FRAGE: Freya Hensgens schreibt: Mit Interesse verfolge ich die Informationen auf Ihrer Internetseite, seitdem ich im vergangenen Herbst auf einer dreiwöchigen Exkursion des Geographischen Instituts zu Kiel Ihr Land kennen lernen durfte. Es waren interessante und schöne Erfahrungen, die ich in Korea sammeln konnte. Seit dieser Zeit bin ich auf der Suche nach Informationen über eine bestimmte Zeremonie einer Schamanin zur Ahnenverehrung, die einmal jährlich zu Ehren der Ahnen einer Seeschlacht unterhalb der Jindo-Brücke abgehalten wird. Leider sind mit nur diese Fakten bekannt.
ANTWORT: Wahrscheinlich meinen Sie den Jindo Schamanen-Tanz, genauer gesagt den Jindo Ssitgimgut. Dieses exorzistische Ritual dient dazu, den Geist einer verstorbenen Person zu reinigen. Seit dem Altertum besteht in Korea der Glaube, dass der Geist eines Verstorbenen nicht in die Totenwelt eintreten kann, solange der Geist unrein ist. Der Ssitgimgut wäscht diese Unreinheit weg. Er wird vor allem im Südwesten des Landes abgehalten, in der Regel nach dem Tod und am 1. Todestag des Verstorbenen. Dieser Gut wurde am 17. November 1980 von der koreanischen Regierung zum Wichtigen Immateriellen Kulturgut Nr. 72 bestimmt. Die Schamanin ist ganz in Weiß gekleidet. Wichtige Elemente des Gut, der die ganze Nacht über dauert, sind der Schamanentanz, bei dem um das Wohlergehen und das Glück der Hinterbliebenen des Verstorbenen gebetet wird, die Zeremonie des Einschlagens des Leichnams in eine Reisstrohmatte, dann ein Tanz, der die Trauer der Hinterbliebenen lindern soll und abschließend ein Tanz, der die Seele des Verstorbenen ins Jenseits geleitet. Dabei wird die Seele getröstet und ihre Loslösung von der Welt der Lebenden ermöglicht, indem alle ungestillten Sehnsüchte und Gefühle des Bedauerns, die der Verstorbene noch gehabt haben mag, gestillt und besänftigt werden. Der Jindo Ssitgimgut wurde übrigens in Auszügen bereits 2006 in Paris und Amsterdam vorgeführt.
Das Ritual wird unterhalb der 1984 eröffneten Jindo-Brücke abgehalten. Unterhalb dieser Brücke befinden sich die Uldulmok Wasserschnellen der Myeongnyang-Wasserstraße zwischen Festland und Insel. Die Passage ist hier etwa 294 Meter breit. Das Wasser fließt mit 11 Knoten pro Stunde, das ist die höchste Fließgeschwindigkeit für Meereswasserstraßen in Asien, was das Navigieren selbst für große Schiffe erschwert. Die Myongnyang-Wasserstraße ist bekannt als Ort, an dem eine der drei großen und siegreichen Seeschlachten stattfand, in denen der legendäre koreanische Admiral Yi Sun-sin die Japaner zurückgeschlagen hat. Es war womöglich seine glorreichste Schlacht. Denn am 26. Oktober 1597 stellte sich Admiral Yi Sun-sin mit 13 Kriegsschiffen einer zahlenmäßig überlegenen japanischen Flotte von 133 Kriegsschiffen und 200 Unterstützungsschiffen. Bei den koreanischen Schiffen handelte es sich wahrscheinlich noch nicht einmal um Geobukseon, also Schildkrötenschiffe, sondern um einfache Panokseon, solide Kriegsschiffe aus Kiefernholz und Bambus- statt Eisennägeln, die per Segelund und Ruder fortbewegt wurden. Admiral Yi nutzte die Wasserschnellen der engen Meeresstraße zu seinem Vorteil und konnte die Japaner zum Rückzug zwingen. In dieser siegreichen Schlacht sind auch viele Bewohner der Insel Jindo ums Leben gekommen, ein Grund, warum der Jindo Ssitgimgut gerade hier abgehalten wird.
Der Jindo Ssitgimgut wird zudem abgehalten, wenn zu Beginn des dritten Monats nach Lunarkalender, das ist im Mai, die Ebbe sechs bis sieben Meter fällt und sich das Meer zwischen den Inseln Jindo und Modo teilt, so dass ein etwa 10 bis 40 Meter breiter und 2,9 km langer Streifen Meeresgrund sichtbar wird, über den man von einer Insel zur anderen zu Fuß gehen kann. Diese Erscheinung, die durch den hohen Gezeitenunterschied zwischen Ebbe und Flut bewirkt wird, wird auch als Moses-Wunder bezeichnet. Wer sich Jindo, das Moses-Wunder und andere Attraktionen der Insel ansehen möchte, der gehe auf die englischsprachige Seite des Kreises Jindo: http://tour.jindo.go.kr