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Kultur

Hyun Jin-geon: „Eine stümperhafte Diebin“ (1931)

2023-02-07

ⓒ Getty Images Bank

Da es schwierig war, zwei Zimmer zu heizen, trennten wir das Zimmer mit einem Paravent auf, so dass wir auf der einen Seite des Zimmers schliefen und die Frau auf der anderen Seite. Wir lebten praktisch in einem Einzelzimmer.

Ihr Seufzen und Klagen ergoss sich wie ein Wasserfall über die Trennwand hinweg. Sie schlief kaum. Wenn sie spürte, dass ich nicht schlief, verlieh sie ihrem Groll und ihrer Trauer besonderen Ausdruck.

„Wer soll mich retten, wenn nicht dieses erhabene Haus?“

Sie flehte, bettelte, nörgelte, unerbittlich, hartnäckig und standhaft, als wäre ich verpflichtet, sie zu retten. Ich litt an Schlaflosigkeit und tat oft die ganze Nacht kein Auge zu.

Wenn sie ihre Appelle dahergemurmelt hatte, fiel sie in einen unruhigen Schlaf, aber auch das dauerte nicht lange.



Nachdem die alte Frau das Zimmer verlassen hatte, war meine Frau ebenfalls hinausgegangen und hatte auf der Veranda verstreute Reiskörner gefunden. Meine Frau fragte sich, ob die Haushaltshilfe vielleicht etwas verschüttet habe, als sie den Reis zum Frühstück ausgeschöpft hatte, und sah genauer hin. Das sah sie, dass eine Spur aus Reiskörnern von der Veranda zum Hof und schließlich zum Brunnen führte.

Als meine Frau spürte, dass etwas nicht stimmte, folgte sie der alten Frau und sah, dass überall, wo sie hingegangen war, Reis verschüttet lag.

Die Frau musste den Reis genommen und unter ihrer Kleidung versteckt haben.

Sie hatte einen alten Geldgürtel genommen, ihn mit Reis gefüllt, und ihn sich dann um ihre Brust gewickelt. Aber es war ein Loch im Geldgürtel gewesen, durch das der Reis bei jedem Schritt hindurchrieselte.



Das traf mich so sehr, dass es mir nicht gelang, diesen stümperhaften Diebstahl der alten Frau lachend abzutun.

Hatte sie so viel Angst vor der Polizei, wie Dae-uk sagte? Hatte sie gedacht, dass die drei Münzen, die sie sicher in ihrer Tasche versteckt hatte, entdeckt werden würden? Was hatte sie dazu gebracht, diese Münzen einfach aufzugeben, wo sie mit diesem Geld doch Süßigkeiten für ihren lieben Enkel hätte kaufen können?

Sie hatte uns diese drei Münzen absichtlich entgegengeschleudert, in unsere Gesichter, in unsere Herzen, um uns zu sagen:

„Sehr her! Was ist denn falsch daran, ein paar Körner Reis aus einem Beutel zu stehlen! Was ist falsch daran, Reis für meinen hungernden Enkel zu kochen? Ihr elenden Geizhälse, die ihr mir sogar das bisschen Reis nicht gönnte, das ich in meinem Schoß verborgen hielt, nehmt diese drei Münzen! Und lebt wohl!“




Hyun Jin-geon (1900-1943): „Eine stümperhafte Diebin“ (1931)

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