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Lifestyle

Trinken in Korea

#Sie fragen, wir antworten l 2007-07-02

Hörerecke

Trinken in Korea
FRAGE: Zuletzt ging es in der Hörerecke um die Tischsitten und die Tischmanieren der Koreaner. Paul Gager aus Deutsckreutz in Ö hat jetzt einen Artikel mit der Überschrift beigelegt: „Lasst uns trinken, bis wir sterben. In 90% der Unternehmen des Landes gehören Kollektive Besäufnisse zum guten Ton. Mitarbeiter wehren sich nun vermehrt gegen das verordnete Trinken.“ - Ob der Artikel den Wahrheiten entspricht?, fragt Paul Gager.

ANTWORT: Der Artikel ist leicht reißerisch aufgemacht, stimmt aber im Großen und Ganzen. Der jährliche Pro-Kopf Verbrauch von 25,3 Litern Alkohol steht allerdings nicht im zitierten Bericht „Global Status Report on Alcohol“ der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2004, wie der Artikel suggeriert. Die WHO nennt noch 18,4 Liter, und zwar für männliche Erwachsene. Jedoch sind Angaben des Nationalen Statistikamtes für 2006 zu finden, die von 25,6 Litern Soju pro Erwachsener und Jahr sprechen, d.h. die Angaben sind schon glaubwüdig. Pro Jahr werden in Korea über 3 Mrd. Flaschen Soju verkauft. Soju ist eine traditionelle koreanische Alkoholsorte, ein Klarer, der aus Süßkartoffeln oder Getreide wie Reis destilliert wird und normalerweise 25% Alkohol hat. Soju ist hingegen kein „scharfer, koreanischer Wodka“̀, wie es in dem Artikel heißt. Wodka hat wenigstens 37,5 bis 80% Alkohol und Soju, wie gesagt, maximal 25%. In den letzten Jahren sind jedoch softere Sorten mit weniger als 20% Alkohol in den Handel gekommen, von denen die 360 Milliliter-Flasche im Schnitt nur 70 Cents kostet.

Die Soft-Alkoholika haben unter anderem wohl auch dazu geführt, dass 2006 der Alkoholkonsum allgemein, der seit der Finanzkrise 1998 rückläufig war, im Vergleich zu 2005 um 2,4% gestiegen ist. Denn immer mehr Frauen sind für die leichten Getränke zu haben. Ein weiterer Grund ist aber auch die gestiegene Beliebtheit von Wein, speziell Rotwein, der in der Presse für seine gesundheitsfördernden Eigenschaften angepriesen wird.

2006 wurden in Korea 1,88 Mio. Kiloliter Bier getrunken, das sind 2,2% mehr als 2005. (1 Kiloliter sind 1000 Liter). Soju hat mit 995.000 Kilolitern um 3,2% zugelegt, was auf die Sorten mit weniger Alkoholgehalt zurückgeführt wird. In Flaschen gerechnet macht das 79,8 Flaschen Bier und 72,4 Flaschen Soju pro Jahr und erwachsenen Koreaner (über 20 Jahre) für 2006. Am stärksten ist der Weinverbrauch angestiegen, nämlich um 8,7% auf 27.000 Kiloliter in 2006. Der Whiskeyverbrauch ist 2006 hingegen mit 33.000 Kilolitern um 2,9% im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

Einige Zahlen zum internationalen Vergleich: Nach den Angaben des Koreanischen Instituts für Öffentliche Finanzen lag 2003 der Pro-Kopf- Verbrauch von Alkohol bei Personen über 15 Jahren in Korea bei 9,3 Liter. Damit lag Korea auf Platz 19 unter den OECD-Ländern. Wenn es jedoch um hochprozentigeren Alkohol wie Soju oder Whiskey geht, lag Korea auf Platz 4.

Bedenklich sind folgende Zahlen: Nach einer im Jahr 2001 vom Koreanischen Ministerium für Gesundheit und Soziales gemachten Untersuchung gelten 6,8% der Koreaner zwischen 18 und 64 Jahren als alkoholabhängig oder entsprechend gefährdet, das macht einen von drei Erwachsenen über 20 Jahren aus. Nach einer Statistik der Koreanischen Staatsanwaltschaft aus dem Jahr 2001 sollen 63,2% aller Morde, 64,5% aller Autounfälle und 62,9% aller registrierten Gewalttaten unter Alkoholeinfluss zustande gekommen sein. Das heißt, insgesamt können die im Artikel genannten Zahlen und Trends bestätigt werden.

Das geht auch aus dem vorhin erwähnten Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2004 hervor. Der Bericht weist darauf hin, dass sich in Korea das Trinkverhalten in den letzten 50 Jahren stark verändert habe. Während der Alkoholkonsum in Korea pro Kopf der Bevölkerung 1960 bei nur einem Liter lag und 1980 bereits auf 7 Liter angestiegen war, werden für 2004 wie bereits erwähnt 18,4 Liter angegeben. Gleichzeitig ging der Trend von traditionellen, milden fermentierten Getränken, die zusammen mit Beilagen genossen wurden, zu hochpozentigen destillierten Alkoholika, die ohne Beilagen getrunken werden. Für 13,4% der Männer galt dabei, das sie häufig trinken, das heißt an 5 Tagen pro Woche oder mehr. Bei Frauen lag die Rate 2004 bei 2,4%. Dabei erhöht sich die Trinkhäufigkeit mit zunehmendem Alter und Personen, die auf dem Lande leben und in Landwirtschaft und Fischerei tätig sind, trinken eher und häufiger als Städter.

Insgesamt ist man in Korea noch immer vergleichsweise tolerant, wenn es ums Trinken geht, vor allem bei Männern, aber zunehmend auch bei Frauen. Und das im Artikel beschriebene verordnete Trinken in den Firmen ist leider immer noch verbreitet. Nicht immer und nicht ohne weiteres kann man sich dem entziehen, auch das stimmt. Jedoch sind diese Trinksitten in den letzten Jahren zunehmend auch in den Firmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, der Artikel nennt den Stahlhersteller Posco, der es seinen Mitarbeitern ermöglicht, eine gelbe Karte zu heben, wenn einer eine Runde aussetzen möchte, und eine rote, wenn jemand nach Hause gehen will. Und auch das im Artikel zitierte Urteil eines Seouler Bezirksgerichts, nach dem das erzwungene Trinken gegen die persönliche Würde verstoße und mit erheblichem Schmerzensgeld geahndet wird bzw. werden kann, wird sich langsfristig positiv auswirken. Aber wenn es um das gemeinsame Trinken geht, wirkt in Korea das Gemeinschaftsgefühl und der Gruppendruck immer noch in einem für deutsche Verhältnisse kaum nachvollziehbaren Maße. Eine gewisse Trinkfestigkeit erleichtert Leben und Arbeiten in Korea ungemein.

Zum Abschluss ein Zitat aus der Broschüre „Faszination koreanische Küche“, die von der Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea herausgegeben wird. Dort heißt es zum Thema Alkohol: „Für die Koreaner ist der Alkohol ein lebenslanger Begleiter in Zeiten der Freude und des Leids. Koreaner sind sehr großzügig, was Trinken angeht. Freundschaften werden mit ein oder zwei Flaschen Schnaps untermauert“ - gemeint ist hier Soju mit 360 ml Inhalt und nicht eine Schapsflasche im deutschen Sinne. „Wenn Sie eine Freundschaft mit einer Koreanerin oder einem Koreaner schließen wollen, laden Sie sie oder ihn auf einen Drink ein. Sie können sicher sein, dass diese Geste erwidert wird.“

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