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Kultur

Kim Seong-han: „Die Frösche“ (1955)

2023-06-27

ⓒ Getty Images Bank

Nachdem der Storch den ganzen Nachmittag damit verbracht hatte, Frösche im Wasser zu jagen, begann er, die an Land aufgestapelten Froschkadaver zum Mittagessen zu verzehren. Schließlich war er satt und gab einen lauten Rülpser von sich. Und dann warf der Storch dem Gefleckten ein Froschbein zu und sagte ihm, er solle es essen. Der Gefleckte zögerte ein wenig, aber da er sehr hungrig war, nahm er schließlich einen Bissen. Und er war überrascht. Er hatte nicht erwartet, dass das Fleisch seiner eigenen Art so schmackhaft sein würde. Er verschlang ein Bein in Windeseile und schaute dann den Storch an, als wollte er noch mehr. Der Storch riss ein Stück Fleisch vom Hinterteil eines Frosches ab und warf es ihm hin. Es war fettig und zart und gut. 



„Sag, schwarzer Frosch, wie sehe ich für dich aus?“, fragte Zeus.

„Du siehst schwarz aus wie ich“, antwortete der Schwarze.

„Da unten lebt eine Kreatur, die Mensch genannt wird. In den Augen dieses Geschöpfes sehe ich wie ein Mensch aus. Also hat man eine Marmorstatue von mir aufgestellt, die so aussah wie sie, und sie angebetet. Kühe und Hunde haben ihren eigenen Zeus, also kann ich nicht sagen, dass ich der Einzige bin. Ich existiere nicht. Ich bin eine Schöpfung von euch. Und ihr könnt zerstören, verprügeln und auffressen, was ihr selbst geschaffen habt.“



Zeus stand abrupt auf. 

„Steht auf, Frösche. Spuckt mich an und erniedrigt mich!“

Der Grüne und der Schwarze zögerten, aber von der Macht des Gottes überwältigt, stürzten sie sich auf Zeus, um ihn anzuspucken und zu beißen. 

Sie hielten den Atem an. Der Grüne blinzelte einmal und starrte dann geradeaus. 

Zeus und der Tempel waren verschwunden. Es gab nur noch Bäume, Gras und Felsen. Die Welt blieb unverändert und gleichgültig. Der Grüne stand noch immer benommen unter dem unerreichbaren, weiten Himmel, inmitten der fließenden Zeit, die keinen Anfang und kein Ende hatte.




Kim Seong-han (1919-2010): „Die Frösche“ (1955) 

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