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Kultur

Lee Hyo-seok: „Sonntag“ (1942)

2023-04-25

ⓒ Getty Images Bank

Gleich nachdem er das Manuskript fertiggestellt hatte, eine Woche nach Ablauf der Frist und über zwei Monate nach der Anfrage des Zeitschriftenverlags, verließ Jun-bo das Haus. 

Er hatte fast zehn Tage gebraucht, um 70 Seiten zu schreiben. Er schrieb weder schnell noch besonders langsam, aber er letzte Nacht hatte bis weit nach Mitternacht und heute den ganzen Vormittag an seinem Schreibtisch verbracht. 

Da er sich so sehr angestrengt hatte, war er nun voller Genugtuung und Freude, als er am Nachmittag mit einem dicken Bündel Papier das Haus verließ. Der Grund, warum er es persönlich zur Post brachte, war dieses Gefühl der Befriedigung, aber er dachte auch an seinen Verleger, der ungeduldig auf das fertige Manuskript wartete. 



Jun-bo, der geistesabwesend an seinem Schreibtisch saß und die unschuldigen Lämmchen beobachtete, die dort im hellen Licht miteinander schwatzten, fühlte eine nun andere Art von Glück als die, die er zuvor auf der Straße empfunden hatte. Es war nicht das Glück der Erwachsenen, sondern das in der Welt der Kinder, das makellose, selbstlose und ungetrübte Glück. Er spürte, wie sein Herz weicher wurde und sich allmählich in der Welt der Kinder auflöste.

„Das ist es. Ich sollte Kindergeschichten schreiben, Geschichten über heranwachsende Kinder.“



Auf dem Schreibtisch lagen bereits Stift und Papier. Das weiße Papier, auf dem noch nichts stand, erschien im Licht hell und makellos wie Schnee. Jun-bos Geist klarte sich auf wie dieses Papier, als er sich die Kindergeschichte vorstellte, die er auf dieses saubere Papier schreiben würde. 

„Ich hatte am Sonntag noch eine Aufgabe zu erledigen. Ich sollte die Welt der Kinder malen. Ich werde der Menschheit Hoffnung geben und ein anderes Glück versprechen“, dachte er bei sich.

Jun-bo, der am Morgen eine Liebesgeschichte geschrieben hatte, tauchte seine Feder nun in das Tintenfass, um den Menschen eine andere Art von Glück zu schenken. Das Licht leuchtete hell in Erwartung der Geschichte, die bald das Papier füllen würde. 

Nur das Geplapper der Kinder hallte nach in der Stille der Nacht, als käme es aus einem Märchen.




Lee Hyo-seok (1907-1942): „Sonntag“ (1942)

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