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Kultur

Bang Min-ho: „Jjajangmyeon mit Doppel-Jot“

2021-02-02

ⓒ Getty Images Bank

Um als Deutscher diese Geschichte verstehen zu können, muss man ein paar Dinge vorab wissen. Jjajangmyeon ist ein ursprünglich aus China stammendes Gericht aus Weizennudeln mit einer dunklen Sauce. Als Standardaussproche dieses Wortes galt lange die Lautung „jajangmyeon“. Doch kein Koreaner sagte „jajangmyeon“, sondern alle sagten und schrieben auch „jjajangmyeon“, mit gespanntem Anlaut. (In deutscher Umschrift entspräche dies einem Doppel-Jot.) Die offiziell korrekte Aussprache war unnatürlich. Dieses Phänomen nahm Bang Min-ho als Motiv für diese Geschichte, die er, wie er selbst sagt, als Allegorie über Meinungsfreiheit und Demokratie verstanden wissen will.



Als er heute von zu Hause wegging, war Seung-pil auf die Möglichkeit gefasst, dass er am Ende des Tages nicht nach Hause zurückkehren könnte. Wenn er nur daran dachte, brach er in Schweiß aus. „Was ist, wenn der Geheimdienst mich erwischt hat? Was ist, wenn sie mein Zimmer durchsucht haben?“, dachte er.

Bevor er die Wohnung verließ, hatte Seung-pil alle Dateien im Zusammenhang mit „jjajangmyeon“ von seinem Computer gelöscht. Diese Prozedur nachm er Tag für Tag auf sich, um ganz sicher zu sein. 


Um 11:07 Uhr atmete Seung-pil tief durch und betrat das chinesische Restaurant.

Ein großgewachsener Mann saß in der Halle und aß Jjajangmyeon. Auf dem Tisch neben ihm stand bereits eine leere Schüssel. Seung-pil war etwas verunsichert, aber er nahm seinen Mut zusammen und trat an den Tisch. Er hielt das gefaltete Flugblatt in der Hand, das er letzte Nacht ausgedruckt hatte.

Ohne um Erlaubnis zu fragen drückte Seung-pil dem Mann das Flugblatt in die Hand und flüsterte: „Bitte lesen Sie es.“

Dann drehte sich schnell um und rannte zur Tür. Er dachte, der Mann würde aufstehen und ihn am Hals packen. Doch der Mann sah nur gleichgültig zu, wie Seung-pil das Restaurant verließ, bevor er das Flugblatt in seiner Hand überhaupt richtig bemerkt hatte.

Darauf standen nur drei Wörter und ein Ausrufezeichen, in großer, fetter Schrift geschrieben: "Jjajangmyeon mit Doppel-Jot!"




Bang Min-ho, geboren 1965, wurde 2007 mit dem Kim Daljin-Literaturpreis ausgezeichnet. Er ist Professor an der Abteilung für Koreanische Literatur an der Seoul National University und war unter anderem Direktor der Gesellschaft für zeitgenössische koreanische Literatur. Seine Erzählung „Jjajangmyeon mit Doppel-Jot“ entstand 2021.

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