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Lifestyle

Homosexualität in Korea

#Sie fragen, wir antworten l 2007-07-31

Hörerecke

Homosexualität in Korea
FRAGE: Nouri Streicher aus Kemme schreibt: Ich würde gerne mehr über das Leben homosexueller Koreaner hören. Wie steht die koreanische Gesellschaft zum Thema Homosexualität? Gibt es Diskriminierung? Wie sieht die Gesetzeslage aus? Sind Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern möglich? Mir persönlich ist es egal, ob jemand hetero-, homo- oder transsexuell ist. Es lieben sich Menschen und das ist wichtig.

ANTWORT: Das Thema möchte ich mit einem kleinen persönlichen Erlebnis einleiten. Vor etwas über zehn Jahren habe ich meine koreanische Schwägerin mal in aller Unschuld nach Homosexualität gefragt, weil ich oft erlebt habe, dass junge koreanische Frauen auf der Straße Hand in Hand gehen und auch Männer sieht man hin und wieder mit Arm um die Taille oder auch schon mal Hand auf dem Hintern des Kumpels, Verhalten, das im Westen schon suspekt wäre. In den allermeisten Fällen hat das in Korea aber nichts mit Homosexualität zu tun, ebenso wenig, wenn Freunde zu einem verheirateten Paar zu Besuch kommen und die Männer zusammen in einem Zimmer und die Frauen in einem anderen schlafen. Dafür sind beengte Wohnverhältnisse und die traditionelle Trennung der Geschlechter im Konfuzianismus verantwortlich. Nebenbei bemerkt ist diese Akzeptanz natürlich die ideale Tarnung für tatsächliche Homosexualität. Das wird übrigens auch von China berichtet (Jan Wong, Jan Wong´s China, 1999). Meine Schwägerin hat mich jedenfalls auf meine Frage nach der Homosexualität nur ganz entsetzt angeguckt und gemeint hat, so etwas gäbe es in Korea und unter Koreanern nicht. Um die gleiche Zeit etwa bat mich ein amerikanischer Kollege, mit dem ich zusammen beim Fernsehen arbeitete, nichts von seiner Homosexualität und seinem koreanischen Freund zu verraten, da es ihn den Job kosten könne. Das war vor etwas über zehn Jahren. Seither hat sich viel getan.

Das Bewusstsein in Bezug auf Homosexualität ist aber in Korea noch vergleichsweise gering ausgeprägt und Homosexualität wurde als unaussprechliches Thema lange Zeit einfach ausgeblendet. Das hängt mit den starken konfuzianistischen und patriarchalischen Traditionen zusammen, die davon ausgehen, dass natürliches Sexualverhalten sich nur unter Männlein und Weiblein abspielt und die Fortsetzung der männlichen Ahnenreihe die Pflicht jedes pietätvollen Sohnes ist. Auch wird Homosexualität in der südkoreanischen Verfassung oder dem Zivilen Strafrecht überhaupt nicht erwähnt. Es gibt auch keine Gesetze gegen Sodomie, Oral- oder Analverkehr. Nur Artikel 92 des Militärstrafrechts bestraft homosexuelle Aktivitäten, allerdings unter der Bezeichnung “sexuelle Belästigung” und “gegenseitige Vergewaltigung”.

Bis zur Neuzeit wird in der koreanischen Literatur Homosexualität kaum erwähnt und auch bildliche Darstellungen sind im Vergleich zu China und Japan seltener. Der früheste literarische Beleg soll sich in der im 13. Jh. verfassten “Geschichte der Drei Königreiche”, dem “Samguk-yusa”, finden. König Hye-gong, der 765 im Alter von 8 Jahren auf den Thron kam, wurde 780 auf Grund seines weiblichen Verhaltens und der Bevorzugung männlicher Gesellschaft von seinen Hofleuten ermordet. Zu erwähnen ist auch der buddhistische Mönch Myojeong, der im 8. Jh. von mehreren Adligen der Silla-Dynastie umworben worden sein soll.

Im 14. Jahrhundert waren König Chungseon und sein Nachfolger König Gongmin aus der Goryeo-Dynastie für ihre homosexuellen Neigungen bekannt. Mit der 1392 beginnenden Joseon-Dynastie, die den Konfuzianismus zur Staatsideologie machte, wurden solche gleichgeschlechtlichen Beziehungen insgesamt negativ betrachtet, auch wenn sie weiterhin unter Adligen und buddhistischen Mönchen existierten. Sicherlich auch unter dem einfachen Volk, hier fehlen jedoch historische Belege.

Lesbische Beziehungen wurden übrigens noch weniger toleriert. So sollen die Hofbeamte König Sejong 1436 geraten haben, seine Schwiegertochter auf Grund sexueller Beziehungen zu einer Dienerin ihres Status als Adlige zu entheben, um Würde und Ehre der königlichen Familie zu schützen.

Aus historischer Sicht ist noch Namsadang zu erwähnen, ein Wandertheater, dass durch Lieder, Maskentanz und Puppenspiele der Stimme des einfachen Volkes Ausdruck verlieh. Die Midong, die schönen Jünglinge, mussten die Rolle der männlichen Geliebten von Adligen übernehmen, und das oft nicht nur auf der Bühne. Das war mit ein Grund, warum die Namsadang-Theaterleute von den Konfuzianisten der Zeit und der Gesellschaft insgesamt als Aussätzige behandelt wurden.

Allgemein kann man sagen, dass das Thema Sexualität in Korea bis zum Ende des Koreakriegs 1953 und auch noch danach ein Tabuthema war, und Homosexualität erst recht. Im medizinischen Bereich soll das Thema erstmals 1970 von D.S. Han in der “Zeitschrift für Koreanische Neuropsychiatrie” behandelt worden sein, und zwar unter dem Titel “Sexuelle Perversionen in Korea”. Bis heute wird Homosexualität zum Teil immer noch als vorübergehende Störung des Geschlechts- und Sozialverhaltens definiert. Unter solchen Anschauungen scheinen nach Angaben des Koreanischen Beratungszentrums für Lesben (Lesbian Counseling Center Korea; www.kirikiri.org) Lesben stärker zu leiden zu haben als Schwule. (joongangdaily.joins.com/_data/pdf/2007/03/15/2007031508.pdf)

Nach der International Encyclopedia on Sexuality (http://www.2.hu-berlin.de/sexology/IES/southkorea.html) lässt sich die moderene Homosexuellen-Gemeinde in Korea etwa ab den 1970er Jahren verfolgen, davor koexistierte sie mit Vergnügungsorten für Ausländer. In den 1970er Jahren trafen sich dann an die 120 koreanische Homosexuelle regelmäßig in einem chinesischen Restaurant in Seoul. Die Gruppe wollte aber vor allem anonym bleiben. 1991 wurde mit “Sappho” die erste offizielle koreanische Lesben-Gruppe gegründet, und zwar von einer amerikanischen Militärangehörigen. Sie existiert heute noch. Zur gleichen Zeit schlossen sich homosexuelle Amerika-Koreaner in New York (1990) und Los Angeles (1993) erstmals zu Gruppen zusammen, deren Mitgliederzahlen sich von einer Handvoll innerhalb eines Jahres verzehnfachten. Mitte der 1990er Jahre erschienen in den koreanischen Presse erstmals Berichte zur Homosexualität. Am Anfang war man dabei mehr auf der Suche nach Schlagzeilen und Sensationen, aber schon bald beschäftigte man sich ernsthaft mit der Thematik zum Beispiel im Zusammenhang mit den Menschenrechten.

Das Thema Homosexualität geriet endgültig ins Rampenlicht, als am 1. April 1995 die erste homosexuelle Studentengruppe an der Yonsei-Universität gegründet wurde, “Come Together” der Name. Noch im gleichen Jahr folgte die Gruppe “Maeum 001” an der Seoul Nationaluniversität und “People with People” an der Korea-Universität. Im Juli 1996 gab es wenigstens fünf homosexuelle studentische Organisationen an koreanischen Universitäten. Sie begannen, regelmäßig Newsletter herauszugeben, jeden Sommer Human Rights Schools und Gay Youth Camps zu organisieren und Kontakte zu internationalen Organisationen Gleichgesinnter aufzubauen.

Schockierend für manchen Koreaner war, dass diese jungen Leute die drei besten Universitäten des Landes besuchten und damit zur Elite der Nation zählten. Das beeinflusste auch die Medienberichterstattung positiv. Diese erreichte ihren Höhepunkt 1999, als die Top-Universität des Landes, die Seoul Nationaluniversität, eine homosexuelle Studentengruppe erstmals offiziell anerkannte. Fast alle wichtigen Medienanstalten des Landes berichteten darüber, neutral bis positiv im Tenor. In der Folgezeit hat eine Fernsehshow das Leben, den Alltag und die Sorgen von koreanischen Lesben und Homosexuellen dokumentiert. Parallel zu diesem Outcoming siedelten die Treffpunkte der Homosexuellen aus den dunklen Seitengassen abgelegener Stadtviertel oder des von den stark von Ausländern frequentierten Viertels Itaewon in die Nachtclubgegenden der Universitäten und die feineren Stadtviertel. Seit 2000 findet jedes Jahr das “Korea Queer Culture Festival” in Seoul statt, 2007 vom 6. bis 10. Juni (www.kqcf.org), das durch Filme und andere Veranstaltungen auf Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle, ihr Leben und ihre Probleme aufmerksam macht.

All das bedeutet nicht, dass die Homosexuellen es plötzlich leicht gehabt hätten. Im September 2001 bekannte sich der beliebte koreanische Schauspieler Hong Seok-cheon zu seiner Homosexualität und wurde daraufhin sofort von zwei Hauptrundfunkanstalten gefeuert, mit der Begründung, er habe einen negativen Einfluss auf Jugendliche. Nach fast vier Jahren Pause ist er mittlerweile wieder zu sehen, unter anderen in TV-Diskussionen über die Rechte Homosexueller.
In einer Untersuchung der Joongang Ilbo Tageszeitung waren 2001 zwar 59,2% der Befragten der Meinung, die Entlassung Hongs sei ungerecht und 77,5% meinten, Homosexuelle würden in Korea diskriminiert. Trotzdem meinten zwei Drittel im selben Atemzug Homosexualität sei schlecht und eine Sünde.

Für eine weitere Kontroverse sorgte 2001 das Internet-Ethikkomitee (Information and Communication Ethics Committee), das auf Basis von Artikel 8 der Jugendschutzbestimmungen aus dem Jahr 1996 homosexuelle Liebe unter “Perversion und Obzönität” einordnete. In einem Rundumschlag wurden daraufhin im Nov. 2001 innerhalb von wenigen Tagen an die 120 Webseiten gesperrt oder teilweise blockiert, und zwar nicht nur Webseiten für Jugendliche unter 19. (www.btinternet.com/~yskim/pdf/ch7-draft.pdf).
Die koreanischen “Iban”, wie sich Lesben, Schwule, Trans-, und Bisexuelle bezeichnen, die sich u.a. in der “Lesbian and Gay Alliance Against Discrimination in Korea” organisiert hatten, schritten dagegen gerichtlich vor mit dem Argument, dass diese Zensur der Internetseiten das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf Gleichheit, Meinungsfreiheit und Streben des Einzelnen nach Glück verletze. Denn die Zensur der Ethikkommission betraf auch Webseiten von Iban-Selbsthilfe- und Unterstützungsgruppen und nicht nur etwa Seiten mit pornographischem Inhalt. Nach zwei Jahren gerichtlicher Auseinandersetzung hat das Nationale Koreanische Menschenrechtsschutzkomitee die Argumente der Iban im April 2003 als berechtigt anerkannt und die umstrittene Formulierung über homosexuelle Liebe aus dem Jugendschutzgesetz gestrichen.

Zwei Filme haben in jüngster Zeit Homosexualität erfolgreich thematisiert, zum einen 2005 “Der König und der Clown”, wobei der koreanische Titel eigentlich “Der Lover des Königs” (왕의 남자) heißt, und 2006 der Film “No Regret” (후회하지 않아). Das heißt, die Populärkultur hat sich vermehrt des Themas angenommen, unter anderem auch durch Werbespots und eigene Homo-Zeitschriften.

Und am 8. März 2004 fand die erste öffentliche Hochzeit von zwei Homosexuellen statt, die von den koreanischen Medien mit einer beachtlichen Berichterstattung bedacht wurde. Die Familien der beiden Männer waren allerdings nicht anwesend. Das Paar muss sich bislang mit dieser öffentlichen Geste seiner Liebe zufriedengeben, denn Heiraten unter Gleichgeschlechtlichen sind noch nicht erlaubt. Dafür setzt sich aber die drittgrößte koreanische Partei ein, die 2000 gegründete Demokratische Arbeitspartei und zwar durch ihr “Komitee für Sexuelle Minderheiten”. Das Komitee hat 2004 eine Beschwerde gegen ein Bezirksgericht in Incheon eingereicht, das in einem Urteil die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen verweigerte.

Fazit: Korea ist in punkto gleichgeschlechtliche Beziehungen innerhalb einer kurzen Zeit sehr weit gekommen, der Weg ist aber auch noch weit. “Chingusai”, eine 1994 gegründet Gruppe Homosexueller, die sich für Aufklärung, Unterstützung und Rechte der Homosexuellen einsetzt, warnt auf ihrer Webseite nachdrücklich davor, die homosexuelle Orientierung allzu offen bekannt zu geben und sich dazu zu bekennen. Es gäbe zwar eine kleine Schicht vergleichsweise progressiver Liberaler, für die die Akzeptanz von Homosexualität Gradmesser der Fortschrittlichkeit einer Gesellschaft sei, die Mehrheit der koreanischen Gesellschaft sei aber noch zu konservativ, um so unbefangen wie in westlichen Staaten mit dem Thema umgehen zu können. Hier spielten vor allem der Konfuzianismus, Familienehre und christliche Moralvorstellungen eine Rolle. Diskriminierung geschehe denn nicht durch Gesetze, sondern eher subtil durch moralische und religiöse Kritik und damit verbundene Vorurteile, die sich dann z.B. durch verschiedene Formen des sozialen Ausschlusses äußern könnten. Es sei daher geraten, sich in allen offiziellen Kontexten wie z.B. am Arbeitsplatz usw. bedeckt zu halten. (http://www.chingusai.net)


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