Q: Wie geht eine Hochzeit in Korea traditionell vonstatten? Dauert sie traditionell auch über mehrere Tage?
A: Vorab einige generelle Bemerkungen zu koreanischen Hochzeitsbräuchen. Das Ganze beginnt nämlich schon sprachlich beim Wort „heiraten“. Heiratet ein Mann, heißt es: 장가가다 – „zum Haus der Eltern der Frau gehen“. Heiratet eine Frau, heißt es 시집가다 – „zum Haus der Eltern des Mannes gehen“. In alter Zeit, d.h. eigentlich sogar noch bis in die 1950er Jahre, war es in Korea nämlich so, dass die Hochzeitsfeier im Gegensatz zu den Nachbarländern China und Japan im Haus der Braut stattfand, d.h. der Mann musste also wirklich „zum Haus der Eltern der Frau gehen“. Nach der ebenfalls dort verbrachten Hochzeitsnacht hielt er sich auch noch eine Weile dort auf. Diese Weile konnte von ein paar Tagen bis zu mehreren Jahren dauern, vier Wochen waren so der Schnitt.
Ehen waren in der rigoros konfuzianistisch geprägten koreanischen Gesellschaft grundsätzlich arrangierte Angelegenheiten zwischen zwei Familien. Nur Angehörige der Unterschicht konnten sich quasi den Luxus einer Liebesheirat leisten. Mit der Öffnung und der Verwestlichung der koreanischen Gesellschaft hielt dann zwar auch das romantische Konzept der Liebesheirat Einzug und vermittelte Ehen wurden eine Zeitlang als altmodisch angesehen, das hat sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren aber wieder entscheidend geändert. Man weiß wieder die Kompatibilität von Familienhintergrund, Bildungshintergrund und nicht zuletzt Vermögen zu schätzen. Doch zurück in die alte Zeit.
Der Heiratsvermittler war ursprünglich eine Frau fortgeschritteneren Alters, die beide Familien kannten. Auch heute übernehmen oft noch Frauen diese Funktion, sei er halb privat oder beruflich als Betreiber von registrierten Vermittlungsagenturen. Wichtig ist damals wie heute, dass die Saju, die vier Säulen des Paares, kompatibel sind, also Jahr, Monat, Tag und Stunde der Geburt, aus denen sich Schlüsse über Charakter und Schicksal ziehen lassen. Gewisse Zeichen des östlichen Zodiak sollten zum Beispiel trotz magnetischer Anziehungskraft tunlichst die Finger voneinander lassen.
Der formelle Austausch der Saju-Dokumente besiegelte dann das Ehe-Einverständnis der beiden Familien. Dabei wurden die Saju-Daten des Bräutigams in schwarzer Tusche auf ein großes Blatt weißes Papier geschrieben, das Blatt sieben mal von links nach rechts gefaltet und in ein Kuvert mit der Aufschrift „Saju“ gesteckt. Der Umschlag kam dann in ein Einschlagtuch, dass innen blau und außen rot war, und wurde an einem verheißungsvollen Tag den Eltern der Braut übergeben. Überbringer war normalerweise eine Person, deren erstes Kind ein Sohn war und die für ein vorbildliches Eheleben bekannt war. Die Übergabe dieses Dokuments war ein wichtiges Ereignis in der Familie der Braut und die Braut bewahrte diesen informellen „Heiratsantrag“ normalerweise bis zum Tode in ihrem wertvollen persönlichen Besitz auf.
Nach dem Erhalt des Saju war es an der Brautfamilie, unter Konsultation eines Wahrsagers einen glücksverheißenden Tag für die Hochzeit zu wählen und der Familie des Bräutigams ein entsprechendes Schriftstück über eine Person, der die Glücksgötter im Leben wohlgesonnen waren, überbringen zu lassen.
Am vereinbarten Hochzeitstag ritt dann der Bräutigam auf einem Pferd zum Haus der Braut. Diese „Chohaeng“, „Erste Reise“, genannte Prozession wurde vom Vater, Großvater oder Onkel, also einem Repräsentanten der Familie, angeführt. Begleitet wurde sie von einigen engen Verwandten und dem Hamjin-abi, dem Träger der Hochzeitstruhe. Dieser von der Familie des Bräutigams ausgewählte Träger war normalerweise jemand, dem das Glück hold war und dessen erstes Kind ein Sohn war. Die Hochzeitstruhe enthielt einen formellen Hochzeitsantrag und Brautgeschenke. Zu den Brautgeschenken gehörten Ballen von blauer und roter Seide für die Hochzeitstracht der Braut, wobei die blaue Seide in rotes Papier und die rote Seide in blaues Papier eingewickelt war. Weitere Geschenke waren Goldschmuck und Bettwäsche mit Matratzen und Decken aus Seide. Dazu verschiedene wertvolle symbolische Gegenstände, die für Eheglück und Geburt von Söhnen standen. Der Brauch des Überbringens der Hochzeitstruhe existiert auch heute noch, wobei neben festlicher Kleidung hauptsächlich Schmuck und Gold- und Silbergegenstände von einigem Wert geschenkt werden.
Für den Empfang der Hochzeitstruhe rollte die Brautfamilie eine Strohmatte im Vorderhof aus, stellte einen Paravent auf und platzierte auf einer Bambusmatte einen Tisch mit gedämpftem Reiskuchen. Davor kam ein kleiner Tisch mit getrocknetem Alaska-Polack und einer Schüssel mit Wasser, das vor Tagesanbruch aus der Quelle geschöpft worden war. Die Hochzeitstruhe wurde auf den Tisch gestellt und jemand aus der Brautfamilie griff mit geschlossenen Augen hinein. Erwischte die Person ein Stück rotes Tuch, sollte das erste Kind ein Mädchen sein, ein Stück blaue Seide signalisierte einen Sohn. War der Stoff von besonders heller Farbe, sollte die Braut ein vergleichsweise einfaches Leben in der Schwiegerfamilie haben, eine dunkle Farben verhieß weniger Gutes. Die Brauttruhe wurde normalerweise von den Brauteltern, ihrem älteren Bruder oder einer weiblichen Verwandten mit viel Glück im Leben entgegengenommen.
Die Familie der Braut wartete danach auf die Ankunft des Bräutigams. In großen Anwesen wurde die Zeremonie im Hausinneren abgehalten, normalerweise aber im vorderen Hof, wo man ein Zeltdach mit Schutzvorhängen errichtete. Die Zeremonie, die von einem des Chinesischen kundigen Dorfältesten zelebriert wurde, begann dann mit der Ankunft des Bräutigams. Ein älterer Bruder der Braut begrüßte den Bräutigam und führte ihn ins Haus, wo er vor einem nach Norden ausgerichteten Altar kniete und eine hölzerne Mandarinente auf den Tisch stellte, die Eheglück symbolisierte, da diese Enten Symbole der Monogamie und damit der Treue sind. Um den Schnabel der Ente waren blaue und rote Fäden mit Jujuben als Fruchtbarkeitssymbolen gebunden. Die Ente selbst war in eine rot-blaues Tuch mit der roten Seite nach außen eingeschlagen. Brautmutter und Braut nahmen die Ente entgegen, schlugen sie in Tuch ein und bewahrten sie in der Reistruhe der Familie auf. Auf dem Hochzeitstisch standen zudem zwei Kerzen, Äste von immergrünen Bäumen wie Bambus oder Kiefer, Kastanien, Jujuben, Reis, Reiskuchen, Obst, sowie eine in ein Tuch eingeschlagene Henne und ein Hahn.
Der in Blau gekleidete Bräutigam wartete vor dem Tisch auf die in Rot gewandete Braut, die sich bei ihrem Erscheinen vier Mal mit Hilfe von Dienerinnen zu einem großen Kotau vor dem auf dem Boden sitzenden Bräutigam verbeugte. Danach erwiderte der Bräutigam diesen Gruß mit einem zweimaligen großen Kotau. Die Zahl der Verbeugungen entspricht den Prinzipien von Yin und Yang.
Auf diesen Austausch von Verbeugungen folgte eine symbolischer Austausch von Reiswein, der aus den zwei Hälften eines mit blauen und roten Fäden umwundenen Flaschenkürbis genippt wurde. Dieser Zeremonieschritt stand für die symbolische Vereinigung des Paares. Danach steckten die Gäste Kastanien und Jujuben, Symbole für die Geburt vieler Söhne, als Snack für die Hochzeitsnacht in die Taschen des Bräutigams.
Nachdem diese Hauptzeremonie hinter sich gebracht worden war, zog sich der Bräutigam um. Ihm wurde dann ein mit rituellen Speisen reich gedeckter Tisch von den Schwiegereltern angeboten, von dem er aber nur symbolisch kostete und die Speisen dann an seine Familie senden ließ, die sie mit Verwandten und Nachbarn teilten.
Der Bräutigam begrüßte danach formell die älteren Familienmitglieder der Braut und die Braut entrichtete ihre Grüße gegenüber den anwesenden Familienmitgliedern des Bräutigams. Waren dann die Gäste gegangen, zog sich das Brautpaar in die Brautgemächer zurück. Die Diener bereiteten die Bettstatt auf dem Boden zu, stellten einen Paravent auf und stellten eine Schüssel mit Wasser und eine mit Reispunsch bereit. Danach wurde ein Tischchen mit Reiswein und Beilagen hereingebracht. Die Braut hatte davor stillzusitzen und die Fragen des Bräutigams schüchtern und leise zu beantworten. Dann entkleidete der Bräutigam die Braut und blies die Kerze aus. Das war dann das Zeichen für die Neugierigen vor dem Brautgemach, mit den Fingern Löcher in die Papierfenster zu bohren, um eine Ahnung vom Geschehen zwischen den Bettdecken zu bekommen.