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Geschichte

Hwang Sun-won: der Großmeister der reinen Literatur

2012-03-29

<b>Hwang Sun-won</b>: der Großmeister der reinen Literatur
Essence of Pure Lyricism

„Als der Junge das Mädchen am Bachufer sah, wusste er schnell, dass sie die Urenkelin der Familie Yun war. Das Mädchen spielte schon seit einigen Tagen am Wasser. Am nächsten Tag fischte es einen weißen Kieselstein aus dem Wasser und warf ihn auf den Jungen, der vom anderen Ufer aus zugeschaut hatte. „Du Dummkopf“, rief sie. Vom nächsten Tag an kam der Junge etwas später zum Bach. Der Schatten des Mädchens war nirgends zu sehen. Er war erleichtert. Doch es war seltsam. Mit jedem Tag, an dem das Mädchen nicht am Bach war, schlich sich irgendwo tief im Herzen des Jungens ein Gefühl der Leere ein.“

Diese Zeilen entstammen der berühmten Kurzgeschichte „Der Regenschauer“, deren koreanischer Titel „Sonagi“ lautet. Sie beschreibt in einfachen, aber wunderschönen Worten die tragische erste Liebe zwischen einem Jungen vom Land und einem Mädchen aus der Stadt. Die Geschichte wurde 1953 veröffentlicht und ist nur eine von unzähligen eines Schriftstellers, der in seinen 70 Schaffensjahren immer danach gestrebt hat, das Schöne und Unschuldige im menschlichen Geist und die Freiheit zu finden und darzustellen. Die Rede ist von Hwang Sun-won, einem der Großmeister der koreanischen Gegenwartsliteratur. Er war einer der wichtigsten Vertreter der sogenannten „Reinen Literatur“ und derjenige, der den koreanischen Lesern den Lyrizismus näher brachte. Am Montag dieser Woche, dem 26. März, wäre der Autor 97 Jahre alt geworden.


Am Anfang stand die Dichtung

Hwang Sun-won wurde am 26. März 1915 in Daedong in der heutigen nordkoreanischen Süd-Pyeongan-Provinz geboren. Während er in Pyeongyang die Sungsil-Mittelschule besuchte, veröffentlichte er 1931 in einem Literaturmagazin die Gedichte „Mein Traum“ und „Sohn, hab keine Angst!“. So zeigte er bereits früh sein außergewöhnliches literarisches Talent.

Seine Familie war wohlhabend, was man unter anderem daran erkennen konnte, dass er als Kind Unterricht im Eislaufen und Geigenspiel erhielt. 1934 ging er nach Tokyo, um dort die Waseda-Oberschule zu besuchen. Während seiner Zeit als Schüler gründete er mit anderen Koreanern dort zusammen eine Vereinigung, die sich dem Studium von Theaterkunst widmete, und gab seinen ersten Gedichtband heraus. Die Sammlung trug den Titel „Bangga“, was soviel wie „Laut singen“ bedeutet, und bestand aus kleinen lyrischen Gedichten. Hwangs einzigartiger Stil mit seinen kurzen, klaren, poetischen Sätzen hat in dieser Anfangszeit als Dichter seine Wurzeln. Ihm hat er es zu verdanken, dass so mancher sagte, seine Prosa wäre Poesie in Langform.

Nachdem Hwang 1936 ein Studium der Englischen Literatur an der Waseda-Universität begann, entdeckte er die Prosa für sich. Im Juli 1937 veröffentlichte er seine erste Geschichte, und drei Jahre später kam seine erste Kurzgeschichtensammlung mit dem Titel „Sumpf“ auf den Markt. Von da an konzentrierte er sich ganz auf Prosa.


LReine Literatur mit gesellschaftlich relevanten Inhalten

1941 erschien die Geschichte „Sterne“, 1942 „Schatten“. Doch als sich der Druck auf ihn erhöhte, auf Japanisch einen pro-japanischen Roman zu schreiben, zog sich Hwang 1942 aufs Land zurück und hüllte sich in Schweigen. Doch auch wenn er nichts veröffentlichte, schrieb er in diesen Jahren weiter und entwickelte so beständig seinen eigenen Stil. Erst 1947, zwei Jahre nach Ende der japanischen Kolonialherrschaft in Korea, erschien wieder ein Werk von ihm, dem viele weitere Kurzgeschichten und Romane folgen sollten.

Alle diese Werke zeichneten sich durch kurze, geschliffene Sätze und eine lyrische Schönheit aus, mit denen der künstlerische Aspekt von Literatur bis zur Perfektion vollendet wurde. Aber Hwang verlor bei allem Lyrizismus auch die Geschichte und die Realität nicht aus den Augen.

In „Der Hund aus dem Dorf hinter dem Berg“ beschreibt er in Parabeln das gesellschaftliche Chaos nach der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft. In dem Roman „Die Nachfahren Kains“ werden die mit der innerkoreanischen Teilung in Süd- und Nordkorea verbundenen Konflikte behandelt. Hwang zeigt hier ein ausgeprägtes gesellschaftliches Problembewusstsein, mit dem er die Realität seziert, während er aber gleichzeitig stets danach strebt, die Schönheit und Reinheit der menschlichen Seele wieder herzustellen.


Ein Leben für die Literatur

Hwang Sun-won wurde unter japanischer Herrschaft geboren und durchlebte die Teilung, den Korea-Krieg und die Militärdiktaturen in Südkorea. Doch auch in den Wirrungen der Geschichte blieb er der Literatur und seiner Überzeugung, dass ein Schriftsteller nur durch seine Werke sprechen sollte, stets treu. Nicht ein einziges Mal nahm er Auftragsarbeiten für Texte an, und außer seiner Mitgliedschaft an der Nationalen Akademie der Künste und seinem Lehrstuhl an der Kyunghee-Universität übernahm er keine Posten. Ehrendoktortitel, die ihm angeboten wurden, lehnte er ab, genauso wie den Kulturorden der südkoreanischen Regierung, der ihm 1996 verliehen werden sollte. Er hatte für Prunk nicht viel übrig und wich nie von seinem Weg ab. Hwang Sun-won lebte sein ganzes Leben lang nur für die Literatur. Am 14. September 2000 starb er friedlich im Schlaf.

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