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Nordkorea

Nordkoreas Forstpolitik in der Literatur

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2022-04-06

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ Getty Images Bank

Die Forstpolitik Nordkoreas hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert. Sie ist in dem Land auch Gegenstand der Literatur. Zunächst ist zu klären, warum das für Nordkorea so wichtig ist. Dazu sagt Oh Sam-eon vom südkoreanischen National-Institut für Forstwissenschaft: 


In Nordkorea wird die Literatur als Mittel der Regimepropaganda und der ideologischen Unterweisung genutzt. Die Rolle der Literatur ist auch in der jetzigen Ära von Kim Jong-un unverändert. Literarische Werke werden vom Staat geschaffen, zensiert und vertrieben. Sie sind daher stark von der Parteipolitik beeinflusst. Gleichwohl tendiert Literatur dazu, die Realität und die aktuellsten Trends widerzuspiegeln. Das ist der Grund, warum nordkoreanische Literatur als Bezugsmaterial nützlich ist, um zu verstehen, was in dem Land vor sich geht. Da die Literatur als Produkt der Parteipolitik gesehen wird, können die Leser auch die politischen Vorgaben des Landes erkennen. Unter der Regierung von Kim Jong-un trieb Nordkorea die Wiederaufforstung voran, und literarische Werke beschäftigen sich mit Fragen der Ökologie. Das ist sehr interessant. 


Eines der repräsentativsten Literaturmagazine in Nordkorea ist Chosun Literature. Schriften, die in diesem Magazin veröffentlicht werden, beschreiben auch die Forstpolitik. Experten sagen, dass die Werke auch eine große Veränderung bei der Interpretation des “mühsamen Marschs” - ein Ausdruck für die Zeit der großen Hungersnot in den 1990er Jahren - aufzeigen. Früher beschrieb die nordkoreanische Literatur die Periode des “mühsamen Marschs” als eine, an die sich die Menschen mit Stolz erinnern sollten. Sie wurde als Zeit beschrieben, in der die Bewohner ihr sozialistisches Heimatland trotz aller Not verteidigt hätten:  


Die Periode des mühsamen Marschs wurde definiert als Scheideweg zwischen einem ehrenhaften Leben nach der Verteidigung des Sozialismus und als Sklaverei nach der Aufgabe des Sozialismus. Nordkorea beschrieb den mühsamen Marsch als schwer erkämpften Sieg nach der Überwindung großer Schwierigkeiten. Die Literatur beschreibt die schwierige Situation während der Periode realistisch. Sie sagt, wer aufgrund der Nahrungsmittelknappheit von Graswurzeln leben musste. Auch kritisiert sie egoistische Menschen, die nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind, indem sie falsche Berichte über die Reisproduktion abgeben oder illegal Bäume fällen. Die literarischen Werke enthalten sehr detaillierte Beschreibungen des Konflikts unter den Menschen und der Verzweiflung angesichts des Mangels an Nahrung und Energie. Doch die wichtigste Botschaft ist, dass das Land dank der Hingabe des Machthabers Kim Jong-il und zahlloser Menschen die Zeit des mühsamen Marschs hinter sich gelassen hat. Der mühsame Marsch wird als heroisches Siegerepos beschrieben. 


Nach der Machtübergabe an Kim Jong-un Ende 2011 änderte sich die Haltung zum “mühsamen Marsch”. In seiner Neujahrsansprache 2015 rief Kim die Menschen zur Teilnahme an einer Aufforstungskampagne auf. Die Berge des Landes sollten zu “Goldschatz-Bergen” gemacht werden. Das Land nahm ein Zehn-Jahresprojekt für die Aufforstung in Angriff. Kim sagte, die baumlosen Berge seien das Ergebnis des “mühsamen Marschs”:


Kim Jong-uns Äußerungen zeigen, dass Nordkorea damit begann, die Zerstörung der Natur während des mühsamen Marschs negativ zu beurteilen. In einem Essay von 2015 mit dem Titel “Lasst uns Bäume pflanzen” sagt der Autor, dass die Zerstörung der Natur ein Verbrechen ist, obwohl sie den Zweck des Überlebens hat. In dem Essay geht es um einen Mann, der während des mühsamen Marschs die Rinde von Kiefern in Wasser tunkt, um sie zu essen. Er kehrt in sein Heimatort zurück und pflanzt junge Bäume, um seine Taten zu sühnen. In seiner Erinnerung an die Kieferbäume spricht er von einem untragbaren Verhalten, es sei wie das Herausschneiden eines Stücks des eigenen Fleischs. Seit jener Zeit wird jede Beschädigung von Bäumen als unerlaubt betrachtet, was eine große Veränderung gegenüber der früheren Position ist. Auch begann die nordkoreanische Literatur damit, sich mit Umweltfragen zu beschäftigen. In der Kurzgeschichte “Liebet die Wälder” von 2016 wird die Zerstörung der Wälder während des mühsamen Marschs als Fehlverhalten einer beschämenden Vergangenheit beschrieben. In der Literatur unter Kim Jong-un wird die Entwaldung als ein Vorgang beschrieben, der nicht hätte passieren dürfen, nicht einmal während des mühsamen Marschs. Solch eine Bewertung findet sich kaum in den offiziellen Dokumenten. 


Einer der wichtigsten Gründe für die Entwaldung in Nordkorea ist das Anlegen von Reisfeldern in den Bergen. Das Land hatte den Feldanbau angetrieben, um die Agrarproduktion in den 70er und 80er Jahren zu erhöhen. Der terrassierte Anbau gehörte zu den fünf Naturerneuerungs-Kampagnen. Der Anbau auf den Anhöhen verbreitete sich dann in den 90ern als Folge der Nahrungsmittel- und Energieknappheit. Dazu kamen Naturkatastrophen. Nach seiner Machtübernahme verfügte Kim Jong-un eine Beschränkung des Reisanbaus auf Berghängen. Auch die Literatur beschäftigte sich mit den Folgen der Verbreitung der Reisfelder:


Die Kurzgeschichte “Echo des Bergdorfs” von 2016 handelt von einem Mann, der auf den Berghängen Felder bestellt, aber in innere Konflikte stürzt, nachdem Kim Jong-un Machthaber wurde. Der Landwirt baute etwa zehn Jahre Mais an. Doch als die Hangbewirtschaftung als etwas Schlechtes gesehen wurde, fühlte er sich, als ob sein ganzes Leben nichtig wurde. Die Behörden ignorierten vorher die Entwaldung. Doch jetzt irritierte die Politik des Bäumepflanzens die Landwirte. Die Geschichte beschreibt den Konflikt zwischen dem Staat und einem einzelnen Bewohner als Ergebnis der Politikänderung. 


Lange Zeit wurde die Hangbewirtschaftung in der Literatur als positive Praxis beschrieben. So pries das Gedicht “Hölzerne Reisschüssel” von 1999 noch die Anpflanzung von Kulturpflanzen an den Hängen als Errungenschaft:


Das Gedicht “Hölzerne Reisschüssel” betont, dass das Land während des mühsmen Marschs erfolgreich die Wälder in Reisfelder umgewandelt hat und damit die eigenständige Wirtschaft realisierte. Reisschüssel bedeutet hier Reisanbau. In dem Gedicht ist die Hangbewirtschaftung ein Symbol für die Eigenständigkeit und ein starkes Land. In der Kurzgeschichte von 2016 dagegen wird das als etwas betrachtet, das nicht mehr länger praktiziert werden darf. 


Am Tag des Bäumpflanzens am 2. März 2017 schrieb die offizielle Zeitung Rodong Sinmun in einem Leitartikel, dass Nordkorea seine Wiederaufforstungskampagne selbst dann nicht aussetzen sollte, wenn morgen ein Krieg ausbricht. Nordkorea sieht heute die Wiederaufforstung als Aufgabe, die vor allem den kommenden Generationen nützt: 


Nordkorea betont die künftigen Generationen, wenn es um die Wiederherstellung der Wälder geht. Das kann nicht in kurzer Zeit erfolgen. Das Land will eine Politik verfolgen, die den Menschen in der Zukunft Vorteile bringt, obwohl sie der gegenwärtigen Generation nicht zu helfen vermag. In diesem Kontext verbreitet Nordkorea den Slogan “Lebe heute nicht um des Heute willen, sondern für morgen”. Es betont die Wiederaufforstung als patriotisches Projekt für den Wohlstand kommender Generationen. 


Das Thema der Aufforstung zum Wohl der künftigen Generationen kommt auch detaillreich in der Literatur vor: 


In der Kurzgeschichte “Melodie des Lebens” von 2017 versteht ein Mann den Wunsch seiner Frau, für die Zukunft ihres Sohns, Soonchol, und anderer Kinder Försterin zu werden. Wenn der Sohn erwachsen wird und den Militärdienst ableistet, will auch der Mann wie seine Frau ein Förster werden. Die Kurzgeschichte “Spezialmission” von 2018, die im Korea-Krieg spielt, handelt von einem Kommandeur, der einen südkoreanischen Forsexperten und einen jungen Bataillonsführer von einem Militäreinsatz ausschließt. Vor einer Schlacht schreibt er einen Brief an die beiden Personen, in dem er erklärt, dass er ihr Leben retten will, weil der Schutz der Wälder eine heilige Pflicht und eine Ehre der künftigen Generationen sei. Er ist entschlossen, die Wälder der koreanischen Halbinsel mit seinem eigenen Blut zu verteidigen. Der Kommandeur und seine ganze Einheit sterben. 


Auch gibt es Science-Fiction-Geschichten, die sich um die Wiederaufforstungskampagne unter Kim Jong-un drehen:


Die Science-Fiction-Geschichte “Liebt die Wälder” von 2016 dreht sich um einen Forscher an einem Ökologie-Strategie-Institut in der Zukunft. Er träumt davon, die Berge wieder grün zu machen, indem er junge Bäume pflanzt und an die Menschen Nahrungsmittel verteilt. Sein Traum soll Nordkoreas derzeitige Realität und seinen Wunsch, die Wälder wiederherzustellen, spiegeln. Der Hauptort der Geschichte ist ein Gebiet, wo Biovielfalt und Urwälder frei von menschlichen Störungen bestehen. Hier lenkt Nordkorea die Aufmerksamkeit auf den Wert des Naturschutzes und nicht der Entwicklung. In einer anderen Science-Fiction-Geschichte, “Wälder werden jünger” von 2019, geht es um einen Walnussbaum. Der Baum, der einem künstlichen Samen entstammt, wächst schnell heran. In nur zwei Jahren ist er so groß wie ein 15-jähriger Baum und er trägt Früchte, die so groß sind wie orientalische Melonen. Die Geschichte unterstreicht die Vorteile großer Walnüsse und die Wirkung eines schnell wachsenden Baums, um die Treibhausgase zu reduzieren. Die Story zeigt unter Verwendung der literarischen Fantasie, was die Regierung mit ihrer Politik bezwecken will. 


Die jungen Bäume und der Walnussbaum in der Geschichte reflektieren Nordkoreas Hoffnung auf die Bewältigung der Nahrungsmittelknappheit und des mangelnden Baumbestands im Land. Auf diesem Weg verbreitet die Regierung auch ihre politischen Botschaften: 


Im Gegensatz zu früher würdigt die nordkoreanische Literatur in der Ära von Kim Jong-un die Umwelt. Für die Wiederaufforstung der beschädigten Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung muss das Land zunächst seine grundlegenden Probleme wie die Nahrungsmittel- und Energieknappheit lösen. Auch ist es wichtig, sich mit den Fragen besser vertraut zu machen und die Fähigkeit zu erlangen, damit umzugehen. Im Einklang mit der Anpassung wird sich auch die Literatur die Beschreibung von Fragen, die mit Ökologie und Umwelt zu tun haben, ändern. 


Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die ökologische Problembehandlung, wie sie in der nordkoreanischen Literatur beschrieben wird, in der Realität umgesetzt wird.

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