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Kultur

Son Chang-sop: „Regentage“

2018-07-10

ⓒ Getty Images Bank


Aus dem Sendeinhalt


Literaturkritikerin Jeon So-yeong:

Ich erinnere mich daran, dass der Menschen mit Gegenständen verglich und sich selbst in seinem Menschsein immer unwohl fühlte. Man muss hier die gesellschaftliche Situation der 1950er Jahre im Hinterkopf behalten, als er als Schriftsteller besonders aktiv war. Die Menschheit hatte die Welt durch Krieg verwüstet und nun mit den Folgen des Krieges zu kämpfen. In solchen Umständen fällt es nicht leicht, den Menschen gegenüber Zuneigung und der Welt gegenüber Interesse zu entwickeln. Es überrascht nicht, dass er Menschen nicht mochte und die Welt in seinen geschichten negative darstellte. Er liefert detaillierte, beinahe mikrosopisch genaue Beschreibungen von Menschen, die jede Hoffnung verloren haben und von einer düsteren Welt ohne Zukunftsvision. So zählen Son Chang-sops Geschichten zu den eigenartigsten und düstersten Werken der koreanischen Literaturgeschichte.



Won-gu und Dong-wook sind seit der Grundschule miteinander befreundet, doch als der Krieg ausbricht, verlieren die beiden Freunde den Kontakt zueinander. Won-gu versucht, in Busan als Straßenverkäufer über die Runden zu kommen. Zufällig laufen die beiden dort einander über den Weg. Von da an besucht Won-gu seinen Freund Dong-wook und dessen Schwester Dong-ok immer, wenn es regnet. Das Verhältnis zwischen den dreien ist kompliziert. 


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Während Dong-wook alleine in der Küche herumhantierte, saß seine Schwester Dong-ok die ganze Zeit reglos an einem Fleck. Sie blätterte in einer ausländischen Illustrierten und gähnte ab und zu. 

Da spürte Won-gu plötzlich, dass seine Hose nass war. Das Regenwasser im Eimer war übergelaufen, und die Pfütze hatte sich bis zu Won-gu, der gleich daneben saß, ausgebreitet.  

Dong-ok saß weiterhin einfach nur da und rief ihrem Bruder zu, dass der Eimer übergelaufen sei. Dong-wook sah durch die angelehnte Tür und schrie: „Du nutzlose Trutsche, kannst du das nicht selber aufwischen?“

Won-gu dachte sich, dass dies eine willkommene Gelegenheit wäre, aufzustehen und zu gehen, und so sagte er: „Ich mach das schon“, und nahm den Eimer in die Hand. Aber bevor er auch nur einen einzigen Schritt machen konnte, um den Eimer nach draußen zu bringen, rutschte dieser ihm aus der Hand und das ganze Wasser floss über den gesamten Fußboden. Dong-ok, die bis dahin nur bewegungslos dagesessen hatte, sprang auf und machte einen Schritt zur Seite. Aber die Art, wie sie sich bewegte, war nicht normal. Ihr linkes Bein, das unter ihrem Kleid zum Vorschein kam, war dünn und kurz wie das Handgelenk eines Kindes. Ohne dieses dünne, kurze Bein noch einmal zu bewegen, ließ sich Dong-ok schnell in einer trockenen Ecke des Raumes nieder. Und sie starrte Won-gu an mit giftigem Blick und gespenstisch bleichem Gesicht.





Son Chang-sop wurde 1922 in Pjöngjang geboren. Er debütierte als Schriftsteller 1952 mit der Erzählungen „Ferien“. 1955 gewann er den Hyundai Literaturpreis für Nachwuchsschriftsteller. Die Erzählung „Regentage“ erschien 1953.  

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