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Lifestyle

Über die koreanische Sprache - Folge 2

2018-09-29

Hörerecke

Instantnudeln mit viel Knoblauch. Oder: Die Tücken der koreanischen Sprache.


ⓒ Getty Images Bank

Beim letzten Mal sprach ich davon, wie ich es dazu kam, dass ich begann, Koreanisch zu lernen. Bei diesem Thema möchte ich noch ein wenig bleiben. Heute spreche ich über ein paar Besonderheiten, beziehungsweise – ja wir wollen ehrlich sein – Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen man es zu tun bekommt, wenn man sich darauf einlässt, die koreanische Sprache zu erlernen und versucht, dabei über die allerersten Anfänge hinauszukommen. Fünf Aspekte, die ich persönlich besonders interessant, aber auch knifflig fand, möchte ich hier heute kurz einmal ansprechen. 


1. Die Wortstellung 

Die erste Herausforderung für Koreanischanfänger betrifft die Wortstellung. Im Deutschen Hauptsatz steht das Verb an zweiter Stelle. „Ich frühstücke am Wochenende bei gutem Wetter gerne mit guten Freunden auf dem Balkon.“ Nach zwei Wörtern hat man den Rahmen des Satzes und weiß, dass es ums Frühstück geht.

Im Koreanischen dagegen steht das Verb immer ganz hinten. Daraus ergibt sich eine vollkommen andere Spannungskurve des Satzes. Man muss also unbedingt bis zum Schluss genau hinhören, um zu wissen, worum es eigentlich geht. Das fühlt sich im Falle des eben genannten Satzes dann ungefähr so an: „Es ist so, dass ich bei gutem Wetter gerne mit guten Freunden auf dem Balkon – ja, was denn nun? – frühstücke.“ Dieses ständige Warten auf die Auflösung des Satzes empfand ich anfangs als sehr anstrengend. 


2. Die Kontextabhängigkeit und die vielen Auslassungen

Im Koreanischen können Subjekt und Objekt oft weggelassen werden. Auch gibt es keine Artikel. Beim Sprechen ist das durchaus angenehm. Ein Satz wie „Hast du das denn nicht gewusst?“ lässt sich im Koreanischen mit einem einzigen Wort ausdrücken: Mollasseo? Das ist von der Struktur her natürlich wesentlich unkomplizierter als im Deutschen. Wenn man sich allerdings in der Hörerrolle befindet, liegt genau hierin die Schwierigkeit. Denn dann muss man innerhalb dieser drei Silben sofort den gesamten Kontext erfassen und erschließen, wer genau, was genau nicht gewusst hat. Der implizierte unausgesprochene Kontext ist etwas, das auch für Koreaner nicht immer sofort zu erfassen ist. 


3. Gleich oder sehr ähnlich klingende Wörter

Im Koreanischen gibt es viele Wörter, die nicht länger als zwei Silben sind. Schön, wird sich mancher sagen, kurze Sachen lernt man sicher schneller. Diese Überlegung ist nicht ganz verkehrt, doch das Problem besteht darin, dass diese Wörter einander oft sehr ähnlich sehen und oft sogar vollkommen gleich klingen. Vieles ist am Anfang verdammt schwer auseinanderzuhalten. 

Ich erinnere mich an ein Lied, das wir damals im Koreanischunterricht gehört und gelernt haben: 내가 만일 von 안치환. Bevor ich gleich darauf eingehe, welche unerwarteten Tücken für Koreanischanfänger im Text dieses romantischen Liebesliedes lauern können, hören wir mal den Anfang.

Der Text ist nicht kompliziert und sollte mit mittleren Koreanischkenntnissen eigentlich problemlos zu verstehen sein. Eigentlich. Er beginnt mit den Worten 내가 만일 하늘이라면 „Wenn ich der Himmel wäre“. Kein Koreaner wird diesen Satz auch nur ansatzweise anders verstehen. Doch als wir das Lied einmal gehört hatten und gefragt wurden, worum es darin wohl gehe – um die Liebe wäre die richtige Antwort gewesen – , kursierte unter uns Studenten zunächst die Vermutung, dass das Ganze irgendwie mit Essen oder Kochen zu tun haben müsse. Denn das Wort 만일 „Wenn“ klingt ähnlich wie 많이 „viel“, 만일 „Wenn“ und 하늘 „Himmel“ klingen außerdem beide ein bisschen wie 마늘 „Knoblauch“, und das Suffix 라면 „wäre“ hat zu allem Überfluss exakt die gleiche Lautung wie das Wort 라면 „Instantnudeln“. So kann es passieren, dass man schon nach drei oder vier Wörtern auf einen vollkommen falschen Dampfer gerät und bei komplettem Quatsch landet: „Instantnudeln mit viel Knoblauch“. Ja, hier tun sich hörverständnistechnische Abgründe auf. Solche haarsträubenden Missverständnisse sind aber vermutliche beim Koreanischlernen anfangs keine Seltenheit, wenn lauter ähnlich klingende Silben an einem vorbeirrauschen, auf die man sich innerhalb von Sekundenbruchteilen einen Reim machen muss. 


4. Die vielen grammatikalischen Partikel

Im Koreanischen werden Nomen und Adjektive nicht dekliniert und Verben nicht konjugiert, sondern es werden Suffixe an den Wortstamm angehängt, die die Funktion von Kasus, Tempus, Modus usw. übernehmen.

Es gibt eine Unzahl dieser grammatikalischen Partikeln, auf Anfängerniveau etwa 300, im fortgeschrittenen Niveau etwa 2000, die alle ganz bestimmte Bedeutungsnuancen mit sich bringen. Und oftmals sind genau diese Nuancen, die für das Verständnis entscheidend sind. Hier heißt es nur Lernen, lernen, lernen. 


5. Die verschiedenen Höflichkeitsstufen

Ebenfalls eine ganze Weile brauchte ich, um mit dem Phänomen der sogenannten Sprechstufen einigermaßen klarzukommen. Während man im Deutschen einem Gesprächspartner gegenüber im Wesentlichen die Wahl hat zwischen „Du“ und „Sie“, ist die Sache im Koreanischen wesentlich komplizierter. 

Dies betrifft nicht nur die direkte Anrede des Gesprächspartners, sondern jeden Satz, in dem ein Verb vorkommt. Ein scheinbar vollkommen neutraler Satz wie „Herr Kim geht zur Arbeit“ lässt sich im Koreanischen nie losgelöst von der Sprechsituation betrachten, sondern je nach konkreter Situation, nach Alter und gesellschaftlicher Stellung von Sprecher, Hörer und besprochener Person muss erstens zwischen verschiedenen Stufen der Formalität und zweitens verschiedenen Stufen der Höflichkeit entschieden werden. Und dies in jedem Satz, den man äußert. Jedes Verb muss dementsprechend modifiziert und dem Adressaten gegenüber in die korrekte „Haltung“ gebracht werden. Hierbei die nötige Treffsicherheit und das nötige Fingerspitzengefühl zu entwickeln, dauert meiner Erfahrung nach Jahre. Und noch immer passiert es mir manchmal, dass ich unsicher bin, welche Sprechstufe ich in bestimmten Situationen verwenden soll. (Zu diesem besonders interessanten Phänomen der koreanischen Sprache, vielleicht irgendwann später an anderer Stelle noch einmal mehr.) 


Angesichts all dieser Schwierigkeiten kann man irgendwann durchaus den Mut verlieren. Dies muss nicht unbedingt gleich am Anfang sein. Bei mir trat diese Phase nach etwa fünf Jahren ein. Erst da ging mir auf, dass Koreanisch zu lernen mit drei bis vier Mal soviel geistigem und nervlichen Aufwand verbunden ist, wie das Erlernen des Englischen oder Französischen.


Wie bekommt man all das bloß in den Griff? Was mir dazu einfällt, erzähle ich beim nächsten Mal. 

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