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Blick auf Nordkorea

Hochschul-Zulassung in Nordkorea

2020-10-22

ⓒ KBS

Im Dezember findet in Südkorea die landesweite Hochschul-Aufnahmeprüfung CSAT (College Scholastic Ability Test) statt. In diesem Jahr wird die Abwesenheitsrate bei der jährlichen Prüfung voraussichtlich einen Höchstwert erreichen. Viele Schüler fürchten, dass sie sich nicht ausreichend auf die Prüfung vorbereiten konnten, da der reguläre Unterricht aufgrund der Covid-19-Pandemie durch Fernunterricht ersetzt wurde. Prüfungsteilnehmer und Eltern sind gleichermaßen über diese Prüfung besorgt, in diesem Jahr aufgrund der Pandemie mehr als sonst.


Vor diesem Hintergrund fragen wir uns, wie das Zulassungssystem für Hochschulen in Nordkorea funktioniert. Kang Mi-jin, eine nordkoreanische Überläuferin und Reporterin bei der Online-Zeitung Daily NK, erklärt, dass Nordkoreas Hochschul-Zulassungsverfahren aus zwei Phasen besteht: Vorprüfung und Hauptprüfung.


In den frühen 2000er Jahren änderte Nordkorea das Datum der landesweiten Vorprüfung auf Ende Februar oder Anfang März, da das neue akademische Jahr vom 1. September auf den 1. April verlegt worden war. Ich besuchte die Universität in den 1980er Jahren, als es zu jedem Fach sechs Testfragen gab. Heutzutage heißt es, dass revolutionäre Geschichte, Literatur und Englisch jeweils drei Fragen haben, Physik und Chemie je zwei und Mathe drei bis fünf Fragen. Wer die Vorprüfung besteht, kann die Hauptprüfung ablegen.


Eine Besonderheit des nordkoreanischen Hochschulzulassungssystems ist, dass die Behörden den Studenten die Universitäten mitteilen, an denen sie studieren werden. Auf Grundlage der Testergebnisse in der Vorprüfung legen die Behörden für jede Oberschule eine bestimmte Quote für die Hochschul-Zulassung fest. Entsprechend der vereinbarten Quote weisen die Schulen jedem Schüler eine Universität zu unter Berücksichtigung ihres Testergebnisses und ideologischen Engagements. Mit anderen Worten, nicht die Studenten selbst, sondern der Staat entscheidet über die jeweilige Universität.


In Südkorea wählen die Studenten die Universität aus, für die sie sich bewerben möchten, und bewerben sich für diese Universität. In Nordkorea hingegen entscheidet die Arbeiterpartei über die Anzahl der neuen Studenten, die an Universitäten zugelassen werden sollen, und teilt jeder Oberschule eine bestimmte Anzahl potenzieller Studenten zu. Bei der Hochschulzulassung praktiziert Nordkorea eine staatlich gelenkte Top-Down-Politik.


Im Norden ist die Zulassung zur Universität so etwas wie ein Garantieschein für einen sicheren Arbeitsplatz und ein stabiles Leben. Wer an einer renommierten Institution wie der Kim-Il-sung-Universität, der Technischen Universität Kim Ch’aek und der Pjöngjang-Universität für Auslandsstudien zugelassen ist, hat ein sorgenfreies Leben vor sich. Kein Wunder, dass Eltern in Nordkorea genau wie in Südkorea alles daran setzen, ihre Kinder auf gute Schulen zu schicken. In Südkorea sind schulische Leistungen bei der Zulassung zur Universität am wichtigsten. Im Norden zählen neben Prüfungsnoten auch sozialer Status und Wohlstand der Eltern.


Bei der Aufnahmeprüfung für die Universität ist es wichtig, eine Kopie des Schulzeugnisses sowie ein Empfehlungsschreiben einzureichen, das von der Schule des Schülers und dem Sozialistischen Jugendverband gemeinsam zur Verfügung gestellt wird. Dabei ist neben Karriere und Macht der Eltern auch ihr Vermögen von entscheidender Bedeutung. Es kommt oft vor, dass Mütter Oberschulen bestechen, damit ihre Kinder guten Universitäten zugewiesen werden. Wenn eine Oberschule zum Beispiel ursprünglich fünf Schüler für die Uni-Hauptprüfung zulassen wollte, von den Bildungsbehörden aber eine Quote von zehn Zulassungen erhalten hat, kann sie fünf weitere Schüler auswählen. Einflussreiche Eltern haben es auf diese weiteren Zulassungen abgesehen. Selbst wenn die Schüler gute Noten haben, können sie nicht damit rechnen, ohne Bestechung an eine angesehene Universität zu gehen.


Wenn Abiturienten in Südkorea keine Uni-Zulassung bekommen oder wenn sie der Meinung sind, dass ihre Testergebnisse nicht gut genug waren, können sie es im Jahr darauf erneut versuchen oder im übernächsten Jahr einen dritten Versuch unternehmen. Für nordkoreanische Bewerber ist es jedoch nicht so einfach, wenn sie die Aufnahmeprüfung für die Hochschule erst einmal nicht bestanden haben.


Nordkoreanische Schüler, die beim ersten Versuch keine Uni-Zulassung erhalten haben, müssen erst zum Militär gehen oder zuerst arbeiten, bevor sie einen weiteren Versuch unternehmen dürfen. Die Wehrpflicht beträgt meist 10 Jahre. Wenn ein Jugendlicher die Oberschule abschließt, aber die Aufnahmeprüfung nicht besteht, hat er möglicherweise erst mit Ende 20 wieder die Gelegenheit dazu. Anders als Südkoreaner heiraten Nordkoreaner normalerweise mit Ende 20 und gründen eine Familie, und es ist für jemanden mit Familien fast unmöglich, sich auf die Uni-Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Daher machen nur sehr wenige Leute die Uni-Aufnahmeprüfung ein zweites Mal.


Einige Südkoreaner gehen zum Studieren ins Ausland. Aber für normale nordkoreanische Staatsbürger ist es schwer vorstellbar, selbst ins Ausland zu gehen. Nur wenige vom Zentralkomitee der Arbeiterpartei ausgewählte Studierende dürfen in anderen Ländern studieren. Und von vielen ehemaligen Auslandsstudenten wird gesagt, dass sie es bereuen, ins Ausland gegangen zu sein.


Bei der Auswahl der Studenten fürs Ausland überprüft Nordkorea ihren familiären Hintergrund sehr gründlich, da sie vom kapitalistischen Ausland beeinflusst werden könnten. Die Studenten bekommen eine ideologische Schulung, bevor sie ins Ausland gehen. Wenn sie nach Abschluss ihres Auslandsstudiums nach Hause zurückkehren, werden sie sechs bis zwölf Monate von den Behörden streng überwacht, denn ihre Ideologie wird nach dem Auslandsaufenthalt in Frage gestellt. In gewissem Sinne handelt es sich um eine andere Form der Menschenrechtsverletzung.


Viele Nordkoreaner, die im Ausland studiert haben, sind intellektueller und aufgeschlossener als andere, die nur im eigenen Land studiert haben, und sie sind dem Kapitalismus gegenüber aufgeschlossener. Ich denke, deshalb sind viele von den ehemaligen Auslandsstudenten im berüchtigten Konzentrationslager Yoduk gelandet.


Nicht jeder kann in Nordkorea studieren. Insbesondere renommierte Universitäten, die als Garant für eine erfolgreiche Karriere gelten, erfordern neben guten Prüfungsnoten AUCH einen angemessenen familiären Hintergrund. Wer mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, hat eine größere Chance, auf eine solche Uni zu gelangen. Der Wettkampf um den besten Hochschulzugang ist in Nordkorea nicht weniger intensiv als in Südkorea, und der Trend wird sich wahrscheinlich fortsetzen.

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