Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Lifestyle

Wandern in Seoul

#Sie fragen, wir antworten l 2018-07-14

Hörerecke

ⓒ Getty Images Bank

Q: Durch Zufall sah ich ein Foto des Esa-Satelliten "Proba-V" vom Oktober 2016, auf dem total beeindruckend die Umgebung von Seoul zu erkennen ist. Aufgefallen ist mir dabei, dass die südkoreanische Hauptstadt völlig von Bergen umgeben ist. Wenn Seoul also von einer interessanten Bergwelt umgeben ist, wird diese auch touristisch vermarktet? Damit meine ich Anlegen von Wanderwegen, Schutzhütten oder kleine Berghotels mit Panoramablick? Gibt es in Seoul Wandervereine, so wie man diese von Deutschland her kennt? Welches sind die beliebtesten Wandertouren der Seouler? 

A: Auf alle Ja-Nein-Fragen kann man problemlos mit „Ja“ anworten. Es lässt sich ohne Übertreibung behaupten, dass Wandern in Korea Nationalsport Nummer 1 ist. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass 70% des Landes gebirgig sind. Und das bedeutet auch, dass, egal wo in Korea man sich befindet, der nächste Berg mit dem nächsten Wanderpfad leicht erreichbar ist. Und das gilt, wie die Satellitenfotos demonstrieren, auch für die Metropolregion Seoul, in der gut die Hälfte der rund 52 Mio. Südkoreaner leben. Mitten in der Hauptstadt gibt es eine Reihe von Bergen, die mit U-Bahn, Bus oder auch zu Fuß innerhalb von einer halben Stunde erreicht werden können, sei es der Gwanak-san, der Inwang-san, der Bukhan-san oder der Bugak-san, um nur einige zu nennen. All diese Berge haben gut ausgebaute Wanderrouten verschiedener Länge und Schwierigkeitsgrade. Und entlang dieser Routen finden sich in den meisten Fällen schöne Aussichtspunkte, glasklare und im Sommer erfrischende Bergbäche, historische Orte wie die Seouler Festungsmauer, buddhistische Tempel oder Einsiedeleien. Neben Bewegungsdrang, Naturliebe und frischer Luft sind es auch die zahlreichen Tempel und Schreine, die die Wanderer in die Berge ziehen, zum einen wirklich aus religiösen Beweggründen, zum anderen aber auch, um vor erhabener Kulisse innezuhalten, durchzuatmen und Alltagsstress und Alltagssorgen für einen Moment hinter sich zu lassen. Es sind Orte der Ruhe und Selbstfindung, mal abgesehen davon, dass die Tempelanlagen auch das Herz vieler Fotografier-Enthusiasten höher schlagen lassen.
Entlang der Wanderrouten in den diversen Seouler Bergen gibt es auch Fitness-Plätze, an denen man zusätzlich einige Sportübungen an den dort installierten Geräten absolvieren kann. Verlaufen wäre fast ein Kunststück, denn alle Routen sind sehr gut ausgeschildert, mit Angaben zu Richtung und Zeit, die man bis zum nächsten Etappenpunkt, bis zur nächsten Sehenswürdigkeit, zur nächsten Raststätte oder zum nächsten Unterstand braucht. Nicht zu vergessen die Warnungen vor Wildschweinen und was man tun bzw. nicht tun soll, wenn man einem Wildschwein begegnet. Leider haben die Wildschweine in den letzten Jahren die Scheu vor Menschen etwas verloren und wagen sich hier in Seoul sogar manchmal bis in die Wohnviertel am Bergfuß, sodass diese Warnungen nicht unbegründet sind.

Gewandert wird in Seoul v.a. am Wochenende, aber auch unter der Woche trifft man stets Wanderer, v.a. seit die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er Jahre in Rente gehen. Hotels bzw. Motels oder Gaststätten finden sich hier in Seoul nicht tief in den Bergen selbst, sondern an den äußeren Berghängen oder am Bergfuß. Da gibt es auch nette Restaurants mit Terrasse, von wo aus man einen herrlichen Blick hat und sich bei Kaffee und Kuchen bzw. einem leckeren Essen mit Wein erholen und entspannen kann. Hauptwanderzeit ist der Herbst, wenn die spektakuläre Herbstlaubfärbung und das milde Sonnenlicht in die Berge ziehen, sei es zum Entspannen oder zum Fotografieren.

Gewandert wird in Korea übrigens häufig mit der ganzen Familie, mit Freunden oder Kollegen oder auch in einem der zahlreichen Wanderclubs. Alleine sind Koreaner eher selten auf ihren Bergtouren anzutreffen, Wandern ist hier nicht zuletzt auch ein geselliger Sport. Und die zahlreichen Wanderclubs organisieren regelmäßig Touren im ganzen Land.

Ein für Ausländer besonders auffälliges Merkmal: Man begegnet kaum einem Koreaner, der auf seinen Wanderungen nicht optimal gekleidet und ausgerüstet wäre. Dazu gehören atmungsaktive T-Shirts und Hosen, feste Wanderschuhe, dicke Socken, Stöcke und Sonnenschutz für Kopf, Arme und Gesicht, nicht zu vergessen ein leichter Rucksack mit Unentbehrlichkeiten wie Wasser oder Handtuch zum Abwischen des Schweißes. Im Sommer ist für Ausländer auffällig, dass sich die Koreaner von Kopf bis Fuß bedecken, bis hin zu Hut, Gesichtsmaske, langärmeligen T-Shirts und Hosen und sogar Handschuhen. Das ist nicht nur ein wunderbarer Moskitoschutz, sondern auch ein Sonnenschutz, denn schädliche UV-Strahlen möchte man nicht an sich ran lassen. Trotz dieser Totalvermummung bleiben die Koreaner anscheinend trotz ihrer „Aus-Rüstung“ trocken – die Konstitution scheint eine andere zu sein als bei Westlern.

Neben Seoul gibt es im ganzen Land eine Reihe von Nationalparks, die alle für ihre Naturschönheiten und ihre jeweils besonderen Wanderwege bekannt sind. Insgesamt solle es landesweit über 1.700 Trails geben. Die meisten davon sind innerhalb von zwei oder drei Stunden mit Auto, Bus oder Bahn zu erreichen. Und auch in den Nationalparks sind alle Wanderwege gut markiert und ausgeschildert. Eine Besonderheit und ein großer Vorteil für den Wanderer in den Nationalparks: Am Anfang eines jeden bekannten Wanderweges, Erholungsgebietes und Nationalparks gibt es hunderte von Geschäften und kleinen Ständen, an denen man alle nur erdenkliche Wanderkleidung und Ausrüstung günstig kaufen kann, aber auch speziell für den Wanderer zubereiteten Proviant wie hartgekochte Eier oder Gimbap-Reisröllchen. Nicht zu vergessen gedünstete Maiskolben, geröstete Kastanien, Eichelgelee, Pfannkuchen und den milchigweißen gegorenen Reiswein Makgeolli – wobei die letztgenannten Dinge eher die köstliche Belohnung am Ende der Wanderung sind. Übrigens gibt es auch überall in den Nationalparks Berghütten, wo der müde Wanderer auf langen Touren sein Haupt betten kann. Die Wander-Infrastruktur in Korea ist auf jeden Fall optimal. Und ein weiteres Plus: Wandern ist auch deshalb ein Sport für jedermann, weil es billig ist und mit wenig Aufwand Körper und Geist stärkt und Erholung bietet.

Höhepunkt für jeden Wanderenthusiasten ist wohl Südkoreas höchster Berg, der Halla-san. Er ist 1.950 m hoch und liegt auf der Insel Jeju-do, die von einem ganzen Wanderweg-Netz überzogen ist, den sog. „Olle-gil“, die nach dem Vorbild der Santiago de Compostella Pilgerwege auf der iberischen Halbinsel angelegt wurden. Die Besteigung des Halla-san, eines erloschenen Schildvulkans, ist mindestens einmal im Leben ein absolutes Muss für jeden Koreaner, heißt es, wobei Auf- und Abstieg jedoch gut zehn bis zwölf Stunden dauern können. Und wobei man lieber keinem Koreaner glaubt, der behauptet, dass die Route nicht so schwierig sei, denn die meisten Koreaner sind Wandern von Kindesbeinen an gewöhnt und haben etwas andere Vorstellungen von „schwierig“ als westliche Gelegenheitswanderer.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >