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Nordkorea

Nordkoreas Forstpolitik

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2022-03-30

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ Getty Images Bank

Ähnlich wie der Baumtag in Südkorea am 5. April begeht Nordkorea am 2. März den “Tag des Bäumepflanzens”. Sein Zweck ist es, die Bemühungen um die Aufforstung des Landes zu unterstützen. Auch in diesem Jahr betonten die nordkoreanischen Staatsmedien, wie wichtig es sei, Bäume zu pflanzen. Auch wurde Machthaber Kim Jong-un bei dieser Tätigkeit gezeigt. Eine rücksichtslose Abholzung sorgte dafür, dass die Berge in Nordkorea kahl wurden, was die Folgen von Naturkatastrophen noch verschärfte. Wälder werden in Nordkorea nicht unbedingt mit Umweltschutz in Verbindung gebracht. Sie gelten eher als Mittel der Holzgewinnung und damit als Devisenquelle. Über die Aufforstungspolitik des Landes sagt der südkoreanische Experte Oh Sam-eon vom Nationalinstitut für Forstwissenschaft: 


Der Kern der Aufforstungspolitik des Regimes von Kim Jong-un ist es, die Wälder mit dem strategischen Ziel wiederherzustellen, eine sozialistische Macht aufzubauen. Das heißt, die Wiederaufforstung dient nicht nur der Erholung des Walds, sondern repräsentiert eine Strategie, um die Waldressourcen für die wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen und Naturkatastrophen zu verhindern. 


Nordkorea besteht zu 80 Prozent aus Bergen. Es ist nicht einfach, von außen die Aufforstungsaktivitäten des Landes zu beschreiben. Zur Vorbereitung der Wiedervereinigung Koreas untersucht das südkoreanische Nationalinstitut für Forstwissenschaft seit 1999, anhand von Satellitenfotos die Wälder in Nordkorea zu erforschen. Seit 2014 beobachtet es die Wälder in Zwei-Jahresabständen in elf wichtigen Regionen: 


Das  Nationalinstitut für Forstwissenschaft anlaysierte konstant die Wälder in Nordkorea, um die Bäume und verwüsteten Landstriche zu klassifizieren. Satellitenfots aus dem Jahr 2008 zeigten, dass 2,84 Millionen Hektar Waldfläche in Nordkorea vernichtet wurden. Im Jahr 2018 reduzierte sich die Zahl auf 2,62 Millionen Hektar, oder 28 Prozent der gesamten Waldfläche. 220.000 Hektar wurden wiederhergestellt. Dennoch ist der Anteil der Entwaldung hoch. Zwischen 1999 und 2018 wurden besonders in der relativ bevölkerungsreichen westlichen Küstenregion Wälder gerodet. 


Während der japanischen Kolonialherrschaft über die koreanische Halbinsel zwischen 1910 und 1945 wurden die Wälder des Landes schwer beschädigt. Von 1945 bis 2020 erhöhte sich der Bestand an lebenden Bäumen in Südkorea um das 14-Fache, während der Bestand in Nordkorea nur um das 2,9-Fache stieg. Südkorea stellte in den 70er Jahren erfolgreich die Wälder auf seinem Territorium wieder her. In Nordkorea konzentrierte sich bis in die 80er Jahre auf die Holzproduktion, was zur Vernichtung der Waldbestände führte. Die Entwaldung beschleunigte sich während der Zeit der schweren wirtschaftlichen Not in den 90er Jahren, die auch als “mühsamer Marsch” bezeichnet wurde: 


Südkoreas Wälder durchliefen Ende der 90er Jahre dank der erfolgreichen Wiederaufforstung in den 70ern eine stabile Phase. Nordkorea hingegen sah einen starken Abbau der Wälder, was auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Energieknappheit und die Nahrungsmittelkrise zurückzführen war. In den 90er Jahren fällten die Bewohner Bäume, um Geld zu verdienen und Brennmaterial für das Heizen und Kochen zu erhalten. Die Ernährungskrise während der Periode des mühsamen Marschs führte zu einer Umwandlung der Wälder in terrassierte Reisfelder auf den Berghängen für die Nahrungsmittelproduktion. 


Die Risikoanalyse-Firma Maplecroft in Großbritannien schätzte 2011, dass Nordkorea nach Nigeria und Indonesien die dritthöchste Abholzungsquote unter 180 Ländern aufwies. Nach Angaben von Global Forest Watch, einem internationalen Beobachtungsdienst, verschwanden in Nordkorea zwischen 2001 und 2019 mehr als 200.000 Hektar Waldfläche in Nordkorea, vor allem in den Provinzen Ryanggang, Jagang und Süd-Hamgyong:


Nordkorea erlebte mehrfache Überschwemmungen und Trockenperioden, die auf die entwaldeten Berge zurückgingen. Die veheerende Überflutung von 1995 wird zu den 50 schlimmsten Naturkatastrophen weltweit gezählt. Laut Daten des Zentrums zur Erforschung der Katastrophen-Epidemiologie – einem Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation – wurden bei der Überschwemmung von 2016 in Nordkorea 538 Todesopfer gezählt. Es war die dritthöchste Zahl von Todesopfern durch eine Katastrophe, nach Ecuador und Haiti, die von einem Erdbeben beziehungsweise einem Hurricane betroffen waren. In seinem freiwilligen Staatenbericht für die UN im Jahr 2021 räumte Nordkorea ein, dass es durch extreme Wetterereignisse verwundbar ist. Im vergangenen Jahrzehnt hätten sich im Land eine oder mehrere Naturkatastrophen pro Jahr ereignet. 


Nordkorea ist sich des Problems der kahlgeschlagenen Berge bewusst und zeigt großes Interesse an einer Wiederaufforstung. Seit 2003 setzte es in einigen Regionen ein Agroforstsystem um, um die Wälder zu schützen und wirtschaftliche Vorteile dadurch zu erhalten: 


Nordkorea initiierte 2003 das Agrorforstprojekt auf Empfehlung der Schweizer Behörde für Entwicklungszusammenarbeit. Agroforstwirtschaft ist ein Landmanagement-System, bei dem Bäume und Kulturpflanzen am gleichen Ort gepflanzt und aufgezogen werden. Die Kombination von Landwirtschaft und Aufforstung hat mehrfache Vorteile, wie die Erholung des Walds und die Nahrungsmittelproduktion. 


Der jetzige Machthaber Kim Jong-un betonte seit der Frühphase seiner Herrschaft die Notwendigkeit für eine Wiederaufforstung. 2015 gab er eine Erklärung unter dem Titel “Lasst uns eine Aufforstungskampagne durchführen, sodass die Berge unseres Landes dick von grünen Wäldern sind”. Das Land solle den künftigen Generationen keine baumlosen Berge hinterlassen, sagte Kim:


Kim Jong-un ordnete eine Wiederaufforstungskampagne an und sagte der Entwaldung den Kampf an. Nordkorea benutzte eigentlich ein koreanisches Wort, das “Kampf” heißt, um die Kampagne zu beschreiben. Der militärische Ausdruck zeigt, dass es das Land mit der Wiederaufforstung ernst meint, wie etwa einen Krieg zu gewinnen. Es scheint, als ob Nordkorea das Wort “Kampagne” unter Berücksichtigung seines internationalen Images wählte. 

 

In seiner Erklärung kündigte Kim Jong-un an, dass die herrschende Arbeiterpartei dazu entschlossen sei, die Berge in den nächsten zehn Jahren wieder grün werden zu lassen. Seitdem tauchte in den staatlichen Medien oftmals der von ihm benutzte Ausdruck von den “goldenen Bergen” auf. Am diesjährigen Tag des Bäumepflanzens am 2. März schrieb die offizielle Zeitung Rodong Sinmun in ihren Leitartikel, dass die Aufforstung ein politisches Projekt sei, um alle Berge in nützliche “Goldschatz-Berge” und das Land in ein Paradies für die Bewohner umzuwandeln:


Seitdem Kim Jong-un den Ausdruck “Goldschatz-Berge” nutzte, wurde es zu einem Schlüsselwort in der Aufforstungspolitik des Landes. “Goldene Berge” bedeutet nun, dass die Aufforstung trägt zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen beiträgt. In dieser Strategie der “goldenen Berge” sollen die Wälder in ihren ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden, aber auch, dass sie einen wirtschaftlichen Wert haben und den Aufbau eines reichen und mächtigen Landes beschleunigen sollen. Durch diese Strategie verfolgt Nordkorea mehrere Zwecke: die Wiederherstellung der Wälder, die Entwicklung des Landes und der Schutz der Umwelt. 


Nordkorea legte 2015 ein getrenntes Budget für die Wiederaufforstung vor, gründete ein neues Aufforstungsbüro und baute Baumschulen in verschiedenen Regionen auf, um das Aufforstungsprojekt landesweit umzusetzen. Es gründete 2016 zudem ein Waldbrandschutz- und Informationssystem. Ein Jahr später richtete es eine Abteilung für Forstwissenschaft an der Kim-Il-sung-Universität ein, um mit Themen der Aufforstung wissenschaftlicher umzugehen. Zusätzlich belebte Nordkorea ein Wald-Managementsystem, wonach die einzelnen Behörden und Organisationen für die Erholung der Wälder in ihrer jeweiligen Region verantwortlich sind: 


Das Wald-Managementsystem gab es seit den Herrschaftsjahren des früheren Machthabers Kim Il-sung. Es wurde unterteilt, sodass es unter dem jetzigen Machthaber sogar einen Wettwerb auslöste. Unter dem System mit Namen “sozialistische patriotische Aufforstungskampagne” sind Einzelpersonen und Haushalte für ihre eigenen Bäume verantwortlich. Die Zeitung Rodong Sinmun berichtete über Wettbewerbe für die Baumproduktion, Pflanzaktionen und Schutzmaßnahmen wie auch über die Organisationen, die an den Wettbewerbn teilnahmen. Die Wettbewerbe werden unter Namen wie “Modellprojekt” und einer “Kampagne der gemeinsamen Erfahrung” durchgeführt. 


Beim achten Kongress der Arbeiterpartei im Januar 2021 sagte Kim Jong-un, die Fünf-Jahres-Strategie für die Entwicklung der Wirtschaft habe die Erwartungen in nahezu allen Bereichen mit Ausnahme von zwölf Segmenten nicht erfüllt. Er erwähnte die Errungenschaften in den zwölf Bereichen, die Aufforstung eingeschlossen. Nordkorea präsentierte sogar eine konkrete Zahl. Etwa eine Million Hektar Land sei wiederaufgeforstet worden. Das ist ein relativ großer Bereich. Es ist jedoch schwierig, die Ergebnisse der Aufforstungsbemühungen unter Kim Jong-un von außen zu bestätigen: 


Wenn man vom Bericht ausgeht, den Nordkorea an die UN übermittelt hat, lässt sich annehmen, dass etwa 780.000 Hektar Land wieder bewaldet wurden. Die Zahl ist kleiner als die, die Nordkorea beim achten Parteikongress nannte, doch ist sie noch immer relativ groß. Wichtig ist, dass Nordkorea das Ergebnis der Aufforstung mit konkreten Zahlen benennt. Auch ist bedeutsam, dass Nordkorea das Ergebnis erstmals seit 2015 offiziell verkündet hat, als das Land mit der Wiederaufforstung ernsthaft begann. Dennoch stößt die Wiederherstellung der Wälder in dem Land wegen der internationalen Sanktionen und der Covid-19-Pandemie auf Grenzen. Für die wirtschaftliche Erholung könnte Nordkorea möglicherweise weniger Unterstützung für seine Aufforstungspolitik geleistet haben, sondern mehr in die Landwirtschaft und die Leichtindustrie investiert haben. Nordkorea führte in den vergangenen Jahren große Bauprojekte durch, was Spekulationen auslöste, dass es viele Bäume dafür gefällt hat. In Erholungsphasen ist eine übermäßige Holzproduktion möglich. Wenn die lokalen Regierungen allein mit einem eigenen Budget die Wälder wiederherstellen sollen, wird die Aufforstungskampagne unterschiedliche Resultate hervorbringen, die von der wirtschaftlichen Situation in jeder Region abhängen. 


Allein das Pflanzen von Bäumen wird das Entwaldungsproblem Nordkoreas nicht lösen. Das Land müsste eine grundlegende Lösung für die Ernährungs- und Energieprobleme, die die wichtigsten Gründe für die zerstörten Wälder sind, finden. Zu diesem Zweck scheint der innerkoreanische Austausch und die Kooperation mit der internationalen Staatengemeinschaft wichtiger als alles andere für das Land zu sein. 

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