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Lifestyle

Der Jeju-Aufstand

#Sie fragen, wir antworten l 2014-11-15

Hörerecke

Q:Die Vulkaninsel Insel Jeju-do mit ihren Lavahöhlen soll landschaftlich sehr attraktiv sein. Der Tourismus gehört seit 1970 zu den Haupteinnahmequellen. Es wurde in der Sendung beste touristische Werbung für die Insel betrieben, allerdings verschwiegen, dass es dort etwa zwischen April 1948 und August 1949 das sog. Jeju-Massaker gab. Können Sie etwas Näheres dazu berichten?

A:Dieses Kapitel der Geschichte ist bis heute noch nicht unter den Koreanern aufgearbeitet und selbst auf Jeju-do gibt es nach wie vor viele, die lieber darüber schweigen. 1948 kam es auf der Insel Jeju-do, die heute als Erholungsparadies und Touristenziel gilt, zu Aufständen, nachdem die Zentralregierung in Seoul eine rechtsgerichtete Lokalregierung eingesetzt hatte. Widerstand gegen die damit einhergehende Repression der Polizei und die Angst vor Fremdbestimmung der Insel führten dann zu Erhebungen von angeblich linksgerichteten Rebellen. Am 3. April 1948 griffen diese sog. Rebellen dann auf der ganzen Insel Polizeikommandos und die Einrichtungen einer rechtsextremen paramilitärischen Organisation an. Polizei und Armee antworteten mit großer Brutalität und verfolgten eine Strategie der verbrannten Erde. Mit dem Ziel, die Aufständischen im bergigen Landesinnern zu isolieren, wurden alle Dörfer, die mehr als vier Kilometer von der Küste entfernt waren, dem Erdboden gleichgemacht: Nach offiziellen Angaben sollen zwischen April 1948 und August 1949 270 von insgesamt 400 Dörfern der Insel zerstört worden sein. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute unbekannt. Die Schätzungen weichen sehr voneinander ab, offizielle Zahlen sprechen von nur 27.000 bis 30.000, zum überwiegenden Teil Zivilisten. Auf Jeju-do werden jedoch erschreckende Zahlen von 140.000 genannt, darunter Frauen, Kinder und Alte. Auch glauben viele nicht an die angebliche groß angelegte Rebellion der Linken, sondern betrachten diese sog. Rebellion als eine Art Unmutskundgebung von wenigen, die dann aber einen unglaublichen Gewaltausbruch zur Folge hatte. Zu dieser Zeit des extremen ideologischen Gegensatzes zwischen Rechten und Linken war es sowieso leicht, sofort als kommunistisch abgestempelt zu werden, wenn man sich auch nur gegen die Obrigkeit äußerte.
Selbst der Kommandant der Strafexpedition der Zentralregierung, Generalleutnant Kim Ik Ruhl, bewertete in nach seinem Tod veröffentlichten Manuskripten die in Südkorea vorherrschende Erklärung der Ereignisse als kommunistischen, separatistischen Aufstand als falsch: Das Handeln der Inselbewohner sei seiner Einschätzung nach weniger ideologisch und von den nordkoreanischen Kommunisten beeinflusst gewesen. Es sei vielmehr eine Reaktion auf eine vermeintliche Gefährdung der örtlichen Schmuggelwirtschaft sowie auf Plünderungen gewesen, und auch eine Reaktion auf Morde und Vergewaltigungen seitens rechtsgerichteter Marodeure von der koreanischen Halbinsel, die man nach Jeju-do geschickt hatte. Auch das amerikanische Militär soll Anteil an dieser Entwicklung gehabt haben, so die Einschätzung des Generalleutnants.

Jahrzehntelang war es verboten, den Massenmord zu thematisieren. Man sprach nur vom ‚Vorfall vom 3. April‘. Solche euphemistischen und verharmlosenden Formulierungen für Gräueltaten sind in der koreanischen Geschichtsschreibung, die jahrzehntelang - ja, eigentlich bis heute - vom Konflikt zwischen Rechten und Linken geprägt war, allgemein üblich.

In den Jahrzehnten nach dem Massaker lag ein offiziell verordneter Schleier des Schweigens über den Ereignissen. Gedenkveranstaltungen für die Toten waren verboten, die Hinterbliebenen erhielten zum Teil Berufsverbot. Das änderte sich erst mit der Demokratisierung des Landes in den 1980er Jahren, als es erste Versuche in Südkorea gab, die eigene Geschichte aufzuarbeiten. 1999 rief Präsident Kim Dae-jung eine Untersuchungskommission ins Leben, deren Ergebnisse die Regierungsseite schwer belastete.

Unter den liberalen Regierungen von Kim Dae-jung und Roh Moo-hyun gab es überhaupt erstmals ernsthafte Versuche, das tot geschwiegene Unrecht in der koreanischen Geschichte aufzuarbeiten, sei es in Bezug auf das Massaker von Jeju-do oder die Kollaboration vieler heute an höchster Stelle politisch und gesellschaftlich einflussreicher Koreaner und deren Familien mit den Japanern. Das sind natürlich sensible Themen.
Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die konservativen Regierungen unter Lee Myung-bak im Jahre 2008 und der jetzigen Präsidentin im Jahre 2013 versickerten dann die Versuche der beiden liberalen Vorgängerregierungen, durch eine ernsthafte Aufarbeitung der Geschichte Versöhnung in der koreanischen Gesellschaft zu schaffen, im Sande. Zum Teil wurden notwendige Finanzquellen dafür ausgetrocknet, der Fokus der Presse verschob sich auf andere Probleme oder wurde bewusst darauf gelenkt.

Zum Gedanken, dass das Jeju-Massaker die Insel touristisch interessanter machen könnte: Dieser Gedanke ist gar nicht so abwegig, denn auf der offiziellen Webseite der Jeju Tourismus-Organisation weist man tatsächlich bewusst in Zusammenhang mit der Vorstellung des Friedensparks auf die dunkle Seite der Geschichte hin und empfiehlt, sich darüber zu informieren. Dahinter steht die Idee einer sog. "Dunklen Tourismus-Tour". Tödlichster Punkt wäre hier die historische Stätte Bukchon. Laut Kim Seok Bo, der das Massaker als 13-Jähriger überlebte, feuerte die Polizei am 3. April 1948 in Bukchon auf Demonstranten, die den Kampf der Koreaner gegen die japanischen Besatzer feiern wollten. Die Einheimischen wehrten sich, indem sie 11 Polizeistationen angriffen. In den anschließenden Kämpfen wurden 120 Menschen getötet. Die Aufständischen riefen zum Aufstand gegen die amerikanische Militärregierung auf, der Korea 1948 unterstand. Damals sollen in einer Vergeltungsaktion des Militärs 130 von 183 Dörfern niedergebrannt und 15.000 bis 30.000 Menschen getötet worden sein.

Der Überlebende Kim Seok Bo ist zudem der Meinung, dass das Konzept der Demokratie in Korea noch unausgereift sei. Er glaubt nicht an das Recht auf Meinungfreiheit und erzählt, dass er einmal einen Artikel über die Morde in Bukchon verfasste, nur um dann beschuldigt zu werden, Lügen zu verbreiten. Es bestehen noch viele Konflikte unter den Überlebenden. Und nach Meinung eines Geschichtslehrers, der die Bukchon-Stätte besuchte, weiß die allgemeine Öffentlichkeit bis heute viel zu wenig von den Geschehnissen, schlimmer noch, es ist für die meisten nur eine traurige Geschichte, mit der man sich lieber nicht befassen will. Wer sich gewissermaßen als Geschichtstourist auf die Spuren des Jeju-Massakers begeben will, der sollte laut Forschern drei Übernachtungen und vier Tage einplanen, um Licht und Schatten der Insel Jeju nur annähernd verstehen zu lernen.

Wer sich einen schnellen und beeindruckenden Einblick verschaffen möchte, der sehe sich den Schwarz-Weißfilm Film Jiseul an. In der Herbstausgabe 2013 der Zeitschrift KOREANA gibt es einen Bericht zu diesem Versuch des Regisseurs, diesen dunklen Teil der koreanischen Geschichte aufzuarbeiten. Klicken auf unserer Webseite world.kbs.co.kr/german in der rechten Spalte ganz unten in der Bannerzone auf die Zeitschrift KOREANA.

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