Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Lifestyle

Sprachliche Unterschiede zwischen Nord- und Südkorea

#Sie fragen, wir antworten l 2010-04-24

Hörerecke

Sprachliche Unterschiede zwischen Nord- und Südkorea
FRAGE: Heinz Günther Hessenbruch aus Remscheid schreibt: Ich vermute, dass Süd- und Nordkorea früher einmal eine gemeinsame Sprache hatten. Ist das heute noch so oder hat sich die Sprache der beiden Länder durch die Teilung auseinanderentwickelt?

ANTWORT: Nach wie vor gibt es in Nord- und Südkorea nur eine Sprache, nämlich das Koreanische. Durch die lange Teilung des Landes und die unterschiedlichen politischen Ideologien ist es jedoch zu einer gewissen sprachlichen Auseinanderentwicklung gekommen. Das wird im Süden von der Nationalen Akademie für Koreanisch beobachtet und kommentiert. Dabei lassen sich folgende Probleme und Hauptunterschiede ausmachen:

In Nordkorea bemüht man sich, zur Förderung der nationalen Identität möglichst viele rein koreanische Ausdrücke zu verwenden und so den eigenen Volkscharakter zu unterstreichen. Zu diesem Zweck wurden aus einem als besonders repräsentativ empfundenen Dialekt im Norden Nordkoreas über 4.000 Wörter in die Standardsprache aufgenommen. Mit diesen Wörtern kann ein Südkoreaner erst mal überhaupt nichts anfangen. `Gemüse` heißt im Süden etwa 채소 (chaeso), im Norden aber 남새 (namsae). `Aufmerksam zuhören` oder `die Ohren spitzen` heißt im Süden 귀를 기울이다 (gue-reul giurida), im Norden jedoch 귀를 강구다 (gue-reul gangguda). Diese Beispiele klingen schon unterschiedlich genug, um das Problem zu verdeutlichen.

Weitere Unterschiede gehen darauf zurück, dass man in Nordkorea seit 1949 gemäß der Juche-Ideologie, die absolute Autarkie und Eigenständigkeit betont, sämtliche Wörter chinesischer Herkunft Silbe für Silbe durch rein koreanische Wörter ersetzt hat. Während man im Süden z.B. für `Überschwemmung` das aus dem Chinesischen entlehnte 홍수 (hongsu) verwendet, sagt man im Norden 큰물 (keunmul) , was soviel wie `großes Wasser` bedeutet. `Milchpulver` für Babys ist in Nordkorea wörtlich `Pulverkuhmilch`, nämlich 가루소젗 (garu-so-jeot), in Südkorea 분유 (bunnyu). Südkoreaner können diese nordkoreanischen Bildungen zwar meist kontextbedingt verstehen, oft wahrscheinlich aber erst im zweiten Anlauf. Übrigens gab es auch in Südkorea seit den 70er Jahren Bestrebungen, Wörter chinesischen Ursprungs oder aus dem Englischen eingedrungene Wörter durch koreanische zu ersetzen. Im Zuge dieser Bestrebungen kamen auch neue Wörter in Gebrauch, die im Norden und Süden identisch sind. So etwa 승강기 (seungganggi) für `Aufzug`. Im Süden ist daneben aber nach wie vor das englische `elevator` ebenso häufig, wenn nicht häufiger, zu hören.

Im Norden und Süden gelten dann zum Teil unterschiedliche Orthographie- und Grammatikregeln, die wiederum auf die Aussprache einen Einfluss haben. Daraus erklärt sich z.B., weshalb `Arbeit` im Norden 로동 (rodong) heißt, im Süden aber 노동 (nodong). Im Übrigen ist selbst die Abfolge des Alphabets im Norden und Süden unterschiedlich und zum Teil auch die Benennung der einzelnen Buchstaben. Das bedeutet z.B., dass es beim Buchstabieren von Wörtern ebenso Unterschiede und Probleme gibt wie beim Suchen eines Begriffes im Wörterbuch.

Das Nordkoreanische hat aller Juche-Ideologie zum Trotz eine Reihe von Fremdwörtern aufgenommen, die es mit derselben Bedeutung auch im Süden gibt. Meist handelt es sich um Wörter für Dinge, die erst mit der Sache selbst ins Land gekommen sind und für die entsprechende Begriffe fehlten. Aber auch hier lassen sich Unterschiede in der Schreibung und Aussprache dieser Wörter ausmachen. Im Süden sagt und spricht man z.B. 라디오 (radio), im Norden jedoch 라지오 (rajio) für `Radio`. Im Süden ist die `Kampagne` 컘페인 (kaempaein) und im Norden 깜빠니아 (kkamppania). Der Panzer ist in Südkorea 탱크 (taengkeu), in Nordkorea 땅크 (ttangkeu). Wer genau hingehört hat, der kann in den meisten Fällen bei den südkoreanischen Beispielen das Englische als Quelle ausmachen, bei den nordkoreanischen hingegen das Russische. Dahinter steht natürlich die jeweilige politische Orientierung.

Interessant sind die Wörter, in denen man im Süden auf Fremdwörter zurückgreift, im Norden jedoch Eigenbildungen bevorzugt. So verwendet man z.B. im Süden für BH 브래지어 (beuraejieo), im Norden jedoch 가슴띠 (gaseumtti), wörtlich `Brustgürtel`. Im Süden ist das Karamelbonbon 캐레멜 (kaeremel), im Norden 기름사탕 (gireumsatang), wörtlich `Ölbonbon`.

Aufgrund der unterschiedlichen Ideologien und der damit zusammenhängenden Gesellschaftssysteme haben einige Wörter eine völlig neue Bedeutung angenommen oder eine Nebenbedeutung entwickelt. So ist 일꾼 (ilkkun) in Südkorea z.B. der `Tagelöhner`, in Nordkorea jedoch der revolutionäre Arbeiter, d.h. das Wort hat im Norden eine andere, positive Bedeutung. Umgekehrt ist 신사 (sinsa) im Süden weiterhin der Ehrenmann und Gentleman, im Norden jedoch der arrogante Lebemann und Beourgois des Kapitalismus. 동무 (dongmu), das man früher auch im Süden benutzte, um einen Freund zu bezeichnen, hat im Norden die Bedeutung `Genosse` angenommen und wird entsprechend im Süden vermieden.

Übrigens benutzt man in Südkorea zur Mittagszeit häufig und ohne große Überlegung den Gruß `siksa hasyeosseoyo?` wörtlich `Haben Sie schon gegessen?` Das bedeutet nicht mehr als `Guten Tag` und sollte bitte nicht als indirekte Einladung zum Essen missverstanden werden. Bis Anfang der 1960er Jahre war auf der koreanischen Halbinsel der Hunger ein häufiger Gast. Die Wendung stammt aus diesen Zeiten und brachte ursprünglich ein wirklich ernst gemeintes Anliegen zum Ausdruck. Flüchtlinge aus Nordkorea sagen, dass dieser Gruß im Norden nicht gerne verwendet und gehört wird.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >