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Geschichte

Jeong Ji-yong: Begründer der modernen koreanischen Lyrik

2012-01-26

<b>Jeong Ji-yong</b>: Begründer der modernen koreanischen Lyrik
Gedichte der Nostalgie

Auch dieses Jahr fand zum Neujahrsfest nach dem Mondkalender, einem der größten Feiertage des Landes, in Korea wieder eine große Völkerwanderung statt. Mehr als 30 Millionen Koreaner machten sich auf den Weg zu ihren Familien auf dem Land. Die daraus resultierenden Verkehrsstaus machen die Fahrt lang und anstrengend, und doch zieht es die Menschen jedes Jahr wieder nach Hause. Ob es an der Nostalgie liegt, an dem Gefühl, nach Hause gekommen zu sein, wenn die Eltern aus dem Haus rennen und die Orte der Kindheit unverändert vor einem liegen? Ein Dichter, der diese Stimmung besonders gut eingefangen hat und den Menschen in dieser Zeit des Jahres immer wieder durch den Sinn geht, ist Jeong Ji-yong.


Ein literarisch begabtes Kind aus Okcheon

Dort wo sich ein schmaler Bach schlängelt,
Märchen murmelnd ostwärts ans Ende der weiten Flur,
und abends in der hereinbrechenden Dämmerung
ein gefleckter Ochse in goldträgen Tönen muht...


In einem seiner wichtigsten Werke mit dem Titel „Hyangsu“, „Heimweh“, bringt der Dichter in klarer Sprache, detailreichen Naturbeschreibungen und prall gefüllten Versen die Sehnsucht nach der Heimat zum Ausdruck. Er setzte damit einen neuen Maßstab in der modernen koreanischen Dichtung.

Jeong Ji-yong wurde am 15. Mai 1902 in Okcheon in der zentralen Nord-Chungcheong-Provinz geboren. Okcheon war ein idyllisches Dorf, in dem die Bergbäche in der Ebene zu einem kleinen Fluß zusammenflossen. Doch Jeongs Kindheit war alles andere als idyllisch: nachdem sein Vater, ein Apotheker, durch ein Hochwasser sein gesamtes Vermögen verloren hatte, ging es der Familie wirtschaftlich schlecht. Jeong wuchs in Einsamkeit und Armut auf und flüchtete sich als Kind gerne in eine Traum- und Fantasiewelt.

Diese Angewohnheit aus der Kindheit war wohl die Basis für seine literarische Kreativität. Im ersten Jahr der Oberschule, mit 17 Jahren, begann er mit dem Schreiben und zeigte schon bald besondere Begabung. Nur ein Jahr später veröffentlichte er seine erste Kurzgeschichte, und aufgrund seiner ausgezeichneten schulischen Leistungen konnte er nach dem Abschluss mit einem Stipendium an die prestigereiche Doshisha-Universität im japanischen Kyoto gehen. Dort studierte er englische Sprache und Literatur und gab parallel in den literarischen Kreisen in Korea und Japan sein Debüt.


Der Beginn der modernen koreanischen Dichtung

In Korea veröffentlichte Jeong im Juni 1926 in dem Magazin „Hakjo“ insgesamt neun Werke, darunter das Gedicht „Café France“. Er machte sich damit im Nu einen Namen. Auch in Japan veröffentlichte er innerhalb von drei Jahren dreizehn Gedichte und drei Essays und wurde als vielversprechender neuer Dichter gehandelt.

1929 schloss er sein Studium an der Doshisha-Universität ab, und ein Jahr später galt er bereits mit bekannten Poeten wie Kim Yeong-rang und Park Yong-cheol als Hauptvertreter der reinen Lyrik. 1932 veröffentlichte er zehn Gedichte in verschiedenen Journalen, darunter das oben genannte „Heimweh“, und wurde damit endgültig zu einem der wichtigsten Dichter seiner Zeit.

1935 erschien sein Gedichtband, der für ein kleines Erdbeben in der koreanischen Literaturwelt sorgte. Jeong Ji-yeong setzte neue Maßstäbe in Bezug auf einen kreativen Umgang mit der Sprache, gegenwartsbezogene Themen und die sprachliche Schönheit der Gedichte. Laut einem der wichtigsten koreanischen Literaturkritiker der 1930er, Kim Gi-rim, markierte erst Jeongs Werk den Beginn der modernen koreanischen Dichtung.

Jeong Ji-yong widmete sich auch dem Nachwuchs. So sind die Entdeckung des Dichtergenies Yi Sang und der Poeten Jo Ji-hun, Park Du-jin und Park Mok-wol ihm zuzuschreiben. Doch nach der Befreiung Koreas 1945 sollte sein Leben eine dramatische Wendung nehmen.


Ein unvergessener Künstler

Nach der Befreiung war Jeong Ji-yong Chefredakteur bei der Kyunghyang-Zeitung, die zur Stiftung der katholischen Kirche gehörte. In dieser Funktion begleitete er die gesellschaftlichen Entwicklungen als scharfer Beobachter und Kritiker und brachte ein Realitäts- und Nationalitätsbewusstsein zum Ausdruck, das in seinen Gedichten so nicht zu finden gewesen war. Doch mit seinen Texten, in denen er kein Blatt vor den Mund nahm, machte er sich in der immer tiefer werdenden ideologischen Spaltung des Landes viele Feinde. Er wurde als Kommunist abgestempelt und in Artikeln wurde fälschlicherweise behauptet, er wäre zum Norden übergelaufen. Nach heutigen Erkenntnissen ist er wohl eher 1950 nach Ausbruch des Koreakrieges von der nordkoreanischen Armee in den Norden verschleppt worden und in einem Gefängnis in Pyeongyang verstorben. Doch die Differenzen darüber, ob er entführt wurde oder übergelaufen war, führten in der Nachkriegszeit dazu, dass sein Werk in Südkorea für mehrere Jahrzehnte tabu war.

Erst in den 1980ern wurden seine Gedichte wieder entdeckt. Doch auch nach vierzig Jahren trafen sie einen Nerv beim koreanischen Publikum, und Jeongs ungewöhnlicher Umgang mit der koreanischen Sprache und seine wunderschönen Naturbeschreibungen haben auch heute wieder viele Freunde.

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