Schauspieler und Stand-up-Comedian mit koreanischen Wurzeln Kim Illyoung
2024-04-12
ⓒ Getty Images BankDer Bus kam den Hügel hinauf. Ein Pförtner im Smoking verbeugte sich, um die Gäste zu begrüßen.
Die Anlage für die Fensterputzer an der Außenseite des Gebäudes wurde wieder hochgezogen. Sie waren nicht in der Lage gewesen, die Spuren der nun hier und da verstreuten Vogelkadaver zu beseitigen. Kurz bevor die Touristen aus dem Bus stiegen, hatten der Hausmeister und der Pförtner die Vögel, die mit zertrümmerten Köpfen und gebrochenen Knochen dalagen, mit bloßen Händen aufgesammelt.
Unter der Oberfläche des Sees begann sich etwas zu bewegen. Wellen brachen sich sanft und flimmerten im Sonnenlicht.
Unter den Touristen hatte sich das Gerücht verbreitet, dass spät nachts ein Ungeheuer aus dem See steige und auf dem Berg herumstreife. Zunächst war das Ungeheuer aus dem See gekommen, um das Gerücht zu bestätigen, aber dann hatte es das Interesse verloren. Das bedeutete jedoch nicht, dass das Leben am See nur langweilig gewesen wäre. Die Fensterputzer ließen sich von Zeit zu Zeit an den Seilen auf und ab, um dem Monster Hallo zu sagen.
Die Fensterputzer waren im Grunde ein Teil der Fenster. Sie ignorierten, was auf der anderen Seite des Fensters geschah, und betrachteten es lediglich als ihre Aufgabe, die Flecken auf der Außenseite zu beseitigen. Einige Gäste beschwerten sich, wenn die Reinigungskräfte in ihre Gesichter starrten, die sich im Fenster spiegelten, aber sie zogen sich einfach am Seil hoch.
Der Bus fuhr mit lautem Brummen rückwärts und rammte den Hoteleingang. Das Hotelschild über dem Eingang fiel herunter. Portier und Fremdenführer standen mit offenem Mund da und schauten zwischen dem Bus und dem Schild hin und her.
Als die Touristen abreisten, gingen die Fensterputzer wieder in die Luft. Das Ungeheuer gähnte unter dem See hervor. Ein Schwarm Vögel flog gegen die Fenster. Und der Hoteleingang begann einen feinen Riss zu zeigen.
Der Riss ging durch den in mehreren Sprachen geschriebenen Warnhinweis "Vorsicht Glas". Er erstreckte sich bis zu der Stelle, an der früher das Hotelschild gestanden hatte. Die Hausmeister und der Portier, die die Vogelkadaver aufgesammelt hatten, versuchten vergeblich, die Tür zusammenzuhalten.
Ein Bus mit neuen Gästen kam den Hügel heraufgefahren. Der Bus fuhr schneller auf das Hotel zu als der sich immer weiter ausbreitende Riss, der über das Glas lief. Die Fensterputzer schwebten in der Luft über dem Gebäude. Das Ungeheuer im See stieß einen langen Atem aus. Der Riss lief weiter in Richtung des gläsernen Sees.
Lee Eun-seon (*1983): „Vorsicht Glas“ (2018)
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