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Kultur

Oh Young-soo: „Hwasandaegi“ (1952)

2022-12-13

ⓒ Getty Images Bank

Es war Tag Anfang März, in der Abenddämmerung. Sogar der feine Regen, der so leicht war, dass er die Blumen zum Blühen hätte bringen können, ließ Hwasandaegi vor Kälter zittern.

Bok-sul hatte ihr definitiv gesagt, dass dies das Haus war. Aber Hwasandaegi wagte noch immer nicht, es zu betreten, sondern spähte nur zögernd hinein.

Das war es nicht.

So sehr sie darüber nachdachte, dies war kein gewöhnliches Haus, nicht das in dem ihr Sohn lebte.

Für Hwasandaegi, die im Frühling Bergkräuter pflückte und im Herbst Körner erntete, um sie auf dem Straßenmarkt in Gyeongju zu verkaufen, fünf Kilometer von ihrem abgelegenen Bergdorf entfernt, glichen die hohen Mauern, das gestrichene Tor und die glänzenden Glasfenster einem öffentlichen Büro, einem Bürgerzentrum in einer ländlichen Gemeinde.


In dem Zimmer mit Tatamiboden, hoher Decke, verglasten Fenstern und unfreundlichen, kalkgepuderten Wänden konnte sie nicht einschlafen. Hwasandaegi fühlte sich einsam.

Sie versuchte zu schlafen. Aber mit einem Mal sah sich sich über die unbefestigte hügelige Straße zwischen den Erlen gehen.

Es war ein altes Haus mit Strohdach und einem Gerstenfeld im Vorgarten. Lehmwände voller Wanzenblut, ihre Enkelkinder mit entblößten Bäuchen und verknoteten Gliedmaßen in einem Raum schlafend, der nach fermentierten Sojabohnenblöcken roch, ihr ältester Sohn flocht Strohschuhe mit einer Schüssel Beifußwasser neben sich, seine Frau flickte zerrissene Kleider mit ihren dürren, knochigen Hände.

Hwasandaegi wollte sofort dorthin. Sie wollte seinen Husten beruhigen, indem sie sanft seinen Rücken massierte. Sie würde sich viel besser fühlen, wenn sie mit ihrer Schwiegertochter einfach Knie an Knie sitzen und sich die Seele aus dem Leib weinen könnte.


Das Bild ihrer im Bergdorf zurückgelassenen Enkelkinder kam ihr in den Sinn. Sie weinten, nachdem sie sich um den Eichelkuchen gestritten hatten. Hwasandaegis Augen füllten sich mit Tränen.

Als die Sonne hoch am Himmel stand, ging Hwasandaegi schnell in Richtung Gyeongju, mit demselben Bündel und denselben Strohschuhen wie gestern.




Oh Young-soo (1911-1979): „Hwasandaegi“ (1952)

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