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Kultur

Yi Chaewon: „Ein fahler Korridor“

2021-03-16

ⓒ Getty Images Bank

Miyeon hatte ein schlechtes Gefühl. Jemand Unerwartetes war auf der Hochzeit aufgetaucht. Yeong-seon, ihre Schwägerin, die sie eine ganze Weile nicht gesehen hatte, mit ihrem Sohn im Schlepptau. Yeong-seon musste bei der Heirat eines Familienmitglieds natürlich anwesend sein, aber ihre Anwesenheit brachte immer eine Menge Ärger mit sich, weshalb Mi-yeon nicht anders konnte, als schlecht gelaunt zu sein. Als sie mit den Gästen sprach, hörte Mi-yeon zum ersten Mal, dass Yeong-seons Sohn nächsten Monat heirate. Yeong-seon teilte die Neuigkeit wohlweislich nicht direkt mit Yeong-sik oder Mi-yeon.

Yeong-seon hatte bei ihren Geschwistern einen gewaltigen Schuldenberg angehäuft, weil sie ihr eigenes Geschäft in den Ruin getrieben hatte. Die Familie zahlte für sie, aber sie zahlte es nie zurück. Sie versuchte es nicht einmal und wirkte nicht so, als würde es ihr leid tun. Vielmehr behauptete sie, sie habe eine Pechsträhne und es sei alles nicht ihre Schuld. All dies war für Yeong-sik und Mi-yeon die sich bemühten, Yeong-seons Schulden zurückzuzahlen, sehr ermüdend. 30 Jahre waren sie nun schon für Yeong-seons Schulden aufgekommen. Die Geldgeschenke, die sie zur Hochzeit ihres Sohnes bekamen, waren der erste große Geldbetrag, den sie seit langer Zeit sahen. Sie wussten, dass das Geld zur Tilgung der Schulden verwendet werden musste, aber Mi-yeon behielt das Bargeldbündel für ein paar Tage bei sich und roch daran, um sich ein wenig zu berauschen ...




Yi Chaewon, geboren 1958, begann ihre literarische Karriere 2010 und gewann 2011 den Hanuri-Preis für Jugendliteratur. Die Erzählung „Ein fahler Korridor“ erschien 2014.

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