Nachrichten

Koreanische Halbinsel von A bis Z

Blick auf Nordkorea

Die Flugblattkampagnen gegen Nordkorea

2020-07-09

ⓒ YONHAP News

Die innerkoreanischen Beziehungen haben sich in den vergangenen Wochen wieder deutlich verschlechtert. Hintergrund war unter anderem die Verbreitung von Propaganda-Flugblättern, die gegen Pjöngjang gerichtet waren, durch nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea. Die Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un, Kim Yo-jong, und der erste Vizedirektor der Vereinigten Frontabteilung der Arbeiterpartei verurteilten im vergangenen Monat in einer Erklärung die Flugblattkampagnen. Kurz darauf ließ Nordkorea das innerkoreanische Verbindungsbüro in der grenznahen Stadt Kaesong sprengen. Auch drohte Pjöngjang damit, selber zwölf Millionen Flugblätter in Richtung Südkorea zu schicken. Die Gruppe Fighters for Free North Korea in Südkorea kündigte unterdessen an, weiter Flugblätter nach Nordkorea zu senden. Zum Thema sagt Bong Young-shik vom Yonsei-Institut für Nordkorea-Studien: 


Flugblätter wurden als Waffen der psychologischen Kriegsführung während des Korea-Kriegs benutzt. Nordkorea sandte Flugblätter zu den UN-Truppen, während das südkoreanische Militär eigene Flugblätter in Richtung Norden schickte. Die Flugblattaktion wurde gestoppt, als 1991 das innerkoreanische Grundlagenabkommen unterzeichnet wurde und als sich beide Seiten im Jahr 2000 darauf einigten, sich nicht gegenseitig zu verurteilen. Die Älteren können sich noch an die 1960er oder 70er Jahre erinnern, als die Südkoreaner nordkoreanischen Flugblätter zu den Polizeistationen brachten und dafür Stifte und Schulsachen erhielten. Doch dieses Belohnungsprogramm endete 2007. Die staatlich gelenkte Propagandakampagne ist eingestellt worden, doch heißt das nicht, dass die Propagandaflugblätter verschwunden sind. Die psychologische Kriegsführung wurde wiederaufgenommen, als sich die innerkoreanischen Beziehungen während der Regierung unter Lee Myung-bak abkühlten. Damals führten zivile Gruppen die Kampagne an. Einen Wendepunkt gab es 2010. Damals wurde das südkoreanische Marineschiff Cheonan versenkt, und Sükoreas Sanktionen gegen Nordkorea wurden am 24. Mai desselben Jahres wirksam. Erneut wurden Propaganda-Lautsprecher an der Grenze installiert, was Pjöngjang als große Bedrohung wahrnahm. 


Die gegen Pjöngjang gerichteten Flugblätter wurden 2008 ein entscheidender Auslöser für innerkoreanische Konflikte, als sich die von nordkoreanischen Flüchtlingen angeführte Gruppe Fighters for Free North Korea an solchen Aktionen beteiligte. Als im Februar 2010 Flugblätter über die Grenze nach Nordkorea geschickt wurden, kam der Großteil davon von dieser Organisation. Seitdem erhöhte sich die Zahl jedesmal um 100.000. Es wird geschätzt, dass in den vergangenen zehn Jahren mindestens 20 Millionen solcher Handzettel in Richtung Norden geschickt wurden: 


Der Waffenstillstandsvertrag wurde am 27. Juli 1953 unterzeichnet. Etwa 2,8 Milliarden Flugblätter sollen während des dreijährigen Korea-Kriegs verbreitet worden sein. Die Truppen Südkoreas und der UN verbreiteten 2,5 Milliarden Kopien und Nordkorea sowie die Sowjetunion 300 Millionen. Später wurden die meisten Flugblattaktionen von Flüchtlingsgruppen ausgeführt. Die südkoreanische Regierung blockierte die Aktionen dreimal während der Regierung unter Lee Myung-bak, achtmal unter Park Geun-hye und einmal unter der jetzigen Regierung. 


Seit 2012 senden die Organisationen nicht nur Handzettel mit Gasballons, sondern auch Videokassetten, die den Wohlstand Südkoreas zeigen sollen. Auch werden jetzt USB-Sticks und Speicherkarten losgeschickt. Zudem begannen die Flüchtlinge damit, wasserfestes Papier für die Flugblätter zu benutzen sowie Drohnen und GPS-Systeme für eine größere Zielgenauigkeit zu verwenden:


Die Flugblätter waren im Korea-Krieg Teil der psychologischen Kriegsführung. Sie sollten zur Aufgabe aufrufen und versprachen Schutz, wenn das geschieht. Das wichtigste Ziel war es, den Feind zu demoralisieren. Nach dem Waffenstillstand bezog sich der Inhalt auf den Bau neuer Autobahnen in Südkorea und die Erfolge der Industrialisierung unter der Regierung von Park Chung-hee, während Nordkorea beschrieb, wie das Land zu einem Arbeiterparadies unter der Führung von Kim Il-sung wurde. In den 1980er Jahren startete Pjöngjang politische Attacken gegen Seoul, etwa wie die Freiheit unter der Militärdiktatur vn Chun Doo-hwan unterdrückt wurde. Die südkoreanischen Flugblätter beschrieben die Errungenschaften des Landes wie etwa die Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Zuletzt startete Nordkorea persönliche Angriffe gegen südkoreanische Präsidenten. 


Eine andere Frage stellt sich zur Wirksamkeit der Flugblattaktionen gegen Pjöngjang. Viele der Ballons schaffen es wegen widriger Windverhältnisse nicht über die Grenze: 


Die Gruppen der nordkoreanischen Flüchtlinge behaupten, dass die meisten der fast 30.000 Flüchtlinge in Südkorea durch die Flugblätter zur Flucht bewogen wurden. Doch Flugblätter sind keine effektiven Mittel der psychologischen Kriegsführung, da auch die Windkonditionen eine wichtige Rolle spielen. Eine Studie besagt, dass 85 Prozent der losgeschickten Flugblätter in Südkorea landen. 


In Südkorea dreht sich die Debatte auch darum, ob die Regierung das Recht hat, die Flugblattaktionen zu verbieten, da dies die freie Meinungsäußerung unterlaufen könnte:


Ein südkoreanisches Gericht entschied, dass die Regierung das Recht hat, die Flugblattaktion für die Sicherheit der Bewohner an der Grenze zu verbieten. Die staatliche Menschenrechtskommission argumentiert dagegen, dass die Regierung nicht die Freiheit der Presse und der Rede unter dem Vorwand verletzten dürfe, Südkoreaner von Bedrohungen Nordkoreas zu schützen. Die Beschränkung der Meinungsfreiheit wäre verfassungswidrig. Doch ist es die höchste Pflicht der demokratischen Regierung, das Leben und das Eigentum der Bürger zu schützen.

Aktuelle Nachrichten