gedanken.

Da erinnerte sie sich plötzlich an den Anblick von Yeon-hee, wie sie mit große Schritten den weißen Streifen des beiderseits von Pflanzen gesäumten Bergweges emporschritt.

Sie war klug und wunderschön. Und so aufrichtig und ehrlich wie niemand sonst.




Ji Ha-ryun (1912-1960?), Ehefrau des Dichters und Literaturkritikers Lim Hwa und Mitglied der KAPF, der Korea Artists Proletariat Federation, der ersten koreanischen Künstlervereinigung der Arbeiterklasse, widmete sich in ihren Werken der Psyche und dem Leiden von Frauen im feudalen patriarchalischen System. Ihre Erzählung „Der Bergweg“ enststand 1942.

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