Mit einem Bambusstöckchen, Suldae genannt, werden die Saiten der koreanischen Zither Geomungo gezupft. Das Suldae hält die Musikerin in der rechten Hand und mit kraftvollen Handbewegungen wird der Instrumentenkörper in Schwingung versetzt.
Am 9. Dezember erfüllte die Musikgruppe Black String eine Bühne im Seouler Viertel Itaewon mit vibrierenden Klängen von Geomungo, Daegeum – einer Querflöte aus Bambus – Schlagzeug und E-Gitarre. Mit ihrem einzigartigen Sound hebt sich Black String von anderen Gugak-Aufführungen ab. Mit Gugak wird die traditionelle koreanische Musik bezeichnet.
Frau 1: Es war, als eröffnete sich mir eine neue Welt. Ich versank völlig in die Musik. Ich wusste nicht, dass eine solche Musik möglich ist. Ich frage mich, wie man so etwas schreiben und spielen kann. Für mich war das eine völlig neue Erfahrung.
Frau 2: Die Musik war improvisatorisch und dynamisch. Es war schön, jeden nuancierten Ausdruck der Künstler mitverfolgen zu können. Ich wusste nicht, dass Fusion Gugak so wundervoll sein kann.
Black String ist ein Gugak-Jazzensemble aus sowohl westlichen als auch östlichen Musikinstrumenten. Das Leitinstrument ist jedoch das Geomungo. Je nach Musik kann sich das koreanische Saiteninstrument auch in ein Perkussionsinstrument verwandeln und diese Vielseitigkeit des Geomungo übt auf das Publikum eine große Faszination aus.
Frau 1: Ich habe zum ersten Mal erfahren, wie breit das Klangspektrum von Geomungo sein kann. Es war, als wütete ein Sturm. Eine sehr beeindruckende Vorstellung.
Frau 2: Es war mehr als nur ein reines Saitenzupfen. Sie behandelte das Instrument auch wie ein Perkussionsinstrument. Es schien, als wolle sie die Grenzen der Originalmusik überschreiten und etwas Neues schaffen. Das machte die Show interessant.
Vor Black String trat Heo Yoon-jeong als stellvertretende Leiterin des Seoul Metropolitan Traditional Music Orchestra mit verschiedenen Fusion-Gugak-Bands auf. 2007 wurde sie für ein Künstlerförderprogramm der Rockefeller-Foundation ausgewählt. 2015 wurde sie als „Künstlerin des Jahres“ auf dem Yeowoorak-Festival, einer Veranstaltung für koreanische traditionelle Musik, ausgezeichnet. 2016 veröffentlichte das deutsche Jazz-Plattenlabel ACT ein Album von Black String mit dem Titel „Mask Dance.“ Hören wir Aram Lee, den Daegeum-Spieler von Black String.
Das Geomungo ist ein schwieriges Instrument. Je nach Technik des Spielers klingt es anders. Einige spielen besser volkstümliche Musik, andere haben sich auf die Hofmusik spezialisiert. Heo ist nahezu die einzige, die sich in den verschiedenen Musikgenres auskennt. Viele Fusion-Musiker fragen sich, wie sie traditionelle Instrumente für westliche Musik nutzen können. Heo hat mit dieser Konvention gebrochen. Sie mixt traditionelle und westliche Instrumente. Sie experimentiert sogar, wie westliche Instrumente traditionelle Musik wiedergeben können. Sie sucht stets nach neuen Wegen.
Ihr Vater Heo Gyu war Theaterregisseur und Gründer der Theatertruppe Minye. Sie wuchs mit Maskentänzen, dem koreanischen Gesang Pansori, Puppenspielen und schamanistischen Ritualen auf. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Heo als junges Mädchen sich dem traditionellen Tanz zuwandte.
Zuerst riet mir mein Vater dazu, das Tanzen zu erlernen. Doch dann sah er, dass ich ziemlich schwach war. Da empfiehl er mir, lieber zu einem traditionellen Musikinstrument zu wechseln. Ich mochte die Idee, Musik zu spielen, zu der ich vorher getanzt hatte. Deshalb besuchte ich die Oberschule für traditionelle koreanische Musik.
Sie beschloss, das Geomungo zu erlernen, das auch als „Instrument der konfuzianischen Gelehrten“ bezeichnet wird. Was bewog sie zu dieser Entscheidung?
Ich liebe tiefe und schwere Klänge. So ziehe ich das Cello der Violine vor. Deshalb interessierte ich mich auch mehr für das Geomungo als das Gayageum, eine Zither mit 12 Saiten. Beim Geomungo werden die Saiten mit dem Bambusstab Suldae gezupft. Das erlaubt einen schnelleren Rhythmenwechsel. Durch meine Tanzausbildung waren mir Takte und Rhythmen nicht fremd. Und diese Elemente haben mich auch beim Geomungo angesprochen.
Mit dem Bambusstab Suldae werden dem Geomungo kraftvolle, schwere Klänge entlockt, mit den Fingern werden weiche, sanfte Töne erzeugt. Darüber hinaus kann das Saiteninstrument aber auch wie ein Perkussionsinstrument gespielt werden. Heo liebt diese Vielseitigkeit.
Spiele ich das Geomungo wie ein Perkussionsinstrument, kann ich damit noch besser den Rhythmus wiedergeben. Es macht Spaß, das Instrument auf diese Weise zu spielen. Dabei wurde mir auch klar, wie großartig die traditionelle koreanische Musik eigentlich ist. Und es war sehr hilfreich für das Improvisieren.
Nach ihrem Schulabschluss 1990 trat Heo dem Seoul Metropolitan Traditional Music Orchestra bei. Vier Jahre später startete sie eine Solokarriere. Statt Sicherheit wählte sie also Risiko.
Ich war frustriert, weil im Orchester das Geomungo sein Potential als Schlaginstrument nicht frei entfalten konnte. Mit dem Geomungo können die unterschiedlichsten Klänge produziert werden, sogar matte und raue Klänge. Aber all das wurde unter der Orchestermusik begraben. Da dachte ich, das Geomungo eignet sich wohl besser für Soloauftritte. Und ich wollte als Solokünstler auftreten.
1998 war ihr erster Soloauftritt. Es gelang ihr, eine Balance zwischen Tradition und Innovation zu finden. 2007 veröffentlichte sie ihr Album „Seven Perspectives“ mit Solostücken und eigenen Kompositionen.
Zu dieser Zeit erfuhr sie, dass sie für ein Künstlerförderprogramm der Rockefeller-Foundation ausgewählt wurde. Das bedeutete, sie würde die Chance erhalten, mit Künstlern aus dem Ausland zusammenzuarbeiten.
Vor meiner USA-Reise musste ich in Korea alles abbrechen. Ich hatte Angst, aber ich hungerte auch nach etwas Neuem. Nachdem ich das Orchester verlassen hatte, arbeitete ich 10 Jahre als Solokünstlerin. Während dieser Zeit trat ich oft im Ausland auf. Aber ich fragte mich, wie das ausländische Publikum auf mich reagieren würde. Ich sehnte mich nach etwas Neuem, das mich inspirieren konnte. Ich setzte große Erwartungen in die USA.
Ihr sechsmonatiger Aufenthalt in New York erweiterte ihr musikalisches Spektrum. Sie musizierte mit hiesigen Künstlern und erschuf eine neue Musik. Ständig suchte sie nach neuen Möglichkeiten, um das Spielspektrum vom Geomungo zu erweitern.
In Korea fragte ich mich, ob die koreanische traditionelle Musik oder das Geomungo überleben kann und ob das internationale Publikum den Wert erkennt. In den USA fragte ich mich das Gleiche und ich war mich sicher, dass es klappen kann. Ich glaubte daran, dass koreanische traditionelle Musik als Weltmusik und menschliches Kulturerbe Anerkennung finden wird. Dieses Vertrauen motivierte mich, und ich beschäftigte mich noch intensiver mit traditioneller und moderner Musik.
Während des Künstlerförderprogramms gründete Heo die Band Tori Ensemble, die aus vier koreanischen Musikern bestand. Zusammen trat das Ensemble auf der Weltmusikausstellung und dem WOMAD-Festival auf.
Das Tori Ensemble war die erste Musikgruppe, die ich anführte. Mit ihr trat ich zum ersten Mal im Ausland auf. Die Tatsache, dass Gugak-Musiker auf einer internationalen Bühne standen, erfüllte uns mit großem Stolz. Darüber hinaus sah ich, wie andere Musiker arbeiteten. Ich erfuhr, wo ich in der Weltmusikszene stand und wie der internationale Musikmarkt arbeitete. Ich wurde als Künstlerin behandelt, die Südkorea repräsentiert, und lernte, wie eine verantwortungsvolle, professionelle Musikerin sein sollte.
2010 kollaborierte Heo mit chinesischen und japanischen Musikern. Als EASTrio spielten sie traditionelle Instrumente aus Korea, China und Japan. 2013 gründete Heo schließlich die Gruppe Black String. Der Name weist auf das Instrument „Geomungo“ hin, denn „Geomun“ bedeutet „Schwarz“ und „Go“ „Seiteninstrument“. Die Gruppe verbindet gekonnt tradtionelle Musik und Jazz. Dafür gibt es laut Heo einen konkreten Grund.
Jazz schafft es, alle Musikgenres einzubinden. Ich war mir sicher, dass aus Jazz und traditioneller Musik etwas Neues entstehen kann. Bis sich das Publikum an traditionelle Instrumente gewöhnt, wird es aber noch etwas dauern. Daher dachte ich, vertraute Instrumente könnten die Gugak-Musik etwas zugänglicher machen. Und so suchte ich nach einem Gitarristen. Aber ich wollte eine Band mit einem eindeutig koreanischen Sound.
Auf diese Weise kam Black String zu ihrem besonderen Musikstil. Hier ist Oh Jeong-su, zuständig für Gitarre und Elektronik.
Im Zusammenspiel mit Künstlern, deren Instrumente nichts mit der traditionellen Musik zu tun haben, wissen die Gugak-Musiker oft nichts über diese Instrumente. In diesem Fall muss jemand versuchen, alle in einen Einklang zu bringen. Und das schafft Heo wie kein anderer. Sie hat einen guten Musiksinn. Sie überrascht mich immer wieder aufs Neue.“
Black String wird diesen Monat auf dem Winter Jazzfest in New York auftreten. Danach geht es weiter nach Washington und Miami. Ebenso steht ein Musikfestival in Europa an. Hier ist noch einmal Heo.
Diejenigen, die Gugak erlebt oder studiert haben, wissen, wie großartig diese Musik ist. Diese wunderbare Musik möchte ich nun mit noch mehr Menschen teilen. Ich denke, es ist das Privileg und die Aufgabe von Künstlern, kreativ zu werden und etwas Neues zu erschaffen. Wegen der Freude an der Sache stehe ich heute hier. Ich hatte mir kein bestimmtes Ziel gesetzt. Einfach dadurch, dass ich das tat, was mir Freude bringt, habe ich es am Ende zu etwas geschafft.
Ausgestattet mit Flexibilität und starkem Willen gründete die Geomungo-Meisterin eine Band mit großartigen Musikern. 20 Jahre hat sie daran gearbeitet, ein ideales Umwelt zu schaffen, damit koreanische traditionelle Musik überall auf der Welt genossen und gewertschätzt werden kann.