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Kultur

Gye Yong-muk: „Enteneier“ (1936)

2023-01-10

ⓒ Getty Images Bank

Man-geum weinte, als er die Bitte seines Lehrers hörte, den Kindern zu helfen, die ihre Eltern während des Krieges verloren hatten. Denn er dachte, dass deren Not gewiss noch schlimmer sei als seine eigene. Er hatte seinen Vater, seine Schwester und das Haus der Familie während der Flut im letzten Sommer verloren und nur seine Mutter und er hatten überlebt und mussten nun für sich selbst sorgen.

Sein monatliches Schulgeld von 100 Hwan war bereits überfällig, aber er wollte unbedingt 50 Hwan für die Kriegswaisen spenden. Nachdem Man-geums Mutter von der Spendenaktion gehört hatte, wollte sie das Geld aufbringen, konnte es aber nicht.



Er tastete herum und entdeckte, dass es nicht nur ein, sondern drei Eier gab. Plötzlich kam ihm die Idee, dass diese Eier mindestens 50 Hwan einbringen könnten, wenn er sie auf dem Markt verkaufte. Aber dann dachte er auch:

„Das ist ein Verbrechen. Es ist ein Verbrechen, Sachen von jemand anderem zu stehlen.“

Diese Mahnung wiederholte er still für sich und versuchte, die Eier zurückzulassen, doch schon bald tauchte das Bild hungernder Kriegswaisen in seinem Kopf auf. Sie schienen ihn zu umschwärmen und sich an seinen Schultern festzuhalten, flehend, dass er sie retten möge. Und noch bevor er wusste, was er tat, hielt er die drei Enteneier bereits in seinen zitternden Händen.



Der Lehrer nahm die 60 Hwan aus der Schublade und warf das Geld auf den Tisch.

„Wage es nicht, so etwas noch einmal zu tun. Du kaufst die Enteneier zurück und bringst sie sofort zum Haus des Beamten“, sagte der Lehrer.

Als sein Lehrer ihm das Geld zuschob, konnte Man-geum die Tränen nicht mehr zurückhalten. Er schluchzte und schüttelte sich, und seine Tränen fielen auf die Geldscheine.

„Nimm das Geld und verschwinde!“

Man-geum nahm das Geld schweigend in seine zitternden Hände.

Er spürte, wie sein Herz brach, als er sich an all das erinnerte, was ihm durch den Kopf gegangen war, als er letzte Nacht das Geld für die Enteneier erhalten hatte.

Man-geums klare Tränen tropften auf den Boden, wo sie ein Spur aus Punkten hinterließen. Er vergoss Tränen, trat auf die zu Boden gefallenen Tränen, vergoss noch mehr Tränen und ging mit schweren Schritten voran.




Gye Yong-muk (1904-1961): „Enteneier“ (1936) 

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