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Geschichte

Die KTX-Revolution

2015-11-03

Die KTX-Revolution
Am 30. März 2004 fand am Seouler Hauptbahnhof um 10 Uhr die Einweihungszeremonie für den koreanischen Hochgeschwindigkeitszug KTX (Korea Train Express) statt. Mit der Eröffnung des ersten Abschnitts der Gyeongbu-Hochgeschwindigkeitsstrecke war Korea das fünfte Land der Welt nach Japan, Frankreich, Deutschland und Spanien, das über eine Hochgeschwindigkeitsbahn verfügte. Hier ist der damalige Interimspräsident Goh Kun, der an der Eröffnungsfeier teilnahm.

Meine verehrten Bürger, wir leben in einer Zeit, wo Geschwindigkeit Wettbewerbsfähigkeit bedeutet. Von der High Tech-Industrie bis zu den Dienstleistungen brauchen wir immer schnellere Geschwindigkeiten, um im Wettbewerb bestehen zu können. Ein Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz ist das Symbol für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes und bildet die Grundlage für unseren Wohlstand im 21. Jahrhundert. Wir werden die verschiedenen Vorteile der Geschwindigkeitsrevolution, die uns das Hochgeschwindigkeitsbahnsystem bringt, in unserem täglichen Leben und in der Wirtschaft erleben.

Koreas neue Hochgeschwindigkeitszüge konnten mit 20 Waggons pro Lokomotive bis zu 300 Kilometer pro Stunde oder 83 Meter pro Sekunde schnell fahren. Von Seoul nach Busan dauerte es nur noch 2 Stunden und 40 Minuten, und von Seoul nach Mokpo 2 Stunden und 58 Minuten. Die Fahrzeit verringerte sich damit um eineinhalb Stunden beziehungsweise um eine Stunden und 40 Minuten. Damit waren nun Reisen quer durchs ganze Land innerhalb eines halben Tages möglich.

Die Geschichte der Eisenbahn in Korea begann am 18. September 1899 mit der Gyeongin-Verbindung zwischen Seoul und Jemulpo in Incheon. Zu jener Zeit betrug die Geschwindigkeit der Eisenbahn rund 20 Stundenkilometer. Nach der Gyeongin-Verbindung kam die Gyeongbu-Verbindung zwischen Seoul und Busan, danach die Gyeongui-Verbindung zwischen Seoul und Sinuiju und anschließend die Honam- und Gyeongwon-Strecken. Damals dauerte die Reisezeit von Seoul nach Busan über 20 Stunden. Seit der Befreiung 1946 waren die Lokomotiven Eigenentwicklungen. Auf der Gyeongbu-Strecke von Seoul nach Busan fuhr eine Dampflok mit dem Namen „Chosun-Befreiungsbahn“. Die Chosun-Befreiungsbahn war von Koreanern entwickelt worden, die ihr Handwerk während der japanischen Besatzung bei japanischen Ingenieuren gelernt hatten. Der Zug war in der Lage, in 9 Stunden und 30 Minuten von Seoul nach Busan zu fahren. Doch der Korea-Krieg und der Teilung des Landes bedeuteten auch das Ende der Gyeongwon- und Gyeongui-Strecken. Südkorea hielt zunächst nur noch die Gyeongbu-Verbindung aufrecht.

Der Tongil-Zug (etwa: Vereinigungsbahn) begann seinen Betrieb im Jahr 1954 und verringerte die Reisezeit von Seoul nach Busan auf 7 Stunden und 30 Minuten. Er wurde 1962 vom Jaegun-Zug abgelöst, der die Reisezeit weiter auf 6 Stunden und 10 Minuten reduzierte. Die Eisenbahn in den 1960er Jahren war nicht nur ein Fortbewegungsmittel für Reisegäste, sondern sie transportierte auch Fracht und wurde zur treibenden Kraft für die Industrialisierung und das Wirtschaftswachstum. Die große Bedeutung kam bei einer von der Regierung organisierten Jubiläumsfeier für die Eisenbahn 1963 zum Ausdruck. Der damalige Verkehrsminister Kim Yoon-ki hielt auf der Veranstaltung eine Rede.

Wir sind dank der Errungenschaften der Eisenbahn in den Genuß einer modernen Kultur und Lebensweise gekommen. Unsere Eisenbahn hat sich seit der Befreiung auf wunderbare Weise entwickelt. Wir waren in der Lage, die Anzahl der Waggons pro Lokomotive zu erhöhen, die Züge selbst herzustellen und den elektrischen Antrieb zu modernisieren. Wir entwickelten dank mutiger Maßnahmen der revolutionären Regierung seit dem 16. Mai auch die Bergregion Taebaek und andere Strecken für die Wirtschaft. Innerhalb der letzten zwei Jahre haben wir sowohl die Frachtmenge als auch die Anzahl der Schienenkilometer und Waggons erhöht. An diesem besonderen Tag wurde die staatliche Eisenbahngesellschaft neu gegründet.

Ab 1969 wurde der Gwangwang-Expresszug, der Vorgänger des Saemaeul-Expresszugs, mit einer Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometern eingesetzt, wodurch Reisen von Seoul nach Busan in 4 Stunden und 50 Minuten möglich wurden. Seitdem konnte das ganze Land innerhalb eines Tages bereist werden.

Der Bedarf an Hochgeschwindigkeitszügen wurde in den späten 1980er Jahren noch dringender, als die Nachfrage nach Transporten aufgrund des rasanten Wirtschaftswachstums explodierte. Hier ist Choi Jin-suk, Leiter der Abteilung für Eisenbahnverkehrsforschung des koreanischen Verkehrsinstituts (KOTI).

Nach der erfolgreichen Austragung der Olympischen Sommerspiele 1988 verbesserte sich das Ansehen Koreas ganz erheblich, und auch die Wirtschaft entwickelte sich rasant weiter. Dies führte dazu, dass sich viele Menschen ihre eigenes Autos kauften, doch die Regierung kam zu dem Schluss, dass der Ausbau der Autobahnen nicht ausreichen würde, um die Verkehrsprobleme insbesondere zwischen Seoul und Busan in den Griff zu kriegen. Zu der Zeit sahen viele im französischen TGV, der seit 1981 in Betrieb war, die schnellste Lösung für das Verkehrsproblem. Der Grund, warum eine Alternative zu den Autobahnen gesucht wurde, war der, weil es bis 1989 bis zu 14 Stunden dauerte, um auf der Autobahn von Seoul nach Busan zu reisen. So ging man davon aus, dass ein Hochgeschwindigkeitszug die beste Lösung sein würde.

Damals fuhren die meisten Züge mit Diesel, und der schnellste Zug in Korea hatte eine Geschwindigkeit von bis zu 160 Kilometern pro Stunde. Allerdings gab es eine Menge Widerstand gegen die bis zu 300 Stundenkilometer schnellen Hochgeschwindigkeitszüge. Der KOTI-Forscher Choi Jin-suk erklärt es uns.

Es gab eine starke Opposition dagegen. Sie beriefen sich auf den Saemaeul-Zug, der damals nur 4 Stunden und 50 Minuten von Seoul nach Busan brauchte. Der KTX braucht heute nur noch 2 Stunden und 30 Minuten, doch einige Verkehrsexperten argumentierten, dass man riesige Investitionen bräuchte, die größten in der jungen Geschichte des Landes, nur um gerade einmal 2 Stunden schneller zu sein. Auf der anderen Seite meinten diejenigen, die für den Plan waren, dass die knappste Ressource des modernen Menschen die Zeit sei und dass die Einsparung von Zeit viele industrielle und wirtschaftliche Vorteile mit sich brächte. Das rasante Wirtschaftswachstum damals beeinflusste die öffentliche Meinung, und so konnte das Projekt weiter verfolgt werden.

Die Strecke für den Hochgeschwindigkeitszug wurde 1990 festgelegt, und im März 1992 wurde eine spezielle Behörde, die Korea High Speed Railway Construction Authority, für die Durchführung der Pläne ins Leben gerufen. KOTI-Forscher Choi erklärt dazu:

Bisher waren die Bahnstrecken in Korea von der staatlichen Eisenbahnbehörde (National Railroad Administration) verwaltet worden. Diese Behörde war dabei für alles verantwortlich, vom Streckenbau bis zum Fahrkartenverkauf. Doch die Regierung ahnte, dass die Behörde versuchen würde, das neue Hochgeschwindigkeitsbahnsystem in ihr altes Verwaltungssystem einzuordnen, und daher richtete man ein neues System ein, das auf neuesten wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnissen basierte.

Die neue Behörde zum Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn arbeitete sehr hart, um eine eigenständige, an die koreanischen Verhältnisse angepasste Hochgeschwindigkeitsbahn zu entwickeln. Hier ist erneut Choi Jin-suk vom KOTI.

Die neue Behörde für die Hochgeschwindigkeitsbahn war verantwortlich für den Bau sowie für den Technologietransfer. Das ist der Grund, warum es uns jetzt möglich ist, diese Hochgeschwindigkeitszüge selbst zu produzieren: Weil wir von Anfang an eine neue Organisation hatten, die strategische Entscheidungen treffen und diese auch durchsetzen konnte. Die technologischen Fortschritte wären nicht möglich gewesen, wenn wir das Projekt in der Hand der alten, staatlichen Eisenbahnbehörde gelassen hätten.

Im Juli 1992 erfolgte der Spatenstich für die Gyeongbu-Hochgeschwindigkeitsstrecke. Im April 1994 kamen die Verhandlungen über die Züge für die Hochgeschwindigkeitsbahn zum Abschluss. KOTI-Forscher Choi erklärt:

Der wichtigste Teil war der Technologietransfer. Japan war bis zum Ende dagegen, während Frankreich und Deutschland sehr dafür waren. Zu der Zeit war Frankreich auf diesem technologischen Gebiet führend, also kann man sagen, dass wir das TGV-System Frankreichs übernommen haben. Frankreich versprach, uns seine Technologie zur Verfügung zu stellen, und sie haben ihr Versprechen gehalten. Deshalb sind wir nun in der Lage, unsere eigenen Hochgeschwindigkeitszüge zu bauen.

Der Bauprozess war lang und arbeitsintensiv. Da Korea zu 70% aus Gebirgs- und Flusslandschaft besteht, mussten viele Brücken und Tunnel gebaut werden, was die Baukosten immer weiter in die Höhe trieb. Hier ist erneut der KOTI-Forscher Choi Jin-suk.

Wo es viele Berge gibt, gibt es auch viele Täler. Wir brauchten also viele Talbrücken. Daher bestehen 50 Prozent unserer Hochgeschwindigkeitsstrecke aus Tunneln und Brücken. Die Baukosten pro Kilometer waren in Korea dreimal so hoch wie die Kosten in Frankreich. Hochgeschwindigkeitszüge fahren mit einer so hohen Geschwindigkeit, dass die Schienen in möglichst gerader Linie verlegt werden müssen, und wir mussten auch dafür sorgen, dass sie immer auf gleicher Höhe blieben. Das hat zum Bau so vieler Tunnel und Brücken geführt.

Nach den harten und langwierigen Bauarbeiten an Schienen, Tunneln und Brücken legte die Hochgeschwindigkeitsbahn im Oktober 1999 ihre erste erfolgreiche Testfahrt ab. Nach der erfolgreichen Entwicklung einer eigenen Hochgeschwindigkeitsbahn, dem KTX, im Jahr 2002 fand 2004 schließlich fand endlich die Einweihungsfeier statt, 12 Jahre nach der Grundsteinlegung im Jahr 1992. Korea wurde schließlich das fünfte Land der Welt, das ein Hochgeschwindigkeitsbahnsystem besitzt und betreibt. Hier ist erneut der KOTI-Forscher Choi Jin-suk.

Der allererste Testlauf der Strecke wurde 1999 mit einer Lokomotive aus Frankreich durchgeführt. Während des Testlaufs begannen koreanische Ingenieure damit, die gleichen Züge in koreanischen Fabriken herzustellen. Die ersten Züge aus koreanischer Produktion waren 2002 einsatzbereit und wurden zwei Jahre lang getestet, bevor sie der Öffentlichkeit 2004 vorgestellt wurden. Daher sagen wir gern, dass unser Hochgeschwindigkeitszug im Jahr 2002 entwickelt wurde, und das war eigentlich erst der vierte weltweit. Das bedeutet eine Menge für uns, denn wir folgten direkt auf Japan, Deutschland und Frankreich. Zu der Zeit waren wir das einzige andere Land, dass diese Technologie hatte, es war also etwas, worauf wir sehr stolz sein konnten. Spanien verwendete die französische Technologie für ihre Hochgeschwindigkeitsbahn. Sie hatten also nicht die Produktionstechnik, dafür aber eine funktionierende Hochgeschwindigkeitsbahn, und daher sagen sie, dass wir nur die Fünften auf der Welt mit dieser Technologie seien. Was die Entwicklung angeht, waren wir aber Spanien voraus.

Das ganze Projekt zur Verwirklichung der Gyeongbu-Hochgeschwindigkeitsbahn dauerte 12 Jahre, rund 30.000 Menschen haben daran gearbeitet und die Kosten beliefen sich auf rund 12 Billionen Won. Es begann mit einem Technologietransfer aus Frankreich und wurde durch den Fleiß und die Ausdauer koreanischer Ingenieure zu einem einheimischen Produkt.

Mit dem Anbruch des Zeitalters der Hochgeschwindigkeitsbahn wurde es für die Koreaner möglich, zu jedem Punkt des Landes innerhalb eines halben Tages zu reisen. Dies führte zu einer Revolution in der Lebensweise, die es den Menschen erlaubte, die Fesseln von Raum und Zeit zu überwinden. Seoul und seine Umgebung wuchsen enger zusammen, das Pendeln in die Provinz Chungcheong wurde möglich und mit der Einführung der Fünf-Tage-Woche änderte sich allmählich die Freizeitgestaltung der Leute. Die Bewohner regionaler Gebiete stimulierten einen Strukturwandel und leiteten eine Ära der Regionalisierung ein. Hier ist noch einmal der KOTI-Forscher Choi Jin-suk.

Das Busan International Film Festival ist eine international renommierte Veranstaltung. Ein eigener Flughafen wurde dafür nicht gebaut, aber nach dem Start des KTX 2004 erhöhte sich die Zahl der Besucher um das Zwei- bis Dreifache. Im Jahr 2011 kamen viele Zuschauer zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Daegu, obwohl es keine besonderen Beförderungsmittel gab, die für die Veranstaltung eingesetzt wurden. Dank des KTX konnten diese internationalen Veranstaltungen erfolgreich in verschiedenen Städten fernab von Seoul durchgeführt werden. In jüngerer Zeit wurden andere internationale Veranstaltungen wie die Expo in Yeosu oder die Garten-Expo in Suncheon erfolgreich durchgeführt, sofern sie in Städten mit einem KTX-Bahnhof stattfanden. Das bedeutet, dass eine Stadt, die ans KTX-System angeschlossen ist, größeres Wachstumspotenzial hat, und wirtschaftliche Aktivitäten, die einst in und um Seoul zentriert waren, orientieren sich langsam auch an anderen Regionen, was die Regionalisierung weiter vorantreibt.

Seitdem wurde im Jahr 2010 bereits die zweite Stufe der Gyeongbu-Verbindung von Daegu nach Busan eröffnet, und im März 2015 die KTX-Strecken nach Donghae und Pohang. Im April 2015 wurde mit der Eröffnung der Honam-Expressverbindung eine weitere Geschwindigkeitsrevolution erreicht.

Seit der japanischen Besetzung und dem Koreakrieg und durch das nachfolgende Wirtschaftswachstum hindurch waren die Koreaner immer mit ihrer Eisenbahn verbunden. Die Bahn hat sie durch alle Höhen und Tiefen der modernen koreanischen Geschichte begleitet. Die Hoffnung der Geschwindigkeitsrevolution besteht darin, aus der schwierigen Vergangenheit etwas gelernt zu haben und davon zu träumen, eines Tages das Zentrum des nordostasiatischen Verteilungsnetzwerks, das bis nach Sibirien reichen könnte, zu bilden.

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