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2023-10-16
Die Koreaner wertschätzen die Natur in ihrer ungebändigten Form und nicht landschaftsgärtnerisch gestaltet oder künstlich geformt. Und so findet man im ganzen Land an besonders malerischen Orten kleine und große Pavillons, um sich dort in die schöne Landschaft versinken zu können. An solchen Plätzen entspannten sich in der Vergangenheit auch gern die gelehrten Adligen, die Seonbi, die in den Pavillons Tee tranken, Gedichte verfassten, Malereien anfertigten oder Musik hörten. Insbesondere die für ihre atemberaubende Aussicht bekannten Pavillons dienten den Schriftstellern und Künstlern nicht selten als Inspirationsquellen. Bei dem Stück „Zwölf Geländer“ handelt es sich um ein in Musik gesetztes Gedicht. Besungen wird der Pavillon Gyeongpodae in der Stadt Gangneung in der Provinz Gangwon. Beschrieben wird der See Gyeongpoho in der Frühlingszeit, auf dessen Oberfläche sich eine Schar Möwen spiegelt, die über den ruhig daliegenden See fliegt. An diesem Anblick erfreut sich auch ein Seonbi, der im Pavillon Gyeongpodae sitzt und mit einer Schale Wein die Landschaft genießt.
Der Pavillon Gyeongpodae gilt als einer der acht besonders malerischen Orte an der Ostküste. Der Pavillon bettet sich harmonisch in die umliegende Naturlandschaft ein und die Wertschätzung erhöht sich noch einmal, wenn man sich im Pavillon befindet und den Blick nach draußen schweifen lässt. Denn der Pavillon wurde auf einer Höhe errichtet, die eine herrliche Aussicht auf den See Gyeongpoho ermöglicht. Eine weitere erhöhte Plattform an der Seite bietet eine noch bessere Sicht auf den See. In der Joseon-Zeit vergnügten sich die Menschen damit, hoch oben im Pavillon Gyeongpodae zu sitzen und auf die ergrünenden Bäume sowie den blauer werdenden See zu schauen. Dabei genossen sie den sanften Frühlingswind, der an ihnen vorbeistrich. Im Pansori Chunhyangga춘향가 wird der Pavillon Gwanghallu광한루 erwähnt. Dort erblickt nämlich die männliche Hauptfigur Lee Mongryong die schöne Chunhyang auf einer Schaukel und verliebt sich sofort in sie. Der Pavillon wurde errichtet, als in der frühen Joseon-Zeit der angesehene Beamte Hwang Hui황희 nach Namwon verbannt wurde. Während der japanischen Invasion 1597 wurde der Pavillon allerdings durch ein Feuer zerstört. 1683 wurde er schließlich wieder aufgebaut und um einen kleinen Teich sowie eine Brücke mit dem Namen Ojakgyo오작교 erweitert. Diese Brücke wird auch in der Legende von der Weberin und dem Kuhhirten erwähnt, die einmal im Jahr am 7. Juli nach dem Mondkalender auf einer aus Krähen und Elstern gebildeten Brücke wiedervereint werden. Der 16-jährige Lee Mong-ryong mag einen Blick auf die Brücke Ojakgyo geworfen und sich gefragt haben, ob er eines Tages ein Mädchen wie die Weberin treffen wird, als er da Chunhyang auf ihrer Schaukel erblickt. In dem Moment muss es ihm vorgekommen sein, als sei ihre Liebe vorherbestimmt gewesen. Im Pansori Chunhyangga beschreibt das Lied „Jeokseongga“적성가 den jungen Lee Mong-ryong im Pavillon Gwanghallu, der von dort die Aussicht genießt.
„Jeokseong“ bezeichnet einen Berg in der Stadt Sunchang순창 in der Nähe von Namwon. Der Berg besteht aus rotem Felsen und ähnelt einer tief liegenden Festung, deshalb auch der Name „rote Festung“ bzw. auf Koreanisch „Jeokseong“. Das letzte Stück handelt von dem Phönixturm in Nanjing in China. Er zählt neben dem Gelben Kranichturm, dem Pavillon von Prinz Teng und dem Yueyang-Turm zu den vier größten Türmen in China. Einmal besuchte der gefeierte Dichter Li Bai den Gelben Kranichturm, um über ihn ein Gedicht zu schreiben. Doch das Gedicht eines anderen Dichters entmutigte ihn derart, dass er stattdessen den Phönixturm aufsuchte, wo er ein Gedicht verfasste. Dieses gefiel ihm am Ende so sehr, dass er sogar dazu aufrief, man solle sein Gedicht ruhig mit dem für den Gelben Kranichturm vergleichen. In einer Passage beschreibt Li Bai beispielsweise die Sicht von dem Phönixturm auf einen Berg, der hinter den Wolken halb verschwindet. Dabei kommt es ihm so vor, als hänge der Berg halb im Himmel und zwei Flüsse umfließen eine Insel. Diese Passage muss bei den Koreanern einen Nerv getroffen haben, denn in koreanischen Liedern wird diese Stelle oft und gern zitiert.
Musik
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