Archiv

Koreanische Halbinsel von A bis Z

Kurze Geschichte Nordkoreas

Die 2000er Jahre

Nordkorea im 21. Jahrhundert – Am Scheideweg zwischen nuklearer Rüstung oder offener Reform

Obwohl der „anstrengende Marsch“ offiziell für beendet erklärt worden ist, hat Nordkorea im 21. Jahrhundert noch viele Hindernisse zu meistern. Sein isoliertes Wirtschaftssystem ist jederzeit gefährdet, in eine Abwärtsspirale und damit in eine neue Krise zu geraten. Des weiteren ist Nordkorea noch immer extrem abhängig von Hilfe aus dem Ausland im Hinblick auf die Versorgung seiner Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, woraus folgt, dass aufgrund von Veränderungen in Nordkoreas Außenbeziehungen oder der globalen Nahrungsmittelproduktion eine neue Zeit des Hungers in Nordkorea anbrechen könnte.

Während Kim Jong-il weiterhin die gesamte politische Macht innehat, gibt es viele Anzeichen, dass der soziale Kontrollmechanismus etwas gelockert worden ist. Hinzu kommt, dass Nordkorea begonnen hat, ein „Spiel“ mit hohem Einsatz gegen die USA und die internationale Gemeinschaft zu spielen, indem es ein geheimes Nuklearwaffenprogramm betreibt.

Verbesserung der Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea

Zum ersten Mal seit der Teilung der koreanischen Halbinsel treffen am 13. Juni des Jahres 2000 Staatsführer des Nordens und des Südens zusammen.

Ein bedeutendes Charakteristikum der nordkoreanischen Außenpolitik in den späten 90er Jahren sowie im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist seine aktive Haltung hinsichtlich der Diplomatie mit Südkorea. Dies wurde von Südkorea durch dessen „Sonnenscheinpolitik“ erwidert und bestärkt. Der Besuch des Präsidenten von Hyundai Jung Ju-young im Jahre 1998 in Nordkorea und dessen Geschenk von 500 Rindern genauso wie der Beginn des Tourprogramms zum Geumgang-Gebirge hat zu einem Paradigmenwechsel in den Nord-Süd-Beziehungen geführt. Daneben wurde auch das Gaeseong-Industriepark-Projekt vorangetrieben. Hierbei handelt es sich um ein Projekt zum Aufbau eines Industrieparks im nordkoreanischen Gaeseong, bei dem südkoreanisches Kapital mit nordkoreanischem Grund und Boden und nordkoreanischer Arbeit zusammenwirkt.

Im Jahr 2000 besuchte der südkoreanische Präsident Kim Dae-jung Pjöngjang und kam dort mit Kim Jong-il zu Gipfelgesprächen zusammen. Die beiden Staatsführer einigten sich auf die „Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni“, die fünf wesentliche Punkte umfasst:
* eigenständige Wiedervereinigungsbemühungen
* die Bestimmung von Gemeinsamkeiten bei der Haltung des Nordens bzw. des Südens hinsichtlich einer Wiedervereinigung
* Vereinbarung von Treffen getrennter Familien und Lösung des sogenannten „Unbekehrte-Gefangenen-Problems“
* aktiver Austausch und aktive Kooperation
* Wiederaufnahme der bilateralen Gespräche zwischen dem Norden und dem Süden.

Projekte wie die Treffen getrennter Familien sowie Gespräche auf der Ministerebene wurden eifrig diskutiert, militärische und behördliche Gesprächskanäle wurden geöffnet. Genauso wurden Projekte angestrebt, um die Eisenbahnnetze der beiden Länder in den West- und Ostküstengebieten zu verbinden sowie Interaktion auf der zivilen Ebene in Form einer „Gemeinsamen Nord-Süd-Feier“.

Darüber hinaus dokumentierte die Teilnahme nordkoreanischer Athleten und nordkoreanischer Fans an den Asienspielen in Busan im Jahre 2002 eine weitere entscheidende Verbesserung der Beziehungen beider Länder. In den letzten sechs Jahren haben bislang mehr als eine Million Koreaner das Geumgang-Gebirge besucht, und die Touren sind zu einem Symbol der Nord-Süd-Beziehungen geworden. Hilfslieferungen von Südkorea in Form von Dünger, Nahrungsmitteln und Medikamenten wurden zu einem wichtigen Faktor in der Wirtschaft Nordkoreas. Südkorea überholte Japan beim Handel mit Nordkorea und wurde so nach China Nordkoreas zweitgrößter Handelspartner. Die nordkoreanische Wirtschaft wird immer abhängiger von der Südkoreas.

Neue Wirtschaftsinitiativen und die Sonderwirtschaftszone Shineuiju

Die starke Machtstellung des Kim-Jong-il-Regimes vermochte der nordkoreanischen Wirtschaft weder Stabilität noch Wachstum zu sichern. Die systemimmanenten Beschränkungen blieben bestehen während eine Verschlechterung externer Faktoren die Isolation der nordkoreanischen Wirtschaft verstärkte. Die drei Jahre währende „Pufferzeit“, die man im Jahr 1994 beschlossen hatte, brachte keine entscheidenden Ergebnisse. Nordkorea war noch immer auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen um seinen Bedarf an Nahrungsmitteln zu decken und war im Bereich des Handels stark auf China und Südkorea angewiesen. Der Mangel an Devisen, Technologie und Information erschwerten es Nordkorea, aus eigener Kraft wirtschaftliches Wachstum zu erreichen. Die Sonderwirtschaftszone Shineuiju wurde als Mittel zur Überwindung dieser Probleme vorgeschlagen.

Shineuiju war nicht das erste Sonderwirtschaftszonenprojekt Nordkoreas. Bereits im Jahre 1991 war in Rajin und der Region Songbong in der Nordhamgyeongprovinz ein Freihandelszonenprojekt umgesetzt worden mit dem Ziel, dieses Gebiet mit seinem Hafen in ein internationales Frachtdrehkreuz, ein Exportproduktionszentrum, ein Tourismus- und Finanzzentrum zu entwickeln. Trotz der rechtlichen und institutionellen Anstrengungen, die damals unternommen wurden, scheiterte das Projekt aufgrund des beklemmenden gesellschaftlichen Klimas, der unzulänglichen Infrastruktur und mangelnder Glaubwürdigkeit.

Die Sonderwirtschaftszone Shineuiju unterschied sich grundlegend von der Rajin-Sonbong-Freihandelszone. Bei einem Besuch in China wurde Kim Jong-il Zeuge der chinesischen Reformen und der Öffnung des Landes, die zu jener Zeit unternommen wurden. Angeblich soll Kim damals bemerkt haben, dass dort „eine ganz neue Welt“ im Entstehen begriffen sei. Die Sonderwirtschaftszone von Shineuiju war ein ehrgeiziges Projekt, das man zu einer Zeit anging, zu der der „Pufferplan“ gescheitert war und der nordkoreanischen Führung die Ideen ausgegangen waren. Die Planung der Sonderwirtschaftszone wurde bei einer Sitzung des Präsidiums der OVV am 12. September 2002 bekanntgegeben. Die Zone sollte als „Sonderverwaltungsregion“ mit einem eigenen Minister de facto ein „Staat im Staat“ – ähnlich wie Hongkong – werden.

Das freie Ausüben von Geschäftsaktivitäten sowie das Recht auf Privateigentum sollten innerhalb dieses Gebietes garantiert werden. Die Sonderwirtschaftszone Shineuiju ist an der Grenze zu China und am Ostmeer gelegen und Ausländern und ihrem Kapital in höchstem Maße zugänglich. Mit großem internationalem Medienspektakel wurde der chinesische Geschäftsmann Yang Bin zum ersten Minister der Sonderwirtschaftszone ernannt. Jedoch geriet das Shineuiju Sonderwirtschaftszonenprojekt in schweres Fahrwasser, als Yang von China festgenommen und der Korruption angeklagt wurde, und seither hat es in dem Projekt kaum mehr Bewegung gegeben.

Die Wirtschaftsreformen von 1. Juli 2002

Obwohl erst am 1. Juli 2002 verkündet waren die Wirtschaftsreformen schon früher umgesetzt worden, da Kim Jong-il im Oktober des Jahres 2001 befohlen hatte, die Wirtschaftsführung zu verbessern. Die Reformen zielten darauf ab, Mängel in der Wirtschaftsführung zu finden und zu beheben. Um dem chronischen Mangel an Waren und Gütern entgegenzuwirken, wurden die Preise und Löhne an das marktbasierte System von Angebot und Nachfrage angepasst. Diese Anpassung führte dazu, dass die Preise einiger Waren auf weitaus mehr als das Hundertfache und die Löhne auf das 20-Fache anstiegen. Die Zulassung von „Bauernmärkten“ ermöglichte es Privatpersonen gewerblichen Aktivitäten nachzugehen.

Die Reformen führten damit eine rudimentäre und streng reglementierte Form der Marktwirtschaft ein. In einigen Regionen entwickelten sich Bauernmärkte in Märkte größeren Umfangs, wo so gut wie alle Arten von Gütern gehandelt wurden. Fabriken, Werkstätten und landwirtschaftliche Betriebe mussten nunmehr ihre Einnahmen und Ausgaben selbst verwalten. Obwohl die nordkoreanische Wirtschaft im Prinzip noch immer eine sozialistische Wirtschaft war, fassten nach und nach marktwirtschaftliche Elemente Fuß.

Die zweite Nuklearkrise um Nordkorea

Die zweite Nuklearkrise um Nordkorea veränderte die nordkoreanisch-südkoreanisch-US-amerikanischen Beziehungen grundlegend.

Das Genfer Rahmenabkommen vom 21. Oktober 1994 hatte die Nuklearwaffenproblematik um Nordkorea eine Zeit lang in den Hintergrund gedrängt. In den späten 1990er Jahren jedoch trat ebendiese Problematik wieder in den Vordergrund, da es den Verdacht gab, Nordkorea würde ein Nuklearprogramm in Kumchangri betreiben. Gespräche auf höchster Ebene zwischen Nordkorea und den USA führten zur Zustimmung des Nordens zu einer von den USA geleiteten Inspektion.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA schienen in der Folge des Besuches des nordkoreanischen Staatssekretärs der Nationalen Verteidigungskommission Cho Myung-rok im Weißen Haus und einem Gegenbesuch der US-Außenministerin Albright in Pjöngjang auf dem Wege der Besserung zu sein.

Die Beziehungen verschlechterten sich jedoch zusehends nach dem Amtsantritt der Regierung von US-Präsident George Walker Bush. Die USA brachten nunmehr unablässig ihren Zweifel über Nordkoreas Einhaltung des Genfer Rahmenabkommens zum Ausdruck, während Nordkorea die USA dafür anprangerte, dass diese die im Genfer Rahmenabkommen vereinbarten Leichtwasserreaktoren nicht an Nordkorea lieferte. Bei einem Besuch einer von Vizeaußenminister James Kelly geleiteten Delegation in Pjöngjang im Oktober 2002 gestand Pjöngjang die Existenz eines geheimen Nuklearprogrammes ein. Dies war der Beginn der zweiten Nuklearkrise um Nordkorea. Nordkorea verschärfte die Problemlage, indem es offiziell seine Nuklearprogramme wiederaufnahm und schließlich am 1. Oktober des Jahres 2003 erneut aus dem NVV (Atomwaffensperrvertrag) ausstieg. Was die Angelegenheit noch verschlimmerte war der Verdacht, dass Nordkorea hochangereichtertes Uran (HEU) sowie Plutonium nutzte, um damit Nuklearwaffen zu entwickeln.

Nordkorea wurde vorgeworfen, gegen das Genfer Rahmenabkommen verstoßen zu haben, indem es heimlich die Entwicklung von Nuklearwaffen nach Abschluss des Genfer Rahmenabkommens am 21. Oktober 1994 vorangetrieben hatte. Im Gegenzug beschwerte sich Nordkorea, dass die USA selbst auch vertragsbrüchig geworden seien, da diese es unterlassen hätten, die vereinbarten Leichtwasserreaktoren zu liefern.

Die Sechs-Parteien-Gespräche

Die zweite Nuklearkrise um Nordkorea führte in eine verhandlungstechnische Sackgasse zwischen Nordkorea und den USA. Nordkorea hoffte, direkt Einfluss auf die USA nehmen zu können, indem es als Gegenleistung für eine Aufgabe seines Nuklearprogrammes diese um Zugeständnisse und um Sicherheitsgarantien bat. Die USA hingegen waren nicht geneigt, mit Nordkorea zu verhandeln und antworteten auf die Forderungen seitens Nordkoreas, dass es „keine Belohnungen für unrechtes Verhalten“ gebe. Ein mulilaterales Gesprächsrahmenwerk zwischen den USA, den beiden Koreas, China, Russland und Japan wurde vorgeschlagen als Weg, den scheinbar gordischen Knoten im Hinblick auf die Gesprächsbereitschaft der Konfliktparteien zu lösen. China fiel die Vermittlerrolle zu, und die erste Runde der Sechsergespräche wurde in Peking im Juli 2003 veranstaltet. Nach einer zweiten und dritten Gesprächsrunde, die allesamt keine Ergebnisse gezeitigt hatten, waren die Gespräche mehr als ein Jahr unterbrochen, bevor die sechs Staaten Ende Juli 2005 zu einer vierten Runde der Gespräche zusammenkamen.

Gelockerte Sozialkontrolle in Nordkorea

Nordkoreanische Flüchtlinge steigen über die Mauer der Botschaft eines ausländischen Staates in Peking.

Nordkoreas Sozialkontrolle hatte sich während der Jahre des „anstrengenden Marsches“ insgesamt gelockert. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Flucht hungernder Nordkoreaner ins Ausland. Die meisten dieser Flüchtlinge zog es nach China, und jene, die dazu in der Lage waren, flüchteten nach Südkorea. Die Problematik dieser sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ ist in der internationalen Gemeinschaft zu einer Menschenrechtsfrage avanciert. Obwohl die Zahl der Flüchtlinge nicht so groß ist wie zu der Zeit des Zusammenbruchs der kommunistischen Regime in Osteuropa, flieht auch weiterhin eine konstant hohe Zahl von Menschen aus Nordkorea.