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Lifestyle

Seidenherstellung

#Sie fragen, wir antworten l 2010-10-16

Hörerecke

Seidenherstellung
FRAGE: Günther Sievert aus Marl schreibt: Gibt es in Korea Seidenherstellung? In welchen Textilien wird Seide verarbeitet?

ANTWORT: Seide ist eine feine Textilfaser, die aus den Kokons der Seidenraupe, der Larve des Seidenspinners, gewonnen wird. Sie ist die einzige in der Natur vorkommende textile Endlos-Faser. Sie kommt ursprünglich vermutlich aus China, wo das Geheimnis der Seidenraupenzucht und der Seidenherstellung über Jahrtausende gewahrt wurde. Einer chinesischen Legende nach gilt Lady Hsi-Ling-Shih, die Frau des mythischen Gelben Kaisers, der um 3.000 v. Chr. in China regiert haben soll, als Göttin der Seide. Hsi-Ling Shih soll die Seidenraupenzucht eingeführt und den Webstuhl erfunden haben. Tatsächlich hat man 1927 in Nordchina Seidenraupenkokons gefunden, die auf 2600 bis 2300 v. Chr. datiert wurden. Alte Seidenbänder und Fäden, die man anderswo in China ausgegraben hat, lassen sich sogar auf 3000 v. Chr. datieren. Und eine kleine Schale aus Elfenbein mit einem Dekor aus Seidenraupen stammt sogar aus der Zeit von 6000 bis 7000 v. Chr. was zeigt, dass die Seidenraupenzucht noch früher bekannt gewesen sein dürfte.

Der Schlüssel für hochwertige Seide, mit der China über Jahrtausende Produktion und Markt dominierte, liegt in einer Seidenraupenart: der blinden, nicht fliegenden Motte Bombyx mori, die in vier bis sechs Tagen über 500 Eier legt und dann stirbt. Dieses hochproduktive Tierchen, das nicht wegfliegen kann und zudem den feinsten Seidenfaden produziert, wurde von den Chinesen domestiziert und hat China zum klassischen Seidenland gemacht. Die Feinheiten der Seidenraupenzucht sollen hier ausgespart werden, auch wenn sie höchst interessant sind. Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass im 5. Jh. v. Chr. bereits in sechs Provinzen Chinas Seide hergestellt wurde. Wie bedeutungsvoll dieses Gewerbe war, kann man auch daran ablesen, dass jedes Frühjahr die chinesische Kaiserin höchstpersönlich die Seidenraupenzuchtsaison eröffnete, an der sich Frauen in ganz China beteiligten. Die Geheimnisse der Seidenraupenzucht und Seidengewinnung waren Staatsgeheimnisse und unterstanden strenger staatlicher Überwachung. Wer sie verriet oder Raupeneier oder Kokons aus dem Land schmuggelte, wurde mit dem Tode bestraft.

Trotzdem verloren die Chinesen irgendwann ihr Seidenmonopol. Um 200 v. Chr. kam die Seidenraupenzucht zusammen mit chinesischen Einwandererwellen auf die koreanische Halbinsel. Um 300 n. Chr. soll es einer japanischen Expedition gelungen sein, einige Seidenraupeneier an sich zu bringen und vier junge Chinesinnen zu entführen, die den Japanern dann die Kunst der Serikultur, also des Seidenbaus, beibringen mussten. In späteren Jahrhunderten verfeinerten die Japan ihre diesbezüglichen Kenntnisse und Methoden durch regen diplomatischen Austausch mit China.
Im 3. Jh. n. Chr. fand die Seidenherstellung langsam ihren Weg auch nach Westen. Zu der Zeit war sie in Indien, wo die Seidenherstellung neben China am ältesten sein dürfte, bereits etabliert. Im 6. Jh. hatten auch die Perser und Byzantiner die Kunst der Seidenproduktion gemeistert. In Italien begann man erst im 13. Jh. mit der Seidenherstellung, als 2000 Webermeister aus Konstantinopel nach Italien kamen. Dabei hatten schon die römischen Kaiser und Adligen im 3. Jh. n. Chr. Seide aus China getragen, wobei eine Toga so viel kostete wie ein Legionär im Jahr verdiente. Ab dem 13. Jh. verbreitete sich die Seidenherstellung auch in Europa schnell. Bis dahin war das Abendland über die Seidenstraße weitgehend aus Importe aus dem Osten angewiesen gewesen. Der Seidenhandel soll übrigens schon floriert haben, bevor die Seidenstraße im 2 Jh. v. Chr. eröffnet wurde.

Kommen wir nach diesem Ausflug in die Vergangenheit zurück in die Moderne. Wir hatten gesehen, dass die Seidenproduktion schon sehr früh von China nach Korea kam. Heutzutage stellt Asien, wo 14 der über 30 Seiden-produzierenden Länder liegen, 90% der weltweiten Seidenproduktion. Als Hauptproduzenten gelten nach dem Stand von 2005 China mit rund 54% und Indien mit rund 14%. In Indien ist übrigens der Seidenkonsum am höchsten auf der Welt. Die restlichen 32% der Seidenproduktion entfallen auf Usbekistan, Brasilien, Iran, Thailand, Vietnam, Nordkorea, Rumänien und Japan, gefolgt von Südkorea.

Südkoreanische Wissenschaftler haben ein automatisches Kokon-Erntegerät entwickelt und ziehen die Raupen zum Teil mit einer künstlichen Diät groß, was 60% Arbeitskosten spart und die Kokon-Ernte um 6% erhöht. Ein mobiles Füttergerät reduziert die Fütterzeit mit Maulbeerbaumblättern um 27%. Seidenraupenpulver wurde zudem als Blutfettspiegel reduzierendes Nahrungsergänzungsmittel entwickelt.

70 bis 80% der koreanischen Seidenherstellung findet sich in der Stadt Jinju in der Süd-Gyeongsang-Provinz. Die Stadt mit ihren etwas über 300.000 Einwohnern ist schon seit alters her für ihre hochwertige Seide bekannt. Hier wurde 1910 die erste Seidenfabrik des Landes aufgemacht. 1912 begann man mit der maschinellen Herstellung von Seidenstoffen und 1935 mit der Herstellung von Kunstseide. An die 120 Unternehmen in Jinju stellen Seide her oder färben sie bzw. exportieren koreanische Qualitätsseide nach Nordamerika und Europa. Die Qualität der Jinju-Seide gründet einerseits in den idealen natürlichen Ressourcen der Gegend wie dem sauberen Wasser aus dem Jiri-Gebirge, andererseits in den Humanressourcen, die z.B. hochwertige Färbetechniken für Seide entwickelten. 1988 wurde in Jinju zudem ein Forschungsinstitut für Seide gegründet, das die beiden Marken Silkian und Jinju Kira erfolgreich für den weltweiten Seidenmarkt entwickelte.

Aus Seide wird in Korea so ziemlich alles gemacht, was man sich vorstellen kann: Kleider, Blusen, Hemden Taschen, Krawatten, Bänder, künstliche Blumen, Bilder, Wandbehänge, Schals und so weiter und so fort.

Nach einer Yonhap Meldung vom 25. Oktober 2009 soll übrigens der nordkoreanische Führer Kim Jong-il übrigens zu einer Erhöhung der Seidenproduktion des Landes aufgerufen haben. Bei einem Besuch der Huichon Seidenfabrik bemerkte Kim, die Fabrik solle ihre Produktion erhöhen, um den Lebenswunsch des Staatsgründers Kim Il-sung zu erfüllen, nämlich, dass alle Nordkoreaner Seide tragen, Reis und Fleischsuppe essen und ein ziegelgedecktes Dach über dem Kopf haben sollen.

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