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Kultur

Oh Young-soo: „Die Gummischuhe“

2020-07-14

ⓒ Getty Images Bank

Sie runzelte die Stirn und versuchte, die Biene mit einer Hand zu vertreiben, während sie mit der anderen ihr Gesicht abschirmte. Aber die Biene landete auf der Vorderseite ihres Oberteils und krabbelte die Bluse hoch.

"Warte, halt still“, sagte er.

Die Augen unablässig auf die Biene gerichtet, sprang er vor und schlug mit seiner Handfläche auf das Insekt auf ihren Brüsten.

"Hab ich dich, du kleiner Schlingel." 

Aber es war für beide ein recht peinlicher Moment. Nam-I wurde rot und trat einen Schritt zurück, sodass die Biene in die Hand des Verkäufers fiel.

Es war abzusehen, dass das Tier nicht einfach stillhalten würde.  

Mit einem wütenden Summen stach es den jungen Mann in die Handfläche.

Der Anblick, wie er die Biene abschüttelte und vor Schmerz seine Handfläche bepustete, amüsierte Nam-I so sehr, dass sie ihren Mund mit der Hand bedeckte und kicherte.

Der Verkäufer sah mit halb verzerrtem, halb lächelndem Gesicht zu Nam-i hinüber. Der erste Gedanke, der ihm dabei kam, war der, dass ihre Eckzähne entzückend waren.

Als sich ihre Blicke trafen, drehte sich Nami verschämt weg.



Das Wetter am nächsten Tag war gut. Die Umrisse eines fernen Berges zeichneten sich undeutlich ab, wie der verschlafene Blick einer Frau, die gerade aus einem Nickerchen erwacht war, und die Trauerweiden schwankten, wie von der Hitze gekitzelt. Die Gerste trieb ihre grünen Sprossen und am Boden der nach Süden ausgerichteten Mauer platzten Löwenzahnblüten auf wie ein Feuerwerk.



Die blass rosafarbenen Röcke der Mädchen, die auf dem grasbewachsenen Hügel nach Beifußtrieben gruben, sahen wunderschön aus, und der Bach war gesäumt von den frischen grünen Sprossen von Hirtentäschel und Brunnenkresse.

Der Reisbonbon-Verkäufer kam nun regelmäßig vorbei. An manchen Tagen lächelte er alle an und dann verteilte er großzügig Süßigkeiten an die Kinder. Aber an den Tagen, an denen er wie ein Gehörloser bedrückt und still blieb, konnten die Kinder nicht einmal einen Leckerbissen bekommen.

Es war nur natürlich, dass Kinder lernten, die Stimmung des Verkäufers zu lesen, bevor sie sich die Süßigkeiten anschauten. An den guten Tagen trug er eine große Menge Fett auf sein langes, ungepflegtes Haar auf, und bemühte sich, es zurück zu kämmen. Auch trug er eine jadefarbene Weste aus Kunstseide.

"Sieh dich an! Hast du geheiratet oder so? "

Wenn die neugierigen Dorfweiber solche Kommentare abgaben, lächelte er nur verlegen und drehte sein breites Gesicht zur Seite, um ihrem Blick zu entgehen.




Oh Young-soo (1909-1979) ist vor allem für seine Kurzgeschichten bekannt. 1959 wurde er mit dem Asia Freedom Literature Prize ausgezeichnet. Die Erzählung „Die Gummischuhe“ erschien 1949. Sie erzählt von einer Romanze zwischen dem Hausmädchen Nam-I und dem Reisbonbon-Verkäufer.

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