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Wirtschaft

Mangel an Harnstoff für Dieselfahrzeuge

#Thema der Woche l 2021-11-15

ⓒ YONHAP News

Südkorea ist wegen eines Mangels an wässriger Harnstofflösung alarmiert, die für die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen und in Fabriken gebraucht wird. Die Befürchtung ist groß, dass die Lieferengpässe für starke Störungen in zahlreichen Bereichen, von der Logistik über den Betrieb öffentlicher Fahrzeuge wie etwa Feuerwehr- und Notfallwagen bis zur Düngemittel- und Nahrungmittelproduktion, sorgen können. Auch könnte im Winter der Betrieb von Wärmekraftwerken und damit die Stromversorgung beeinträchtigt sein. Zum Thema sagt Kim Gwang-seok vom Institut für Koreanische Wirtschaft und Industrie: 


Von den rund 10 Millionen Diesel-Fahrzeugen in Korea verwenden 4 Millionen Harnstofflösung. Von ihnen sind 2 Millonen Lastwagen. Das bedeutet, der Mangel könnte dazu führen, dass diese Fahrzeug nicht mehr betrieben werden können, was zu einer Lähmung des Transports führen würde. Auch könnten weitere Industrien betroffen sein, darunter Gas, Düngemittel, Stahl und Autos. Leider wurden sämtliche einheimische Harnstoff-Fabriken vor etwa zehn Jahren geschlossen.


Harnstoff wirkt als Katalysator, durch den die Menge an schädlichen Abgasen reduziert wird. Der Stoff wird im Verhältnis 1:2 mit Wasser gemischt, und die Lösung zersetzt Stickstoffoxide, die von Dieselfahrzeugen ausgestoßen werden, in Stickstoffgas und Wasser. Ohne diese Lösung können heute Dieselmotoren nicht laufen. Das Problem für Südkorea ist, dass es bisher 97 Prozent des Harnstoffs und der wässrigen Lösung aus China importierte. Doch China begann Mitte Oktober damit, die Harnstoff-Produktion einzustellen. Es produzierte den Stofff durch die Extrahierung von Ammoniak aus Kohle. Doch die Aussetzung der Kohleimporte aus Australien löste Engpässe bei der Kohleversorgung in China aus. Das Land sah sich gezwungen, die Harnstoff-Exporte zu kontrollieren, was einer Beschränkung gleichkam. China hatte davor gewarnt. Daher wird kritisiert, dass Südkorea nicht ausreichend Vorbereitungen für die bevorstehenden Lieferengpässe getroffen habe:


Der Handelskrieg zwischen den USA und China dauert schon seit Jahren. Seit dem Antritt der Biden-Regierung in den USA verlegte sich China auf wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen gegen die Verbündeten der USA, Südkorea eingeschlossen. So verhängte China etwa Steuern von mehr als 200 Prozent auf australischen Wein. Chinas Exportrestriktionen bei Harnstoff kann als Teil seines Strebens nach globaler Vorherrschaft in der Auseinandersetzung mit den USA gesehen werden. Die koreanische Regierung hatte es nicht geschafft, die Situation aus langer Sicht einzuschätzen. Premierminister Kim Boo-kyum hat sich daher entschuldigt.


Glücklicherweise kann Südkorea in Kürze rund 19.000 Tonnen Harnstoff ins Land bringen, die beim chinesischen Zoll lagern. Zusammen mit der Harnstofflösung, die sich das Land anderweitig gesichert hat, können so einige Monate für die Versorgung überbrückt werden:


Bei etwa 3900 Produkten hängt Südkorea beim Import zu mehr als 80 Prozent von einem bestimmten Land ab. Von ihnen werden 1850 Güter aus China eingeführt. Dazu gehört etwa Lithiumhydroxid, das wesentlich ist für die Produktion von E-Auto-Batterien. Jede Unterbrechung bei der Versorgung dieser Ressourcen wird die koreanischen Industrien treffen, die als Wachstumsmotoren dienen. Es ist deshalb wichtig für Korea, Maßnahmen zu ergreifen, um sich auf stabile Weise Rohmaterialien zu sichern.


Aus China stammen zum Beispiel 85 Prozent des Weltbedarfs an Magnesium, sodass es für Korea nicht einfach ist, alternative Importquellen zu finden. Jeder Rückschlag beim Magnesiumimport könnte die Produktion von wichtigen Exportgütern Koreas, wie Autos, Smartphones und Batterien, unterbrechen: 


China reduziert die Ressourcenlieferungen. Die chinesischen Staatsmedien betonen, dass die Welt Chinas Stellung bei den globalen Lieferketten erkennen muss. Diese aggressiven Bemerkungen erhöhen die Unsicherheiten und deuten an, dass China die Absicht hat, Ressourcen als diplomatische oder handelspolitische Waffe zu benutzen. Um dagegen zu wirken, drängen die USA darauf, alternative Versorgungsketten aufzubauen.


Das Versorgungsproblem bei Harnstoff zeigt, dass die Wirtschaft eng mit sicherheitspolitischen und diplomatischen Fragen verknüpft ist. Die Koreaner mussten erkennen, dass diplomatische Konflikte zwischen anderen Ländern auch seine eigene Wirtschaft jederzeit treffen können. Das zeigten auch schon Chinas wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen für die Entscheidung Südkoreas von 2016, ein amerikanisches Raketenabwehrsystem aufzustellen, oder auch die japanischen Exportrestriktionen von 2019 gegen Südkorea. Viele Experten rufen deshalb angesichts des Harnstoff-Mangels dazu auf, mittel- bis langfristige Gegenmaßnahmen zu ergreifen: 


Ich denke, dass es nötig ist, gleichzeitig kurz- und langfristige Pläne umzusetzen. Kurzfristig muss sich Korea um das drängenste Problem kümmern. Es sollte diplomatische Maßnahmen ergreifen, um die Versorgungsengpässe bei Harnstoff zu beheben und verhindern, dass sie das einhemische Logistiknetz unterbrechen. Aus langer Sicht muss das Land seine Importziele für die Ressourcen ausweiten und Materialien lokal produzieren. Durch die Umsetzung kurz- und langfristiger Strategien sollte Korea imstande sein, selbst dann stabil genug zu sein, wenn ein bestimmtes Land damit droht, die Versorgung eines bestimmten Rohmaterials oder von Teilen auszusetzen.


Korea hat gelernt, dass der Mangel eines einzigen Materials, das in normalen Zeiten eher als unbedeutend gilt, den Betrieb von Fahrzeugen stoppen und Fabrikvorgänge unterbrechen kann. Die übermäßige Abhängigkeit von einem bestimmten Land für den Import von Ressourcen kann daher für Südkorea äußerst gefährlich sein. 

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