Im Spiegel der Zeit

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Von der Mangelernährung zum Nahrungsüberfluss

2015-12-22

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In einer KBS-Nachrichtensendung Ende 2010 wurde einmal darüber gesprochen, wie sehr die Körpergröße der jungen Koreaner in ihren 20ern und 30ern im Vergleich zu ihren Eltern angestiegen sei. Und eine Untersuchung der staatlichen Krankenversicherungsanstalt über die durchschnittliche Körpergröße der erwachsenen Koreaner im Jahr 2013 hat einen Wert von 170,5 Zentimetern bei den Männern ergeben, einen Zentimeter mehr als zehn Jahre davor, und 156 Zentimeter bei den Frauen, ein Anstieg von 0,9 Zentimetern im gleichen Zeitraum.

Mann 1: In unserer Jugend galten Menschen mit 1,80 oder 1,90 Metern als Riesen. Aber jetzt gibt es so viele junge Leute, die mindestens 1,80 Meter groß sind.

Mann 2: Wir hatten so wenig zu essen, dass wir kaum überlebten. Aber die jungen Leute sind heutzutage so gut und gesund ernährt. Es gibt keinen Grund, warum sie nicht groß werden sollten.

Mann 3: Wenn ich mir die Körpermaße der Leute heutzutage ansehe, wird mir klar, wie weit sich Korea entwickelt hat.


In gewisser Weise stellen die Koreaner, die nach 1980 geboren sind, durch ihre von den früheren Generationen so unterschiedliche Statur und Körperform einen ganz neuen Typ dar. Noch lange nach dem Koreakrieg mussten die meisten Koreaner sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gegenden sich darüber Sorgen machen, wie sie an ihre nächste Mahlzeit kommen sollten. In der kargen Winterzeit und im Frühling waren sie auf Wildpflanzen oder Lebensmittelhilfen aus dem Ausland angewiesen.

Mann 1: Es gab eine Zeit, da mussten wir Pflanzen in den Bergen ausgraben, um etwas zu essen.

Mann 2: Als ich aufwuchs, mangelte es nicht nur am Geld, sondern es gab auch nicht genug zu essen. Wir mussten unseren Reis mit Gerste vermischen, dabei hatten wir auch davon nicht genug.

Mann 3: Ich lebte von den Pflanzen und dem Gemüse aus den Bergen. Das löste Schwellungen im Gesicht und am Körper aus. Niemand hatte es damals einfach, zu überleben.

Mann 4: Wir lebten von gedämpftem Teig aus Maismehl oder Milchpulver aus den USA. Wie sollten wir davon auch groß werden?


Ende der 1960er Jahre arbeiteten zwar sechs von zehn Koreanern in der Landwirtschaft, doch die Leute waren wegen der häufigen Dürren und Frostschäden immer hungrig; außerdem hatte die Landwirtschaft mit veralteter Technologie und Infrastruktur zu kämpfen. Eine Regierungsuntersuchung über den Ernährungszustand der Koreaner von 1970 ermittelte, dass ein koreanischer Erwachsener im Durchschnitt tatsächlich 2.050 Kalorien pro Tag zu sich nahm, viel weniger als die damals empfohlene Menge von 2.400 Kalorien. Und die durchschnittliche tägliche Aufnahme tierischer Proteine betrug damals 32 Gramm, nicht einmal die Hälfte der empfohlenen Menge von 80 Gramm. Eine derartige Mangelernährung verursachte bei etwa 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Blutarmut, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung hatte Untergewicht. Um die Lebensmittelknappheit zu bewältigen, startete die Regierung eine landesweite Kampagne zur Förderung des Verbrauchs von Weizenmehl und Getreide als Alternative zum Reis. Der Wikipress-Redakteur Jung Young-jin beschreibt Koreas damalige Nahrungsmittelsituation.

Die Regierung machte 1969 jeden Mittwoch und Samstag zum „keinen-Reis-Tag“. Den Leuten wurde damals empfohlen, Lebensmittel aus Mehl anstelle von Reis zu essen. In den Schulen mussten die Schüler den Reis aus ihren Lunchpaketen von Zuhause mit Bohnen oder Gerste mischen, und sogar in Restaurants war das Servieren von Reis verboten.

Die oberste Priorität der Regierung in den 1970er Jahren war es, die Nahrungsmittelproduktion zu steigern. Dazu konnte die Tongil-Reissorte mit verbesserter Kornqualität und erhöhtem Ertrag gezüchtet werden, und Kommunal- und Staatsbeamte stellten vor Ort sicher, dass die neue Reissorte auch angebaut wurde. Die Tongil-Reissorte war kürzer als andere Sorten, doch gegen Schädlinge und Krankheiten war sie sehr widerstandsfähig und lieferte um 30 Prozent höhere Erträge. 1977 übertraf Koreas Reisproduktion 6,4 Mio. Tonnen, das Land konnte sich dadurch mit seinem Grundnahrungsmittel selbst versorgen. Hier ist erneut der Wikipress-Redakteur Jung Young-jin.

Mit dem landesweiten Anbau der Tongil-Reissorte wurde Korea in den späten 1970er Jahren im Reisverbrauch unabhängig, der regelmäßige Reiskonsum war aus eigenen Kräften sichergestellt. Der Tongil-Reis spielte in der koreanischen Gesellschaft eine wichtige Rolle, die Leute mussten jetzt nicht mehr hungern. Bis 1977 produzierte Korea so viel Reis, dass er sogar exportiert werden konnte. Die Tongil-Reissorte leitete das Zeitalter des Nahrungsüberflusses ein.

Als das ganze Land noch das Ende der Nahrungsmittelknappheit ersehnte, betrat das Massenprodukt Ramyeon am 15. September 1963 zum ersten Mal die hiesige kulinarische Szene und eroberte eine Schlüsselposition bei den Ernährungsgewohnheiten der Koreaner.

Mann 1: Ich bekam Dank eines reichen Freundes die Gelegenheit, Ramyeon zu probieren. Zu der Zeit hatte Ramyeon noch die gerade Nudelform. Ich konnte es wieder essen, als Ramyeon beim Militär als Nachmittagssnack zur Verfügung gestellt wurde. Es war fantastisch!

Anfangs war Ramyeon kein großer Erfolg, denn die Koreaner waren weder mit seinem Namen noch mit dem Geschmack oder der Kochmethode vertraut. Doch auf Geheiß der Regierung probierten die Leute das neue Nudelprodukt, und mittlerweile ist Ramyeon bei vielen Koreanern eins der beliebtesten und meistgegessenen Nahrungsmittel. Dazu erneut Jung Young-jin:

Aus ernährungsphysiologischer Sicht war Ramyeon ein revolutionäres Lebensmittel. Es hat viele Kohlenhydrate und ist auch reich an Fetten und Proteinen, wovon die Koreaner damals sehr wenig zu sich nahmen. Es hat auch viele Kalorien, sodass es genügend Energie für die Arbeit liefert. Ab 1963 wurde Ramyeon auch in Korea hergestellt. Es war eine der schnellsten und günstigsten Möglichkeiten, die vielen hungrigen Mägen zu füllen. Ich glaube, dass Ramyeon seit den 1970er Jahren nach Reis das zweitwichtigste Nahrungsmittel für die Koreaner war.

In den 1980er Jahren erlebte Korea ein spektakuläres Wirtschaftswachstum und die Koreaner interessierten sich immer mehr für nahrhafte und schmackhafte Lebensmittel. Es war eine andere Zeit, die Leute legten nun mehr Wert auf Qualität statt Quantität. Folglich begann Koreas Reisverbrauch zu sinken. Redakteur Jung Young-jin erklärt es uns.

Aufzeichnungen von 1970 zeigen, dass die Koreaner damals jährlich 136,4 Kilogramm Reis pro Person aßen. Bis zu den Olympischen Sommerspielen 1988 verwestlichten die koreanischen Ernährungsgewohnheiten immer weiter und immer mehr Frauen arbeiteten außerhalb des Haushalts, was schließlich zu einem Boom bei Restaurantbesuchen führte. Damit hatten die Leute Zugang zu verschiedenen anderen Menüangeboten als Reisgerichte, und folglich sank Koreas Reisverbrauch. Bis 1997 rutschte der Pro-Kopf-Verbrauch bei Reis auf 102,4 Kilogramm pro Jahr. Der Abwärtstrend setzte sich 2003 mit 83,2 kg, 2007 mit 77 kg und 2014 mit nur noch 65 kg, weniger als die Hälfte von 1970, fort. Dies zeigt, dass den Koreanern inzwischen eine viel größere Auswahl an Nahrungsmittel zur Verfügung steht.

Im Gegensatz zur abfallenden Popularität von Reis wurden Fleisch und mehlbasierte Nahrungsmittel bei den koreanischen Nahrungsgewohnheiten immer beliebter. Insbesondere die Aufnahme tierischer Proteine stieg rasant. Laut amtlichen statistischen Daten von 2014 über die Ernährungstrends der Koreaner nahmen diese im Jahr 2013 durchschnittlich 42,7 kg Fleisch pro Kopf zu sich. Dies war fast das Vierfache der 11,3 kg von 1980. Auch Milch, besonders reich an Kalzium und Proteinen, wurde als Vollnahrungsmittel beworben und zusammen mit anderen Milchprodukten immer stärker konsumiert. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Milch lag 1980 bei 13 kg jährlich, doch die Zahl stieg stetig bis auf 71,6 kg im Jahr 2013. Eine derartige Erhöhung der Proteinzufuhr führte zu einer Veränderung im Körperbau der jüngeren Koreaner. Professor Shin Hyun-tack von der Universitätsklinik für koreanische Medizin an der Kyunghee-Universität erzählt uns mehr darüber, wie sich die Physiologie der Koreaner im Laufe der Jahre verändert hat.

Die Gesamtproteinzufuhr der Koreaner hat sich erhöht, vor allem in Form von Fleisch und Milch. Protein ermöglicht Wachstum, wie in Tierversuchen nachgewiesen wurde. Eine vermehrte Proteinzufuhr führt zu Erhöhungen bei der Körpergröße und zur Verstärkung des Knochenwachstums.

Eine staatliche Untersuchung über den Nahrungsmittelverbrauch in Korea aus dem Jahr 1980 ermittelte eine durchschnittliche Körpergröße von 169 Zentimetern bei Koreanern und 157 Zentimetern bei Koreanerinnen. Seit den 1980er Jahren werden diese Durchschnittswerte bei der Jugend Koreas immer höher. Nach statistischen Angaben des Bildungsministeriums wuchs die durchschnittliche Körpergröße der Siebzehnjährigen bei den männlichen Schülern von 167,1 Zentimeter im Jahr 1980 auf 174,3 Zentimeter 2014, also um über sieben Zentimeter, und bei den Schülerinnen von 156,8 Zentimeter 1980 auf 160,9 Zentimeter 2014, also ein Plus von rund vier Zentimetern.

Seit den 2000er Jahren waren kalorienreiche, hoch proteinhaltige Nahrungsmittel weit verbreitet, Koreaner hatten so viel zu essen wie nie zuvor. Doch die Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten lösten auch ernsthafte gesundheitliche und soziale Probleme wie Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Derartige Entwicklungen veranlassten Koreaner dazu, sich gesunden Bio-Lebensmitteln zuzuwenden.

Frau 1: Dieses vegetarische Fleischimitat schmeckt wie Hühnchen. Diese flachen Dinger sind aus Sojabohnen gemacht. Sie sind für den Eintopf.

Frau 2: Ich versuche, mehr Nahrungsmittel mit vielen Ballaststoffen und zu jeder Mahlzeit Kräuter oder Gemüse zu essen.

Frau 3: Sie sind ein wenig teurer, aber es sind Investitionen in meinen Körper und gutes Essen bekommt meiner Gesundheit.


Im Dezember 2015 genießen Koreaner so viele nahrhafte und gesunde Nahrungsmittel wie nie zuvor. Hier ist noch einmal der Wikipress-Redakteur Jung Young-jin.

Ich kann definitiv sagen, dass es kein anderes Land auf der Welt gibt, das in nur 70 Jahren einen dermaßen großen Zuwachs an Nahrungsmitteln erlebt hat. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die Südkoreaner wohlhabend genug geworden sind, um sich über den Hunger keine Sorgen mehr machen zu müssen. Der Konsum von Reis und Fleischprodukten hat sich in Korea in den letzten sieben Jahrzehnten deutlich verbessert.

In den 1950er und 60er Jahren war es der Wunsch eines jeden Koreaners gewesen, regelmäßig ausreichend Reis zu essen. Inzwischen ist dieser Wunsch bis zum Überfluss erfüllt worden. Die größere Auswahl an Lebensmitteln führte zu Veränderungen im Körperbau und Körperumfang der Koreaner und erhöhte die Wettbewerbsfähigkeit Koreas in vielen Bereichen.