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Blick auf Nordkorea

Die Wohnsituation in Nordkorea

2019-02-07

© KBS News

In Südkorea beträgt der Wohnraum pro Person im Durchschnitt 31,2 Quadratmeter. Zwar gibt es noch immer ärmere Haushalte, die unter dem Minimalstandard wohnen, doch gibt es absolut keine Knappheit an Wohngelegenheiten. Wie sieht die Situation in Nordkorea aus? Dazu befragten wir Chung Eun-chan vom Institut für Vereinigungserziehung: 


Das sozialistische Nordkorea erkennt kein Privateigentum an. Grundstücke, Wohnungen und Häuser gehören dem Staat. Privateigentum ist nur teilweise erlaubt und von den Einkommen abhängig sowie auf einige Haushalte beschränkt. Im Prinzip werden die Wohnungen vom Staat zur Verfügung gestellt. Nordkorea unterteilt die Bewohner in drei verschiedene Gruppen: die loyale „Kernklasse“, eine neutrale „Klasse der Schwankenden“ sowie die untere Gruppe der „feindseligen Klasse“. Die Mitglieder der loyalen Schicht erhalten schöne Wohnungen, während viele Menschen aus der feindseligen Schicht in abgelegenen Gegenden wohnen, in die sie zwangsweise abgeschoben wurden. Sie leben in der Regel in sehr kleinen Wohnungen mit unzureichender Versorgung. 


Nordkorea wendet auch beim Wohnen ein Rationierungssystem an. Die Bürger haben das Recht, in bereitgestellten Wohnungen zu leben, müssen aber eine Nutzungsgebühr zahlen. Die Wohnungen werden auch entsprechend der jeweiligen Arbeit und Position zugeteilt: 


Noch vor der großen Hungersnot Mitte der 1990er Jahre lebten viele Parteifunktionäre auf der Changgwang-Straße in Pjöngjang. Die Straße war für ihre Luxuswohnungen bekannt, jede Einheit hatte zwei bis drei Schlafzimmer. Viele Erwerbstätige in Pjöngjang leben in einer Wohnung, in der zwei Familien untergebracht sind. Arbeiter in der Provinz leben an einem Ort, der „Harmonika-Haus“ genannt wird, das ist ein Gebäude, das in vier bis fünf kleine Wohneinheiten unterteilt ist. Von vorne sieht das Gebäude aus wie eine Harmonika. Die Toiletten befinden sich draußen und werden von mehreren Familien gebraucht. In den landwirtschaftlichen Regionen können zwei Haushalte an einem Ort untergebracht werden. 


Die Wohnungen in den “Harmonika-Häusern” haben eine Fläche von ungefähr 36 Quadratmetern. Bauernfamilien wohnen in der Regel in Einfamilienhäusern mit einem oder zwei Schlafzimmern. Das Zuteilungssystem hat sich jedoch geändert: 


Nordkorea konnte es sich zehn Jahre lang wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht leisten, Wohnhäuser zu bauen. Es gibt daher im Verhältnis zum Bedarf eine Versorgungsknappheit. Um das Problem zu lösen, hat Nordkorea seine Wohnpolitik verändert. Im Jahr 2003 wurden in dem kommunistischen Land Märkte eingeführt. Kurz nach der Machtübernahme durch Kim Jong-un begann 2012 ein neues Wirtschaftsmanagementsystem. Staatlichen Unternehmen wurde es erlaubt, selber Wohnhäuser zu bauen. 2014 führte das Land ein anderes Wirtschaftssystem ein, das die staatliche Kontrolle über die Wirtschaft deutlich reduzierte. Managern von Unternehmen wurde es erlaubt, den Arbeitern Anreize zu schaffen, um die Produktivität zu erhöhen. Auch wenn der Staat keine Baumaterialien bereitstellen kann, können die Unternehmen Häuser aus eigenen Mitteln bauen. 


Nach einer Studie des südkoreanischen Land- und Wohn-Instituts von 2015 konnte Nordkorea 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung in einer Wohnung unterbringen. In den 80er Jahre gab es in Nordkorea eine extreme Wohnknappheit, als die Babyboom-Generation ins heiratsfähige Alter eintrat. Während der Hungersnot in den 90er Jahren brach das Wohnverteilungssystem genauso wie die Lebensmittelrationierung zusammen. Mit der Einführung von Märkten, die das Überleben vieler Nordkoreaner sicherten, wurde es auch Unternehmen erlaubt, Wohnungen an individuelle Haushalte zu verkaufen: 


Immer mehr Häuser wurden seit den 2000er Jahren in den großen Städten Nordkoreas gebaut. Wenn einzelne Bürger in staatliche Unternehmen investierten – obwohl das illegal war – wurde von diesen Firmen erwartet, die Investoren zu belohnen. Wenn sie das nicht konnten, gaben sie ihnen stattdessen Wohnungen. Die Betroffenen verkauften diese dann später. Es tauchten Wohnungsmakler auf, die immer mehr Personen dazu bewogen, Wohnungen zu kaufen und zu verkaufen. Die Regierung ging gegen die Immobilientransaktionen vor, die im Prinzip illegal waren. Diejenigen, die gegen die Vorschrift verstießen, wurden bestraft. Doch weil es auch eine Frage des Überlebens ist, sehen die Behörden regelmäßig über die Immobiliengeschäfte hinweg. 


Die Entwicklung des Immobilienmarkts führte zu einem plötzlichen Anstieg der Wohnungspreise und zu Spekulationen. Nach Schätzungen der südkoreanischen Behörde zur Förderung von Handel und Investitionen in Shanghai liegt der Preis für eine Luxuswohnung in Pjöngjang bei 8000 Dollar pro Quadratmeter: 


Vor Beginn der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bevorzugten die Nordkoreaner es, in den Städten sowie in Gebieten zu wohnen, die in der Nähe von Bahnhöfen und Schulen waren. Sie konnten den Ort natürlich nicht frei wählen, sondern mussten in Gebieten leben, die von der Regierung dazu bestimmt wurden. Seit den 2000er Jahren jedoch wollten immer mehr Menschen in Apartmenthäusern mit guter Einrichtung in den großen Städten leben. Auch wollen einige in der Nähe von ausländischen Botschaften leben, die eine Wifi-Verbindung haben. 


Zu den am meisten bevorzugten Wohngegenden gehört etwa die Ryomyong-Straße in Pjöngjang, auf der 2017 Apartmenthochhäuser mit bis zu 82 Stockwerken gebaut wurden. Wäre es für südkoreanische Bauunternehmen möglich, in Nordkorea zu investieren?


2014 zählte das Hyundai Forschungsinstitut die zwölf vielversprechendsten Geschäftsfelder in einem wiedervereinigten Korea auf. An der Spitze stand das Bauwesen. Südkoreanische Baufirmen wären die Ersten, die nach Nordkorea gehen, wenn sich die Beziehungen verbessern. Die Frage ist, ob es ihnen die nordkoreanische Regierung erlaubt, die Wohnungen, die sie bauen, an die Bürger zu verkaufen. Um das zu ermöglichen, müsste Nordkorea Reformmaßnahmen ergreifen und sich öffnen.

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