Gesungen wird hier eine Szene aus dem traditionellen Pansori-Stück Heungboga. Das Stück handelt von zwei Brüdern. Der jüngere Bruder Heungbo besitzt ein gutes Herz trotz seiner Armut und den Misshandlungen durch seinen älteren Bruder Nolbo. Eines Tages pflegt Heungbo eine Schwalbe mit gebrochenen Beinen gesund. Zum Dank schenkt sie ihm einen Kürbissamen, den Heungbo einpflanzt. Und das bringt uns wieder zurück zu der Szene, in der Heungbo den aufgezogenen Kürbis aufschneidet.
Als aus dem Kürbis Reis und Geld herausfließen, freut sich das Publikum gemeinsam mit Heungbo über sein Glück. Die Sängerin Park Aeri schlüpft in die Rolle von Heungbo, um im nächsten Moment den älteren Bruder Nolbo und gleich darauf Heungbos Kind darzustellen. Sie ist eine Sängerin mit tausend Gesichtern.
Derzeitig steht die Meistersängerin mit ihrem Ehemann und Hiphop-Tänzer Poppin' Hyun Joon auf der Bühne. Ihre Zusammenarbeit setzt sich von anderen Bühnenshows ab.
Frau 1: Sie ist so gut, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Ihre moderne Interpretation ist unterhaltend und packend zugleich.
Frau 2: Wenn Park Aeri das Lied von Simchoeng singt, werde ich ganz emotional. Das liegt an ihren ausdrucksstarken Mimiken und Gesten.
Mann 3: Ich habe nicht viele Pansori-Aufführungen gesehen, weil ich lange im Ausland gelebt habe. Für mich war es wie eine Kommunikation von Herz zu Herz. Das hat mich sehr berührt.
Park Aeri wurde in Mokpo in der Provinz Südjeolla geboren. Als Schülerin gewann sie aufgrund ihres großen Talents zahlreiche Gesangspreise. Doch sie betont, sie sei nur so weit gekommen, weil sie täglich geübt habe und das Singen ihr echte Freude bereite. Die bescheidene Primadonna singt bereits seit über 30 Jahren. Begonnen hat alles, als sie im Alter von 9 Jahren mit ihrer Mutter ein Zentrum für traditionelle koreanische Künste besuchte. Dort öffnete sie eine Tür und hörte zum ersten Mal den traditionellen koreanischen Gesang. Als Reaktion darauf brach sie in Tränen aus.
Die Leute fragten mich, warum ich weine. Und ich antwortete, dass ich auch singen wolle. Sie waren nicht besonders begeistert von mir. Eine Frau sagte, ich solle ihr nachsingen, was ich dann tat. Als sie mich hörte, war sie sehr überrascht und sagte, ich hätte das Talent, mit meiner Stimme Trauer auszudrücken. Auch meine Mutter war überrascht. In dem Moment sagte ich mir: „Ja, das Singen ist meine Berufung.“
Ab jenem Tag nahm Park Gesangsunterricht und nutzte jede Gelegenheit, um zu singen. Selbst die traditionellen koreanischen Kurzgedichte Sijo, die sie in der Schule lernen musste, wandelte sie in Lieder um.
Ich kann die Gedichte immer noch auswendig. Nicht weil ich sie so sehr liebe, sondern weil ich sie singend gelernt hatte. Ich unterlegte die Gedichte mit den Tonverläufen und Rhythmen der Lieder, die ich bis dahin gelernt hatte.
Da sie immerzu sang, sagten ihre Freunde, sie hätte sich wohl eine Gesangskrankheit eingefangen. Während ihrer Schul- und Universitätszeit belegte Park bei Gesangswettbewerben stets die Spitzenplätze. Es schien, als würde sie geradewegs darauf zusteuern, die Primadonna der Pansori-Welt zu werden. Aber dann kam es zu einem Einbruch.
Im dritten Universitätsjahr wurde meine Stimme heiser. Nach 6, 7 Stunden täglichem Stimmtraining ist das normal. Die Stimme erholt sich aber wieder. Doch dann gab es eine Zeit, wo meine Stimme heiser blieb. Ich konnte die hohen Töne nicht mehr treffen und meine Stimme klang rau und kratzig.
Für Park war das ein schwerer Schock. Sie übte noch mehr, weil sie glaubte, so würde ihre alte Stimme zurückkehren. Doch Anzeichen einer Besserung ließen sich nicht erkennen, eher das Gegenteil war der Fall.
Die Meistersängerin Park Song-hee, lebender Nationalschatz und Bewahrerin des Lieds von Heungbo, unterrichtete an meiner Uni. Sie hörte mich jedes Semester singen bis zu meiner Abschlussprüfung. Sie sagte: „Ich hörte dich zu Studienbeginn und war von deinem Talent überrascht. Doch deine Stimme ist jetzt in einem schlechten Zustand. Du solltest sie für ein oder zwei Monate schonen.“ Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Wieso bin ich nicht selbst darauf gekommen?
Bis zum Probesingen für die National Changgeuk Company Korea blieb nur noch ein Monat. Park beschloss dennoch, ihre Stimme zu schonen. Mit gut ausgeruhter Stimme kam sie zum Vorsingen – und wurde angenommen.
Der 1. Januar 1999 war ihr erster Tag bei der National Changgeuk Company Korea. Alle neuen Mitglieder sollten hinter dem Vorhang den Chor für das Changgeuk-Stück Cheonmyeong bzw. „Himmliche Verordnung“ singen. Das Stück basiert auf einer Bauernrebellion in der Joseon-Dynastie. Park fiel dem Regisseur Sohn Jin-chaek auf, der ihr kleine Rollen gab wie die einer Flüchtlingsfrau oder eines Bauern.
Das Stück war etwa 2 Stunden lang, aber mein Bühnenauftritt dauerte insgesamt keine 5 Minuten. Die Flüchtlingsszene war in einer Minute vorbei. Aber ich wollte eine längere Bühnenpräsenz. Während die anderen einfach über die Bühne liefen, gab ich alles für meine Rolle. Ich warf einen Blick auf die verlassene Heimat zurück und fiel aus Müdigkeit hin. Auf der Bühne lebte ich die Flüchtlingsfrau.
Mit viel Herz und Hingabe spielte sie so alle ihre Rollen. Und ihre Bemühungen blieben nicht unbemerkt. Sie erhielt die Rolle der Prinzessin Bari im Changgeuk-Stück „König Uru“, eine Mischung aus traditionellem koreanischen Volksmärchen und Shakespeares „König Lear“.
Auch wenn es nicht meine Rolle war, beobachtete ich die anderen in ihren Rollen. Denn ich liebte dieses Stück. Eigentlich alle Changgeuk-Stücke. Ich hörte genau auf die Lieder des Königs, der Königin, der Prinzessin, des Hofnarrs ... Sie alle blieben in meinem Kopf und Mund hängen. Eines Tages fragte einer, ob jemand das Lied der Prinzessin Bari kenne. Niemand antwortete. Deshalb begann ich das Lied zu singen, worauf sich alle zu mir drehten. Und so bekam ich die Rolle der Prinzessin Bari.
Parks Hingabe und Fleiß kommentiert ihr Ehemann Poppin’ Hyun Joon wie folgt:
Was sie tut, macht so viel Spaß und hat dennoch Tiefe. Manchmal frage ich mich, ob es sich dabei wirklich um die traditionelle koreanische Musik Gugak handelt. Sie zeigt alles, was sie hat, und dennoch ist sie bescheiden geblieben. Dann blicke ich auf mich und denke, von ihr kann ich noch viel lernen. Sie besitzt so viel Stärke und Ausdauer. Als Person bekommt sie von mir Bestnoten.
Nach ihrer Rolle als Prinzessin Bari spielte sie noch unzählige weitere Rollen in über tausend Aufführungen, bis sie 2015 die Company verließ. Als Meistersängerin einer neuen Generation versuchte Park mit innovativen Ideen, die traditionelle koreanische Musik zu modernisieren. Ein solcher Versuch war die Kombination von Changgeuk mit Pantomime.
Im Lied von Chunhyang wird beschrieben, wie die männliche Hauptfigur Lee Mongryong das Mädchen Chunhyang umgarnt. Ich singe, „ein alter Tiger aus dem tiefen, tiefen Wald …” und ein Pantomime spielt vor, wie sich der Tiger langsam an seine Beute heranpirscht. Damit wollte ich denjenigen, die das Lied zum ersten Mal hören, in bestimmten Abschnitten visuellen Beistand geben.
Durch die Zusammenarbeit mit Pop-Sängern wie SG Wannabe und ChoPD schaffte es Park, die traditionelle koreanische Musik auch Teenagern näherzubringen. In Zusammenarbeit mit ihrem Mann kombinierte Park traditionelle Musik mit Hip-Hop, Rap und Tanz. Diese Transformation der Traditionen kam beim Publikum gut an. Hier noch einmal Parks Eheman Poppin’ Hyun Joon.
Aeris größte Stärke ist sicher ihr Fleiß. Außerdem ist sie offen für neue Herausforderungen. Ich brachte sie zum Rappen und Tanzen. Anfangs scheute sie sich davor, aber jetzt gibt es keine Grenzen mehr. Sie weiß, solange sie sich ihrer Identität als traditionelle Sängerin bewusst bleibt, hat sie nichts zu befürchten, was auch immer sie kombiniert. Unentwegt übt sie und sucht nach neuen Möglichkeiten. Ich denke, diese Mentalität und ihr Fleiß haben am Ende zu ihrem Erfolg verholfen.
Mit dieser offenen Einstellung schafft es Park mit jedem auf der Bühne zu harmonisieren. Dazu noch einmal Poppin’ Juno und Lee Yoo-seong von B-Boy Expression Crew.
Poppin’ Juno: Auf der Bühne entfaltet sie eine explosive Energie. Und ihre Leistung ist immer konstant. Ich habe sie auf der Bühne nie einen Fehler machen sehen. Auf der Bühne ist sie unschlagbar.
Lee Yoo-seong: Ich habe von Kollaborationen zwischen Gugak und B-Boying nie viel gehalten. Oft gibt es Dissonanzen, wenn beide Seiten nicht richtig aufeinander abgestimmt sind. Aber Park und Poppin’ Hyun Joon bilden eine harmonische Einheit. Ich bin noch nie jemanden wie ihr begegnet. Ich glaube, B-Boying, Gugak und Hip-Hop verschmelzen auf der Bühne so gut miteinander, weil sich beide Seiten so gut verstehen.
Trotz aller Offenheit bleibt Park Aeri ihren Wurzeln, dem Pansori-Gesang, treu. Ohne starke Wurzeln gibt es keine Anpassungen, sagt sie. Deshalb plant sie für dieses Jahr, nah an ihren Wurzeln zu bleiben.
Bei der Meistersängerin Seong Woo-hyang studierte ich die Pansori-Stücke Chunhyangga und Simcheongga und wurde zur Elevin des Liedes von Simcheong berufen. Als Pansori-Sängerin glaube ich, dass ich eines Tages in meinem Repertoire alle fünf Pansori-Stücke haben sollte. Dieses Jahr bin ich 41 geworden. Ich will nicht bei dem Status einer Elevin bleiben, sondern jene Person werden, die eines Tages die Traditionen weitergibt.