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Nordkorea

Die Nahrungsmittelknappheit in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2022-03-23

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ KBS

Nordkorea hat im Januar das Landwirtschaftsministerium zu einer staatlichen Kommission aufgewertet. Nach Angaben des südkoreanischen Vereinigungsministeriums gab es bis Ende des vergangenen Jahres acht Kommissionen unter dem nordkoreanischen Kabinett, darunter die Planungskommission und die Kommission für Wissenschaft und Technologie. Daneben gab es 34 Ministerien einschließlich des Landwirtschaftsministeriums. Die Aufwertung des Ministeriums lässt sich als Teil der Bemühungen des Landes interpretieren, sich stärker auf die ländliche Entwicklung und die Bewältigung der Versorgungsprobleme zu konzentrieren. Über die Nahrungsmittelknappheit in Nordkorea sagt der südkoreanische Experte Kim Young-hoon vom Korea Rural Economic Institute:


Internationale Organisationen und die Behörde für ländliche Entwicklung in Südkorea können nur Vermutungen über die Ernährungslage in Nordkorea anstellen, da das abgeschottete Land nur selten Informationen über interne Angelegenheiten preisgibt. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO produziert Nordkorea jährlich 4,5 bis 5 Millionen Tonnen Getreide. Die FAO schätzt, dass das Land mehr als sechs Millionen Tonnen Getreide im Jahr benötigt. Nordkoreas Bevölkerung ist etwa halb so groß wie Südkoreas. Bedenkt man also, dass Südkorea durchschnittlich 20 Millionen Getreide pro Jahr verbraucht, könnte Nordkorea etwa zehn Millionen Tonnen brauchen. Auf Basis der südkoreanischen Standards gab es nie genug Nahrungsmittel in Nordkorea. 


In ihrem Quartalsbericht zu den Ernteaussichten und zur Nahrungssituation, der in diesem Monat veröffentlicht wurde, klassifizierte die FAO Nordkorea als ein Land mit einem “weitreichenden Mangel des Zugangs zu Nahrungsmitteln”. Die UN-Organisation bezog das Land auf ihrer Liste von 44 Ländern ein, die Hilfe von außen benötigten. Ein großer Teil der nordkoreanischen Bevölkerung leidet demnach an einem niedrigen Niveau des Nahrungsmittelkonsums und einer geringen Ernährungsvielfalt. Nordkorea wurde von der FAO seit Beginn der entsprechenden Studien 2007 als Land eingestuft, das auf Nahrungshilfe von außen angewiesen ist: 


Früher verteilte Nordkorea am Tag durchschnittlich 600 Gramm an Nahrungsmitteln pro Person. Nachdem sich die Wirtschaftslage verschlechtert hatte, reduzierte Nordkorea schrittweise die täglichen Rationen, die nun auf 400 Gramm pro Person geschätzt werden. Die FAO gibt ihr statistisches Jahrbuch World Food and Agriculture zur weltweiten Versorgungssituation heraus. Es zeigt, dass 10,9 Millionen Menschen in Nordkorea, oder 42,4 Prozent der Bevölkerung, zwischen 2018 und 2020 unter Unterernährung litten. Der Anteil ist verglichen mit dem globalen Durchschnitt von 8,9 Prozent sehr hoch. 


Die Ernährungssituation in Nordkorea hat sich als Folge harter internationaler Sanktionen, Naturkatastrophen und der Grenzschließungen wegen der Corona-Pandemie weiter verschlechtert. Die landwirtschaftliche Produktion wurde beeinträchtigt. Nordkoreas Nahrungsmittelproduktion war in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen oder stagnierte. Wie lässt sich diese chronische Knappheit erklären? 


Ich würde nicht sagen, dass sich Nordkoreas Ernährungsprobleme wegen der Sanktionen oder der Pandemie plötzlich verschlechterten. Nordkoreas Landwirtschaft weist eher strukturelle Probleme einer geringen Produktivität auf. Ohne Reformmaßnahmen einschließlich einer Einführung von Anreizen wird sich die Produktivität nicht dramatisch steigern lassen. Für den Agrarsektor ist es angesichts der wirtschaftlichen Probleme zudem schwierig, genügend Material und Ausrüstungen für den Anbau zu beschaffen. Ohne eine Verbesserung der Wirtschaft wird die Agrarproduktion weiter auf geringem Niveau verbleiben, und die Nahrungsmittelknappheit wird andauern. Nordkoreas Erntetabelle zeigt, dass die Produktion besonders dann zurückgeht, wenn Taifune, Überschwemmungen oder Trockenheit das Land treffen. Das ist bei fortschrittlichem Anbau nicht der Fall. Doch wegen der schlechten Infrastruktur ist Nordkoreas Landwirtschaft durch Naturkatastrophen und Klimawandel stärker verwundbar. 


Nordkoreas Nahrungsmittelknappheit nahm während der schweren Wirtschaftskrise Mitte der 1990er Jahre extreme Ausmaße an. Die Zeit wurde auch als “mühsamer Marsch” bezeichnet. Um das Ernährungsproblem in den Griff zu bekommen, verfolgte das Land eine neue Landwirtschaftspolitik, die die Entwicklung neuer Kulturpflanzensorten, die Verteilung von Saatgut von höherer Qualität, die Ausweitung des Kartoffelanbaus, die Aufzucht von mehr pflanzenfressenden Nutztieren und den Aufbau von natürlich fließenden Wasserwegen vorsah:  


Im Gegensatz zur früheren ideologie-basierten Agrarpolitik wurde diejenige, die während der Periode des mühsamen Marschs eingeführt wurde, praktischen Zielen unterworfen. So versuchte Nordkorea beispielsweise, die Kulturpflanzensorten zu erweitern, sodass die Folgen von Naturkatastrophen auf die Agrarindustrie begrenzt werden konnten. Das Land richtete den Fokus besonders auf Kartoffeln. Es ist schwierig, virusresistente Kartoffelsamen von hoher Qualität zu produzieren. Südkoreanische Agrarexperten leisteten Hilfe und trugen dazu bei, dass der Kartoffelanbau in Nordkorea erfolgreich expandierte. Nordkorea züchtete auch mehr Nutztiere, die Gras und kein Getreide fressen, weil Getreide auch von Menschen konsumiert wird. Dank der pragmatischen Politik erhöhte sich die Agrarproduktion Anfang bis Mitte der 2000er Jahre langsam. 


Doch verbesserte sich Nordkoreas Ernährungssituation im Vergleich zur Lage vor der Periode des “mühsamen Marschs” nicht wesentlich. Im April 2012, nur kurz nach seiner Machtübernahme, äußerte sich Kim Jong-un dazu entschlossen, die Ernährungsprobleme zu lösen. Die Nordkoreaner bräuchten ihren Gürtel nicht mehr enger zu schnallen. Er schlug verschiedene Reformmaßnahmen vor, darunter die Einführung eines landeseigenen wirtschaftlichen Managementsystems und die Wiederherstellung der zerstörten Wälder. Für die Landwirtschaft sollten wissenschaftliche Methoden eingeführt werden, wie etwa der Bau von “intelligenten Farmen”, die die Informations- und Kommunikationstechnologie nutzen: 


Nordkorea wollte moderne, wissenschaftliche Anbaumethoden einführen, um auf Wetterkatastrophen und den Klimawandel effizienter reagieren zu können. Auch versuchte das Land, fortschrittliche Technologien für Gewächshäuser und die Hydrokultur, bei der Pflanzen ohne Erde wachsen, einzuführen. Seine Agrarpolitik sah auch eine wissenschaftliche Analyse der Ernteproduktion, der Schädlingsbekämpfung und von Naturkatastrophen wie Trockenheit und Überflutungen vor. Satellitenbilder zeigen, dass es in Nordkorea nur wenige Gewächshäuser gibt. Die Gewächshauskultur gilt als Grundstufe eines wissenschaftlichen Anbaus. Doch Nordkorea fehlt es an Kapital und der Technologie für den wissenschaftlichen Anbau.


Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un räumte bei einer Vollsitzung des Zentralkomitees der herrschenden Arbeiterpartei im vergangenen Juni Versorgungsprobleme in seinem Land ein. Er betonte, wie wichtig die Nahrungsmittelproduktion sei. Eine gute Ernte sei eine Aufgabe des Staats, die dieser mit oberster Priorität lösen müsse. In einer Rede vor der Obersten Volksversammlung im September unterstrich er zudem die Notwendigkeit, sich auf “desaströse abnormale klimatische Bedingungen” für die Landwirtschaft einzustellen: 


Die Betonung des Umgangs mit “desaströsen abnormalen klimatischen Bedingungen” kann in zweierlei Weise interpretiert werden. Erstens, aus makroskopischer Sicht will Nordkorea mit dem Klimawandel und der globalen Erwärmung umgehen. Detaillierte Pläne schließen den Anbau verschiedener Kulturpflanzensorten, die Anpassung der Pflanzungsperiode und die Forschung fortschrittlicher Agrartechniken ein. Auf der Mikroebene wird sich Nordkorea auf meteorologische Katastrophen einstellen, die durch die stark veränderlichen klimatischen Bedingungen verursacht werden. Zu diesem Zweck plant das Land, ein wissenschaftliches Wassermanagement-System aufzubauen, die Bewässerungsanlagen, Wasserwege und Reservoirs umzubauen sowie meteorologische Instrumente zu modernisieren, um im Voraus präzise Wetterinformationen bereitzustellen. Das Problem ist, dass diese Maßnahmen Kapital, Technologie und Arbeitskräfte benötigen, die Nordkorea fehlen. 


Die ländliche Entwicklung war erneut das wichtigste Thema einer Plenarsitzung des Zentralkomitees im Dezember. Kim Jong-un versprach, das Ernährungsproblem in den nächsten zehn Jahren lösen zu wollen, und kündigte an, eine neue, sozialistische Landwirtschaftsgemeinschaft aufzubauen. Nordkorea versucht auch, den Verbrauch von weißem Reis und Mehl zu fördern, indem es die Getreideproduktion ändern will. Das Land betonte noch in den 60er Jahren die Weizenproduktion, in den 90er Jahren erweiterte es den Kartoffelanbau:


Nordkoreas Betonung der Weizenproduktion erfolgte eher unerwartet. Es sieht vor, den Weizenanbau zu verdoppeln und mehr Lebensmittel aus Mehl zu konsumieren. Es wird angenommen, dass der Weizen- und Kartoffelanbau dazu beitrugen, die Ernährungssituation bis zu einem gewissen Grad zu verbessern. Doch bezweifle ich, dass Weizen die gleiche Rolle spielen wird. Beim Weizenanbau werden die Samen im Herbst oder Winter gepflanzt, und die Ernte erfolgt im Frühsommer. Die Kultivierung von Weizen bedeutet, die Ernte zu verdoppeln. Nordkorea will dazu Felder nutzen, die unbebaut sind. Nach der Weizenernte müssen die lokalen Landwirte Reis und Korn anbauen. Doch frage ich mich, ob Nordkorea die steigende Nachfrage nach Energie, landwirtschaftlichen Maschinen und Arbeitskräften bewältigen kann. Ein anderer Grund für die Förderung der Weizenproduktion ist, dass es für Nordkorea schwierig ist, Mehl zu importieren, weil die weltweiten Mehlpreise gestiegen sind. Die einheimische Produktion könnte eine temporäre Maßnahme sein, um die Probleme mit dem Mehlimport zu lösen. 


Gegenwärtig scheinen Nordkoreas Ernährungsprobleme größer zu werden und ein wichtigeres Thema für die Führung des Landes zu sein. Seit Anfang dieses Jahres versucht Nordkorea, seine neue Agrarpolitik umzusetzen, um sich auf die veränderten Konsumgewohnheiten der Bürger einzustellen und die strukturellen Defizite in der Landwirtschaft zu beheben. Doch scheinen die politischen Maßnahmen zu wenig und nicht angemessen zu sein, um die chronische Nahrungsmittelknappheit in den Griff zu bekommen: 


Da mehr als 40 Prozent seiner Bevölkerung an Unterernährung leidet, benötigt Nordkorea kurzfristig Nahrungsmittelhilfe. Sollte Nordkorea für ein oder zwei Jahre Hilfe von Südkorea erhalten, könnte es das dringlichste Problem lösen. Wenn Nordkorea auch Düngemittelhilfe bekäme, würde sich die Agrarproduktion erhöhen. Grundlegend jedoch sollte Nordkorea eine Politik der Öffnung verfolgen und den Austausch mit Südkorea und anderen Ländern anstreben. Wenn Nordkorea es schafft, Investitionen in die Landwirtschaft anzuziehen, würde sich die einheimische Industrie deutlich verändern, und das Land hätte die Möglichkeit, sein Ernährungsproblem selber zu beheben. 


Nordkorea wird auch in diesem Jahr mit der Nahrungsmittelknappheit zu kämpfen haben. Auch die langfristige Aussicht sieht trübe aus. Reformen und Innovationen müssten zuerst erfolgen, um die Perspektiven für das Land zu verbessern.

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