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Kultur

Jo Nam-ju: „Ein Mädchen”

2020-03-31

ⓒ Getty Images Bank

Die Geschichte “Ein Mädchen” von Jo Nam-ju beginnt damit, dass die Mutter von Ju-ha, die die Ich-Erzählerin der Geschichte ist, die Mutter von Hyeon-seong trifft. Die beiden sind gut miteinander bekannt, denn ihre Kinder Ju-ha und Hyeon-seong gehen gemeinsam in die achte Klasse. In der Schule ist Folgendes vorgefallen: Hyeon-seong hat mit seinem Handy heimlich Eun-bi unter den Rock geschaut, und Ju-ha hat das Ganze mit ihrem Handy gefilmt. Der Vorfall ist der Schule als sexuelle Belästigung gemeldet worden. Hyeon-seongs Mutter betont, es sei ja alles nur Spaß gewesen, aber Ju-ha und Eun-bi hätten ihrem Sohn Hyeon-seong eins auswischen wollen. Hyeon-seongs Mutter will nun Ju-has Mutter dazu bringen, dass Ju-ha als Zeugin ihren Sohn entlastet. Ju-has Mutter erklärt, sie höre zum ersten Mal von der ganzen Sache und müsse erst einmal mit ihrer Tochter darüber sprechen. Immer wieder kommen ihr auch Erinnerungen an ihre eigene Mutter.



Meine Mutter hatte es vor fast 30 Jahren fertiggebracht, in einer konservativen Kleinstadt eine Beratungsstelle für Opfer häusliche Gewalt zu eröffnen.

Seitdem kamen oft Frauen, die ich nicht kannte, zu uns nach Hause.

Meine Mutter wurde auch von deren Ehemännern bedroht.

Dann kam auch die Polizei, die nie gekommen war, wenn man um Hilfe gebeten hatte, ins Büro oder zu uns nach Hause und sagte, ein Mann habe Anzeige erstattet, weil seine Frau hier festgehalten werde. 

Auch die Menschen in der Nachbarschaft, blickten mit schiefem Blick auf die Einrichtung. Die Hälfte von ihnen, weil sie keine Unordnung wollten, die andere Hälfte, weil sie bezweifelten, dass sich tatsächlich Veränderungen bewirken ließen.  

Meine Großmutter sagte meiner Mutter zwar nie, sie solle mit dieser Arbeit einfach aufhören, aber machte oft bissige Bemerkungen.

„Das soll jetzt also dein Beruf sein? Und was verdienst du so?“

„Ich war auf all des gefasst“, entgegnete meine Mutter gelassen.

Aber wenn die Frauen, die sich Rat bei ihr geholt hatten, schließlich wieder zu ihren Ehemännern nach Hause gegangen waren, litt meine Mutter noch eine paar Tage.



"Sagst du mir, ich soll lügen, damit Hyeon-seong aus der Sache wieder rauskommt?", fragte Ju-ha.

"Nein, ich sage dir, du sollst ehrlich zu mir sein und mir alles erzählen, damit ich dich beschützen kann", sagte ich.

„Ich habe dir schon die Wahrheit gesagt. Er hat sein Handy unter Eun-Bis Rock gehalten und gefilmt. "

„Bist du sicher, dass die Jungs das absichtlich gemacht haben? Mit sexueller Absicht? Nicht als Streich? Weißt du, Jungs sind so dumm. Sie wussten wahrscheinlich nicht, was sie taten. Vielleicht haben sie das gemacht, um sich wie ein Mann zu fühlen.“

Ich wollte sie fragen, ob sie das Ganze nicht vielleicht geplant hatte. Aber ich konnte mich nicht dazu bringen, ihr diese Frage zu stellen.

"Eun-bi ist einmal mit dem schlauesten Jungen der Klasse ausgegangen, aber als seine Noten nicht mehr ganz so gut waren, hat sie ihn fallenlassen“, sagte ich. 

„Diese Jungs sind Wiederholungstäter. Sie geben vor, Selfies zu machen, aber tatsächlich machen sie Fotos von den Beinen oder Brüsten der Mädchen. Das haben sie mit mir auch ein paar Mal gemacht. Weißt du, wie ekelhaft ich mich dabei gefühlt habe?

„Hast du sie deshalb aufgenommen? Hast du sie deshalb reingelegt?", meinte ich.

"Ihr seid doch alle gleich", sagte sie.

"Nein, ich nicht. Ich bin nicht so! Du weißt nicht, was ich gesehen habe und was ich in meiner Kindheit gelernt habe. Ich war in Sexualerziehungslagern, seit ich in deinem Alter war. Hast du nicht gehört, dass ich im College einen feministischen Buchclub gegründet habe? "

„Ja, vor 20 Jahren. Und jetzt sitzt du da und willst mir erzählen, dass diese Jungs es nicht so gemeint haben, dass ich diejenige bin, die verstehen soll, dass sie uns ja nur einen Streich spielen wollten. Mama, echt, gönn dir mal ein Update.“



Professor Bang Min-ho:

In der Generation der Großmutter konnten nur mutige Aktivistinnen Fragen zum Feminismus aufwerfen. Aber dreißig Jahre später glauben die meisten Frauen, dass ihr Status erhöht werden sollte und sie sich feministischer Probleme bewusst sein sollten. Diese Geschichte befasst sich jedoch mit einem subtileren Thema. Sie stellt sich die Frage: "Ist sich eine Frau, die sich als Feministin sieht, der feministischen Probleme wirklich bewusst?" Es wird auch untersucht, wie unterschiedliche Generationen von Frauen unterschiedlich auf das Geschlechterproblem reagieren und ob die Protagonistin angemessen auf feministische Probleme reagiert, die sich mit der Zeit entwickelt haben.




Jo Nam-ju, geboren 1978, gewann verschiedene Literaturpreise und wurde mit ihrem Bestseller „Kim Jiyoung, Jahrgang 1982“  in Korea einem breiten Publikum bekannt. Ihre Erzählung „Ein Mädchen“ stammt aus dem Jahr 2018.

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