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Nordkorea

Der Immobilienmarkt in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2022-11-02

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ KBS

Kaufen und verkaufen die Menschen im sozialistischen Nordkorea Häuser und Wohnungen? Die Antwort ist ja. Die südkoreanische Behörde für Handel und Invesitionen (KOTRA) schrieb 2018 in einem Bericht, dass die Immobilientransaktionen in größeren nordkoreanischen Städten wie Pjöngjang, Nampo, Kaesong oder Sinuiju anstiegen. Auch die Wohnungspreise erhöhten sich. Unter Berufung auf Berichte der Nachrichtenagentur Reuters schrieb KOTRA, dass sich der Immobilienmarkt in Nordkorea zum Vergleich zu den zehn Jahren davor um das Zehnfache vergrößert habe. Diese Annahmen wurden durch Aussagen von nordkoreanischen Flüchtlingen mehr oder weniger untermauert. Eine Umfrage unter Flüchtlingen durch die Seouler National-Universität im Jahr 2013 ergab, dass knapp 67 Prozent der Befragten schon einmal eine Wohnung in ihrer alten Heimat gekauft hätten. Der Anteil sei fünfmal so hoch wie unter Nordkoreanern, die eine Wohnung vom Staat zugeteilt bekämen, hieß es. Allerdings ist festzustellen, dass der Kauf von Grundstücken und Wohnungen in Nordkorea etwas anderes bedeuten kann als in Südkorea. Zum Thema sagt Jeon Young-seon vom Institut für Geisteswissenschaften und Vereinigung an der südkoreanischen Konkuk-Universität:  


In Südkorea hat der Immobilienhandel mit Eigentum zu tun. In Nordkorea ist Privateigentum im Prinip nicht erlaubt, da der Staat in dem sozialistischen Land alle Grundstücke besitzt. Der Wohnungstausch ist jedoch möglich. Doch ein gleichwertiger Tausch ist schwierig. Wenn also jemand an einen besseren Ort wechselt, muss er oder sie in manchen Fällen einen Ausgleich zahlen. Das ist der Wohnungshandel nach nordkoreanischem Stil. 


Während der Zeit der extremen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Nordkorea in den 1990er Jahren, die auch als “mühsamer Marsch” bezeichnet wird, setzte Nordkorea umfangreiche staatliche Projekte einschließlich der Bauvorhaben aus. Dazu kam, dass die Nachfrage nach Wohnungen von der sogenannten Baby-Boomer-Generation, die das Heiratsalter erreichte, zu einer Angebotsknappheit führte. So sagt ein nordkoreanischer Flüchtling: 


Das Haus, in dem ich geboren wurde, hatte drei Schlafzimmer. Meine Großeltern nutzten das größte Zimmer, und meine Eltern und mein unverheirateter Onkel lebten alle in dem Haus. Drei Generationen lebten also zusammen. Viele Nordkoreaner leben noch so. 


Der Experte Jeon: 

Früher baute der Staat Häuser und teilte die Wohnungen den Bürgern zu. Doch konnte er wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten keine neuen Wohnungen mehr bauen. Er entschied deshalb, die Wohnungsknappheit durch Privatmärkte zu lösen. Dadurch erweiterte sich der Wohnungstausch. Insbesondere nach 2010 machte der Wohnungsmarkt einen großen Anteil der einheimischen Wirtschaft aus. Die Wohnungstransaktionen stiegen im Einklang mit dem Bau neuer Häuser in den Städten an.


Die Gebäude in Nordkorea gehören größtenteils dem Staat, und einzelne Personen erhalten eine Art Wohndokument oder Wohnerlaubnis, um eine Behausung zu nutzen. Es ist kein Geheimnis, dass mit solchen Nutzungsgenehmigungen gehandelt wird. Um das Problem zu lösen, verabschiedete Nordkorea 2009 das Wohngesetz. In Paragraph eins heißt es, das Gesetz müsse streng beim Bau, Transfer, der Übernahme und Registrierung, der Zuteilung, Nutzung und dem Management von Wohnungen angewandt werden. Auch müsse das Gesetz dazu dienen, dass die kulturellen Lebensbedingungen der Menschen garantiert werden. Nach dem Gesetz werden die Wohnungstypen in staatliche Behausungen, Kooperativen-Wohnungen und Wohnungen von Einzelpersonen unterteilt. In Nordkorea werden Wohnungen im Allgemeinen durch den Staat zugewiesen. Bürger, die eine Wohnung haben wollen, müssen beim sogenannten Volkskomitee oder bei einer zuständigen Institution, einem Unternehmen oder einer anderen Organisation eine Zuteilung beantragen: 


Der Staat baut jedes Jahr neue Wohnungen, und die Behörden für die Wohnungszuteilungen verteilen sie unter den Menschen. Solche, die eine Wohnunge brauchen, weil sie geheiratet haben oder oder ihre Arbeit gewechselt haben, bentragen eine Wohnungszuteilung. 


Im April berichteten die staatlichen nordkoreanischen Medein über eine Zeremonie zur Fertigstellung luxuriöser Apartments entlang des Flusses Pothong in Pjöngjang. Machthaber Kim Jong-un übergab die neuen Wohnungen größtenteils an solche, die sich im Propagandabereich um den Staat verdient gemacht haben. Dazu gehörte etwa auch die bekannte Nachrichtensprecherin Ri Chun-hee. 


Das Wohngesetz sieht vor, dass bei der Zuteilung Vorkämpfer der Revolution, Familien von Personen, die im Krieg starben, als Helden ausgezeichnete Bürger, Kriegsveteranen, aus dem Militärdienst entlassene Offiziere, Lehrer, Wissenschaftler, Techniker, sonstige Menschen mit besonderen Verdiensten und Erneuerer der Arbeit bevorzugt behandelt werden. Als Nächste in der Zuteilungsreihe sind Arbeiter in Bereichen harter Tätigkeiten wie etwa Bergwerksleute und Hüttenarbeiter, Tiefsee-Fischer sowie Zugführer. Das Gesetz schreibt vor, dass Wohnungen an Familien übergeben werden sollen, deren Behausung wegen städtischer Planungen abgerissen wurden oder an solche, die ihre Wohnung bei Naturkatastrophen verloren haben. 

Bei der Zuteilung werden verschiedene Faktoren, wie etwa die Zahl der Familienmitglieder, die Wohnbedingungen und Wege zur Arbeit berücksichtigt. Die Volksausschüsse und relevante Institutionen, die einen Antrag auf eine Wohnungszuteilung erhalten, übergeben neue Wohnungen oder leerstehende Häuser an Familien, die die Kriterien erfüllen. Doch eine zugeteilte Wohnung ist nicht das Eigentum des Nutznießers:


In Nordkorea ist alles staatseigen, Wohnungen eingeschlossen. Das heißt, Bürger, die eine Wohnung zugeteilt bekommen, erhalten nur das Recht auf Nutzung. Die Behörden erteilen eine Nutzungsgenehmigung, die den Namen des Nutzers und die Adresse enthält. Die Genehmigung ist kein Eigentumsnachweis, doch kann sie vererbt oder tranferiert werden. Wenn eine Person in einen anderen Ort zieht, weil sie die Arbeit wechselt, muss sie die Genehmigung zurückgeben, und sie erhält eine neue am neuen Wohnort. Einige nutzen diese Genehmigung jedoch zu illegalen Zwecken. So kann es passieren, dass jemand die Genehmigung nicht zurückgibt, nachdem ihm eine neue Wohnung zugewiesen wurde und andere darin vorübergehend wohnen lässt. Das Wohngesetz regelt das Genehmigungsverfahren. 


Wegen der bestehenden Wohnungsknappheit warten manche Nordkoreaner viele Jahre, bis sie eine Wohnung zugeteilt bekommen. Deshalb verschieben zahlreiche Menschen ihre Heiratspläne, oder sie leben auch nach der Heirat noch bei den Eltern. Andere wählten die Möglichkeit, als Mitbewohner bei anderen zu leben, sofern nur eine kleine Familie in einem Haus lebt oder die Wohnung über mehrere Schlafzimmer verfügt. Allerdings muss auch dafür eine Erlaubnis beantragt werden. Dazu kommt, dass die Menschen in luxuriösen Wohnungen leben wollen. Deswegen kommt es auch oft zu Unregelmäßigkeiten bei der Zuteilung:

 

Das ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Auch wenn die Zuteilungsrate hoch ist, sind die Apartments nicht alle gleich. In Pjöngjang sind sie sehr verschieden, das reicht von neuen Hochhauswohungen mit drei Schlafzimmern und zwei Badezimmern bis zu alten, mehrstöckigen Wohneinheiten mit einem Badezimmer, das mit den Nachbarn geteilt wird. Die Menschen haben alle den Wunsch, in neuen, luxuriösen Apartments zu wohnen, von denen es nie genug gibt. Es ist also nicht verwunderlich, dass Korruption um sich greift. 


Das Wohngesetz verbietet Handlungen, die ein Zusammenleben oder eine Unterkunft ermöglicht, wenn Geld oder andere Güter dabei eine Rolle spielen, oder wenn unfaire Bedingungen vorliegen. Auch verbietet es den Verkauf und Erwerb von Wohnungen, die staatseigen sind, sowie eine illegale Vermietung oder Vermittlung an andere. Das Gesetz sieht auch Strafen in Fällen vor, in denen jemand ein Haus ohne Baugenehmigung errichtet oder gegen Bauvorschriften verstößt. Es ist jedoch für die Regierung schwierig, die Menschen am Wohnungshandel zu hindern. Es scheint, als ob der Wohnungsmarkt deshalb gewachsen ist, weil die Zahl neuer, zu Wohlstand gekommener Geschäftsleute, die auch als Donju bezeichnet werden, gestiegen ist. Sie haben in der Regel seit Beginn der 2000er Jahre ihren Wohlstand den privaten Märkten, oder Jangmadang, zu verdanken: 


Für den Wohnungsbau verschaffte sich Nordkorea privates Kapital, um den Angebotsmangel aufzufangen. In der Anfangsphase drängte die Regierung die Behörden und Unternehmen, die wenig mit dem Bauwesen zu tun haben, wie etwa das Ministerium für Volkssicherheit und das Eisenbahnministerium, dazu, Wohnungen zu bauen. Doch hatten auch diese Problem, das nötige Geld und Baumaterialien aufzutreiben. Schließlich wandte sich die Regierung an die Donju, damit sie sich an den Bauprojekten beteiligen. Die Geschäftsleute wählten die Standorte dafür aus. Die Regierung genehmigte das und entwarf die Pläne. Wenn die Donju zum Beispiel den Bau von 100 Wohnungen zu Ende brachten, sicherte sich die Regierung 30 Wohneinheiten und die Donju die anderen 70, um Gewinn zu machen. 


Seit der Machtübergabe an Kim Jong-un Ende 2011 hat Nordkorea den privaten Markt toleriert, wodurch eine große Donju-Schicht entstand, die zur Erweiterung des Wohnungsmarkts durch enge Verbindungen mit den Machtstellen beitrugen. Der Machthaber trieb die Bauprojekte in Pjöngjang und anderen Städten voran, was zu einem überhitzten Markt führte: 


Kim Jong-un hat seine politische Macht auf der Basis des Städtebaus gestärkt. Hohe, spektakuläre Wohnkomplexe trugen dazu bei, dass der Wohnungsmarkt größer wurde, und durch die auch die betroffenen Industriezweige gefördert wurden. Ein Autohersteller hat beispielsweise mehrere Partnerfirmen. Auch in der Bauindustrie geht es nicht nur um den Häuserbau. Sie ist auch mt anderen Produktionsprojekten verknüpft, wie etwa die Herstellung von Zement, Fenstern und Türen sowie Möbelstücken. Mit anderen Worten, Bauprojekte haben den Effekt, den einheimischen Markt zu stimulieren. Ich würde sagen, Nordkorea setzte einen New Deal in der Form des Wohnungsbaus um. Die umfangreichen Bauprojekte zeigen den Menschen die Vision einer neuen Ära. Auch haben sie die Sekundärwirkung, dass betroffenen Industriezweigen geholfen wird. Vermutlich wird Nordkorea aus diesem Grund weitere Bauprojekte vorantreiben. 


Der Wohnungsbau in Nordkorea ist derzeit in vollem Gang. Der Bauboom wird daher auch die Transaktionen auf privater Ebene fördern, was zu einem überhitzten Wohnungsmarkt führt. Da sich jedoch die wirtschaftliche und soziale Polarisierung wahrscheinlich vertiefen wird, könnte sich die Unzufriedenheit im Großteil der nordkoreanischen Bevölkerung verstärken. 

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