Um das Interesse junger Leute für die traditionelle koreanische Instrumente zu wecken, kann es hilfreich sein, wenn sich auf dem entsprechenden Instrument nicht nur die alten traditionellen koreanischen Melodien, sondern auch westliche Klassik oder Popularmusik zu Gehör bringen lässt. Ein Instrument, das sich gut für solche interkulturellen Grenzüberschreitungen eignet, ist das Haegeum. Instrumente, die dem Haegeum ähneln, finden wir in ganz Ostasien, in China beispielsweise das Erhu, ein Streichinstrument, das auch in Korea gespielt wird. Doch während sich das Erhu durch eine eher weiche, dunkle Klangfarbe auszeichnet, bringt das Haegeum vor allem hohe und spitze Klänge hervor. Es wird manchmal auch bezeichnet als “bisabijuk비사비죽“. Übersetzt bedeutet dies „nicht Zupf- und nicht Blasinstrument“. Anders als die Saiteninstrumente Gayageum und Geomungo wird das Haegeum nicht gezupft, sondern mit dem Bogen gestrichen. Dadurch können lange, gehaltene Töne produziert werden, so, wie auf einem Blasinstrument. Das Haegeum nimmt insofern eine Art Mittelstellung zwischen den Zupf- und Blasinstrumenten ein.
Das Haegeum wird senkrecht gehalten und mit einem Bogen gespielt. Bevor das Instrument vermutlich in der Goryeo-Zeit auf die koreanische Halbinsel kam, war es vor allem bei den Nomadenvölkern im nördlichen China verbreitet. Damit es auch von Reitern zu Pferde gespielt werden konnte, war es klein und leicht zu handhaben. An dem aus Bambusholz gefertigten Resonanzkörper ist ein schmaler stabartiger Hals befestigt, der mit zwei Saiten bespannt ist, die aus Seide hergestellt werden. Der Bogen aus Rosshaar streicht zwischen diesen beiden Saiten hin und her und bringt so den Klang hervor. Tonhöhe und Klang werden bestimmt durch Druckpunkt und Druckintensität der Finger der linken Hand und lassen sich in vielfältiger Weise variieren. Insofern zeichnet sich das Haegeum durch eine besonders breite Klangfarbenpalette aus. Oftmals wirkt sein Klang klagend und melancholisch, doch hat das Instrument durchaus auch eine andere, eine heitere Seite. Denn früher wurde das Haegeum nicht nur benutzt, um musikalische Stücke zu interpretieren, sondern diente den Gauklern und Clowns auf den Märkten auch dazu, Tierlaute zu imitieren und das Publikum zu Lachen zu bringen. Auch sein leicht näselnder Klang lässt sich humoristisch ausgestalten.
Das Haegeum ist zweifelsohne ein Volksinstrument. Doch in der Joseon-Zeit gab es, wie überliefert ist, einen adligen Gelehrten, der Interesse an diesem Volksinstrument entwickelte und begann, das Haegeumspiel zu erlernen. Ein Freund kam vorbei, hörte die ulkigen Geräusche, die sich auf dem Haegeum hervorbringen ließen, das Vogelgezwitscher und das Grillengezirpe, und er ermahnte den Adligen, doch bitte mit dieser erbärmlichen Bettlermusik aufzuhören. Diese sei für einen Mann seines Standes schlechterdings nicht angemessen. Eines Tages traf der adlige Hobbymusiker den Haegeum-Meister Yu U-chun유우춘 und fragte ihn nach seine Meinung. Der Meister sagte: „Alle Klänge dieser Welt, das Summen der Mücken und der Fliegen und das Quaken der Kröten, existieren nicht ohne Grund. Was für einen Unterschied macht es, ob sie auf dem Haegeum von mir oder von einem Bettler hervorgebracht werden?“ Jede Musik, ob sie lustig ist oder traurig, wird gespielt und gehört, um die Seele der Menschen zu trösten.