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Kultur

Hyeon Deok: „Als der Vater Schmetterlinge fing“ (1946)

2022-10-18

ⓒ Getty Images Bank

Vor einiger Zeit war Gyeong-hwan in den Sommerferien von der Schule nach Hause gekommen. Das Einzige, was sich an ihm verändert hatte, war, dass sein Gesicht nun blasser war als vorher und er einen modischen Anzug mit weiten Hosen und einen Hut mit weißer Krempe trug. Er prahlte immer noch damit, was für ein großartiger Ort Seoul und wie angesehen seine Schule sei, erzählte die neusten Geschichten von irgendwelchen Filmstars, sang alle möglichen Schlager und trieb die Kinder aus der Nachbarschaft zusammen, um Schmetterlinge zu fangen. Bau aber hatte für solche Possen nichts übrig.


„Hey, kannst du nicht sehen, wohin du hintrittst? Ist es dir egal, dass du die Ernte von jemand anderem ruinierst?“, rief Bau.

„Warum kümmert es dich, wenn ich auf dem Land meiner Familie herumtrete?“, gab Gyeong-hwan zurück.

„Auf dem Land deiner Familie? Auch wenn das Feld deiner Familie gehört, diese Melonenpflanzen gehören meiner Familie. Du ruinierst die Melonenpflanzen meiner Familie.“

„Wenn dir deine Melonen so wichtig sind, warum kümmerst du dich dann darum, dass ich Schmetterlinge fange? Ich bin nicht zum Spaß hinter ihnen her, weißt du.“

„Mag sein, aber unsere Melonen sind für den Markt. Ist dein Schmetterling wichtiger als die Ernährung meiner Familie?“

„Meine Schulnote hängt davon ab. Was kümmert es mich, wie deine Familie ihren Lebensunterhalt verdient?“

„So? Dann machst du also weiter, ja? Kannst du nicht woanders hingehen, wenn du unbedingt etwas zertören willst?“


Als Bau schließlich den Hügel ganz heruntergekommen war, um sich das Buchweizenfeld etwas genauer anzusehen, war er so verblüfft von dem, was er sah, dass ihm der Mund offen stand.

Wen er für Gyeong-hwans Diener gehalten hatte, war niemand anderes als sein eigener Vater.

Er hatte seinen Hut abgenommen, bückte sich und stand dann wieder auf, um Schmetterlinge zu jagen. Mit schwankenden Schritten trottete der alte Mann über das Feld.

Bau stand bewegungslos da, als hätte man ihm einen Schlag auf den Kopf versetzt. Dann rutschte er den Hügel hinunter auf das Feld zu.

Bau empfand sowohl Mitleid als auch Zuneigung für seinen Vater und fühlte sich in diesem Augenblick, als könnte er alles für ihn tun. Die Tränen zurückhaltend rief er in Richtung des Buchweizenfeldes.

„Vater, Vater, Vater!“




Hyeon Deok (1909-?): „Als der Vater Schmetterlinge fing“ (1946)

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